# taz.de -- IPCC-Klimareport vorgestellt: Schlimmer als vorhergesagt | |
> Die Zusammenfassung des UN-Berichts zum Klimawandel ist in seiner letzten | |
> Fassung abgeschwächt. Anlass zur Sorge enthält er jedoch genug. | |
Bild: Abgebrochen: Gletschereis schwimmt vor Patagonien | |
BERLIN taz | Dem Abschlussbericht zum Klimawandel haben die beteiligten | |
Regierungen einige Zähne gezogen: Viele Formulierungen sind deutlich | |
abgeschwächt oder es wird auf den 2000seitigen Hauptbericht verwiesen. So | |
fällt unter den Tisch, dass viele Staaten mit ihren Anpassungsmaßnahmen | |
weit hinter den Zielen zurückbleiben; harte Zahlen zu Opfern („hunderte von | |
Millionen Menschen an den Küsten bedroht“) sind verschwunden. | |
Laute Warnungen zu Ernteausfällen wurden relativiert, die mit Zahlen | |
belegte Kritik an der Unterfinanzierung der Anpassung taucht nicht mehr auf | |
und ein Absatz zum klimapolitischen Irrsinn der Biotreibstoffe ist ganz | |
verschwunden. | |
Und doch, die Wissenschaftler nahmen kein Blatt vor den Mund: „Wir sind | |
alle leichte Beute“, warnte am Montag der US-Geowissenschaftler Michael | |
Oppenheimer, einer der Leitautoren des IPCC-Berichts. „In vielen Fällen | |
sind wir auf die Risiken des Klimawandels nicht vorbereitet“, pflichtete | |
ihm Vicente Barros bei, der argentinische Meteorologe und Chef der | |
Arbeitsgruppe „Anpassung“. Und Saleemul Huq, Wissenschaftler aus Bangladesh | |
und IPCC-Autor zog ein bitteres Fazit: „Die Dinge stehen schlechter, als | |
wir sie 2007 vorhergesagt haben.“ | |
Das lässt sich aus der knapp 50 Seiten starken „Zusammenfassung für | |
Entscheidungsfinder“ herauslesen, die die Arbeitsgruppe II des IPCC am | |
Montag im japanischen Yokohama präsentierte. Nach vier Jahren Vorarbeit | |
durch über 300 Leitautoren aus 70 Ländern wurde der Bericht in einer Woche | |
zähen Ringens mit Regierungsvertretern aus den UN-Staaten abgestimmt. | |
Herausgekommen ist ein Bericht, der in vielen Bereichen deutlich zahmer | |
ausfällt als der Entwurf der Wissenschaftler. Der aber trotzdem noch genug | |
Anlass zum Gruseln gibt. | |
## Sorgenvoller Blick in die Zukunft | |
So stellen die Forscher und Regierungen nicht nur fest, welche gravierenden | |
Auswirkungen der Klimawandel bereits heute hat, wo die Temperatur seit dem | |
19.Jahrhundert im Schnitt erst um knapp ein Grad gestiegen ist. Die Autoren | |
blicken mit großer Sorge in die Zukunft: Sie sehen Risiken für das Leben | |
und die Gesundheit der Menschen durch Überflutungen, steigenden | |
Meeresspiegel in Megastädten an den Küsten, Hitzetote, „systemische | |
Risiken“ durch den Ausfall der Wasser- oder Stromversorgung oder den | |
„Zusammenbruch von Ernährungssystemen“ etwa durch Dürre oder | |
Überschwemmungen. | |
„Hoch bis sehr hoch“ sind demnach auch die Gefahren für ein großes | |
Artensterben oder für unkontrollierbare Entwicklungen wie das Auftauen der | |
Permafrostböden, wenn bis 2100 die Temperatur um vier Grad Celsius anstiege | |
– ein Horrorszenario, auf das die momentanen Emissionstrends aber | |
zusteuern. | |
Im Vergleich zur letzten Ausgabe des Klimareports von 2007 ist die jetzt | |
vorgestellte Studie wesentlich besser mit Daten unterlegt, die Zahl der | |
einschlägigen Studien habe sich verdoppelt, heißt es. Zum ersten Mal haben | |
die Forscher auch andere Faktoren als die Naturwissenschaften von Beginn an | |
berücksichtigt. So warnen sie nun auch vor steigenden Preisen für | |
Nahrungsmittel, sie weisen auf die Wechselwirkung von Klimawandel, | |
Konflikten und Migration hin und warnen, gefährdet seien besonders arme und | |
marginalisierte Personengruppen, die auch „auf der Basis von Geschlecht, | |
Klasse, Ethnie, Alter oder Behinderung“ diskriminiert würden. | |
„Es spielen eben auch andere Faktoren eine Rolle“, sagt Hans Peter Schmidt, | |
IPCC-Autor und Klimaforscher vom „Karlsruher Institut für Technologie | |
(KIT), „Wenn wir die Armut in den Entwicklungsländern nicht in den Griff | |
bekommen, lösen wir das Klimaproblem nicht“. | |
Gegen die Apokalypse stellen die Forscher mögliche Anpassungsmaßnahmen: | |
Höhere Deiche, eine angepasste Landwirtschaft, effiziente Energieerzeugung. | |
Anders als noch beim letzten Bericht 2007 werde das auch umgesetzt, loben | |
die Autoren: Technische Lösungen „werden allgemein angewandt“, Firmen und | |
Kommunen sammelten eifrig Erfahrung. Allerdings kritisierte Chris Field, | |
einer der Hauptautoren des Berichts, würden diese Maßnahmen oft mit dem | |
Blick auf die Probleme der Vergangenheit beschlossen, nicht für die | |
Aufgaben der Zukunft. | |
31 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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