# taz.de -- Nachruf Godfather of House: Die Rache von Disco | |
> Er war an der Geburt von DJ-Kultur, wie wir sie heute kennen, beteiligt. | |
> Der Chicagoer DJ und House-Originator Frankie Knuckles ist im Alter von | |
> 59 Jahren gestorben. | |
Bild: Frankie Knuckles produzierte wegweisende Tracks wie „Your Love“ oder … | |
„Keep on Dancing“, antwortete der DJ Frankie Knuckles einmal auf die Frage, | |
wie Leute seiner Vorstellung von House idealerweise entsprechen. Die Losung | |
ist simpel, aber sie besagt das Grundlegende: weitermachen. | |
Knuckles, in der New Yorker Bronx gebürtig, war an der Geburt von | |
Dancefloor-Musik und DJ-Kultur, wie wir sie heute kennen, beteiligt. | |
Bereits in den frühen siebziger Jahren legte er an der Seite von Larry | |
Levan in New York Platten auf. Zu einer Zeit also, in der weder | |
Plattenspieler mit Direktantrieb und Pitchregler auf dem Markt waren noch | |
12-Zoll-Maxisingles mit Langversionen und verschiedenen Song-Abmischungen | |
sowie instrumentalen Passagen, die sich zum Überblenden eignen. | |
Gern erzählte Knuckles, wie er mit zwei Exemplaren derselben Single hin- | |
und herruderte und zusätzlich ein Tonbandgerät benutzte, mit dem er | |
Passagen aus Disco- und Popsongs zusammengeschnitten hatte, um einen | |
Endlosgroove zu entwickeln. Diese Technik mag prähistorisch anmuten. | |
Nichtsdestotrotz war New York damals Hauptstadt des Hedonismus. | |
Auf Privatpartys in einem Loft namens „The Gallery“ und in vornehmlich von | |
schwulen Männern besuchten Clubs wie dem Continental Baths, einer Sauna, | |
begründete Knuckles seinen Ruf als kopfstarker und seelenvoller DJ. Es ging | |
auch darum, die Tanzenden auf eine Reise mitzunehmen, die Freitagnacht | |
begann und am Sonntagnachmittag zu Ende war. | |
## Up and away & Down to earth | |
Knuckles habe, schreibt Simon Reynolds in „Energy Flash“ seiner Geschichte | |
von Rave und Dancefloor-Kultur, im „The Gallery“ auch einen mit | |
LSD-versetzen Fruchtpunch entwickelt. Andererseits blieb er auf seltsame | |
Weise immer down to earth. „Ich wurde kein DJ, um reich und berühmt zu | |
werden, ich sah diese Tätigkeit einfach als Beruf an.“ | |
Sein Weggang aus New York 1977 half ihm, seinen musikalischen Ansatz zu | |
radikalisieren. Knuckles’ DJ-Engagement zur Eröffnung des Chicagoer Clubs | |
The Warehouse war ein voller Erfolg, und so blieb er gleich in der Stadt | |
und legte bis 1983 wöchentlich auf. Während sich die Stimmung im Rest des | |
Landes gegen den damals als exzessiv verschrienen Discosound und den Kult | |
um Promi-Clubs wie dem New Yorker Studio 54 wendete, nahm Disco in Chicago | |
Rache für die kulturelle Geringschätzung. | |
House, so genannt nach dem Sound, der im Warehouse aufgelegt wurde, war der | |
Motor dieser Erneuerung. „Seine kulturelle Dissidenz lag in der Umarmung | |
eines Musikstils, der vom Mainstream für tot erklärt worden war“, wie es | |
Reynolds formulierte. House war auch das Sinnbild einer Wirtschaftskrise, | |
in der sich die USA Ende der Siebziger befanden. | |
## In den Trümmern von Soul | |
Das Warehouse lag in einem heruntergekommenen Teil der Prachtstraße | |
Michigan Avenue. Wo einst die Büros und Aufnahmestudios von | |
Soulplattenfirmen lagen, wurde nun noch zu den alten Platten getanzt. „Es | |
war ein Gottesdienst für Heiden“, beschrieb Knuckles die Atmosphäre. „Die | |
Gäste schrien und brachten damit Angst und Freude zum Ausdruck.“ Was heute | |
als eigenständiges Pop-Genre gilt, wurde aus der Not geboren von | |
Stammgästen des Warehouse, die länger tanzen wollten, zu härterem Sound. | |
Sie führten Disco mit Elektronikpop und Postpunk zusammen und schufen eine | |
schlagzeuggetriebene und DJ-gerechte Tanzmusik, die mit Synthesizer und | |
Drum Machine per Homerecording entstand. | |
Frankie Knuckles produzierte auf diese Weise wegweisende Tracks wie „Your | |
Love“ oder „The Whistle Song“. In den Neunzigern, als die große Zeit der | |
Raves begann, repräsentierte Knuckles als DJ House in Europa. Damals war | |
auch der Mainstream offen, Knuckles machte etwa Remixe für die Pet Shop | |
Boys und Michael Jackson. | |
Die künstlerische Anerkennung seiner Großtaten war spärlich. Auch wenn in | |
seiner Wahlheimat 2004 ein Abschnitt der nahe dem Warehouse gelegenen | |
Jefferson Street in Frankie Knuckles Way umbenannt wurde, monierte der | |
Geehrte den schwachen Status von House in den USA. Am Montag ist Frankie | |
Knuckles 59-jährig an den Folgen seiner Diabetes-Erkrankung gestorben. Keep | |
on Dancing. | |
1 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Julian Weber | |
## TAGS | |
House | |
Chicago | |
DJ | |
House | |
House | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
House-Produzent Kassem Mosse: Spediteur großer Gefühle | |
Niemand klingt hierzulande so visionär wie der Leipziger | |
Elektronik-Produzent Kassem Mosse. Im Ausland schlägt sein Sound seit | |
längerem Funken. | |
Funkensprühende Elektronikalben: Lass uns Freunde bleiben | |
Stellar OM Source mit „Joy One Mile“ und Dean Blunt mit „The Redeemer“ | |
erzeugen auf ihren neuen Alben mit dem Thema Zweisamkeit enorme Reibung. |