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# taz.de -- Späte Entschädigung: Wie Hamburg das Budge-Palais gleich zweimal …
> Erst vor drei Jahren entschädigte der Hamburger Senat die Erben für das
> 1937 von den Nazis enteignete klassizistische Budge-Palais, in dem
> bereits seit 1956 die Musikhochschule residiert.
Bild: Toplage an der Alster: das Budge-Palais, in dem heute die Musikhochschule…
HAMBURG taz | Hamburgs Musikhochschule ist ein prächtiger klassizistischer
Bau im vornehmen Stadtteil Pöseldorf, mit Rasenstück zur Alster hin.
Klavier und Oboe erklingen aus geöffneten Fenstern, Studenten stehen im Hof
– ein echter Hort der Musen. So war er auch von den einstigen jüdischen
Besitzern, Henry und Emma Budge, gedacht, als sie 1903 aus den USA nach
Hamburg zogen und das Gebäude zu einem kleinen Palast umbauen ließen.
Vor allem Emma Budge liebte die Kunst, sammelte mit Sachverstand Silber,
Porzellan, Teppiche, kleine Skulpturen und Möbel. Nach dem Tod ihres Mannes
setzte sie zunächst die Stadt Hamburg als Erbin des Grundstücks ein. Nach
der Machtübernahme der Nazis änderte sie ihr Testament – nun sollten die
USA und die Deutsch-Israelitische Gemeinde Hamburg die Erben sein –, um
1935 dann doch den Verkauf des Grundstücks durch jüdische Nachlassverwalter
zu verfügen.
Doch als Emma Budge 1937 starb, griffen die Nazis zu: Man setzte die
jüdischen Nachlassverwalter ab und NS-Reichsstatthalter Karl Kaufmann zog
ins schöne Budge-Palais. Zum Nachlassverwalter machte man den Steuerberater
Gottfried Francke, und unter seinem Dirigat zahlte Hamburgs Senat den Erben
305.000 anstelle der marktüblichen 500.000 Reichsmark für das Grundstück.
Ein lächerlich geringer Preis.
Bemerkenswert an der Geschichte ist, dass Francke – zwar nicht nachweislich
NSDAP-Mitglied, aber deutlich nazitreu – auch nach 1945 im Amt blieb. Davon
wiederum profitierte die Stadt, die nach Kriegsende zwar schnell 22.500
Mark erstattete – die 1937 vorenthaltene Differenz –, doch das Geld ging
eigenartigerweise nicht an die Erben, sondern an Gottfried Francke. Was
damit geschah, weiß bis heute niemand.
„Francke hat eindeutig Mandantenverrat begangen“, sagt der Hamburger
Historiker Günter Könke, der eine Studie über den Fall erstellt hat. „Der
Verkauf des Grundstücks erfüllt den Tatbestand des Vermögensentzugs, sodass
die Erben nach 1945 eindeutige Restitutionsansprüche hatten.“ Das wusste
auch Hamburgs Senat. Um das Gebäude trotzdem preisgünstig behalten zu
können, ersannen Finanzbehörde und Francke 1952 einen kuriosen Vertrag.
Darin wurde das Grundstück restituiert und im selben Moment wieder von der
Stadt gekauft. Die Erben erfuhren nichts von dieser Finte, sodass 1956 die
Hochschule für Musik in das Gebäude zog, das der Stadt gar nicht rechtmäßig
gehörte. Doch das störte niemanden – am wenigsten Francke, der bis zu
seinem Tod in den 1960ern Nachlassverwalter blieb und alle Anfragen der
Erben ignorierte.
Erst 2010 kam Bewegung in die Dinge, als die Erben-Anwälte Jörg Rosbach und
Lothar Fremy gründlich Restitution forderten – zunächst für rund 1.000
kunstgewerbliche Stücke, die die Nazis 1937 versteigert hatten. Schloss
Gottorf, Hamburgs Museum für Kunst und Gewerbe sowie das Hamburger Hotel
„Vier Jahreszeiten“ restituierten daraufhin zügig Porzellan, eine
Puppenstube aus dem 19. Jahrhundert und einen Gobelin.
Doch die Verhandlungen über das wertvolle Grundstück liefen zäh, weil
Hamburgs Senat zunächst umständlich prüfte, inwieweit eine Restitution ins
städtische Vermögen eingreife. Die Kulturbehörde bekannte sich zur
„moralischen Verantwortung“, die Finanzbehörde zögerte, die Presse machte
Druck. Im April 2011 endlich zahlte Hamburg den Erben eine Summe, deren
Höhe Anwalt Lothar Fremy nicht nennen darf. „Aber die Ansprüche der Erben
sind damit abgegolten“, sagt er.
Der Fall ist also geklärt und Hamburg seit drei Jahren – 74 Jahre nach der
Enteignung – legale Eigentümerin des Budge-Palais. Ein prägnantes Beispiel
dafür, dass es trotz Provenienzforschung oft nicht ohne Anwälte und
öffentlichen Druck geht. Wobei besonders irritiert, dass es sich hier nicht
um verdruckste private Kriegsgewinnler handelt, sondern um die öffentliche
Hand.
19 Mar 2014
## AUTOREN
Petra Schellen
## TAGS
Entschädigung
Enteignung
Restitution
Provenienzforschung
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