# taz.de -- Unfälle mit Reh, Hirsch, Wildschwein: Wenn es zu wild wird | |
> Schuld an der Zunahme der Wildunfälle ist auch der Mensch: mehr Verkehr, | |
> mehr Straßen, mehr Nahrung für die Tiere durch Anbau von Mais und Raps. | |
Bild: Lebt gefährlich: Wildschwein vor Straße. | |
BERLIN taz | Wer morgens mit dem Auto auf der Landstraße durch den Wald zur | |
Arbeit rast, lebt riskant – vor allem im Frühjahr nach der Zeitumstellung. | |
Denn in der morgendlichen Dämmerung sind die Wildtiere besonders aktiv. Zum | |
Beispiel müssen sich junge, geschlechtsreife Rehböcke neue Reviere suchen – | |
und laufen über die Straßen. Das kann gefährliche Zusammenstöße zur Folge | |
haben, wenn Autofahrer zu schnell unterwegs sind oder die Tiere in der | |
Dämmerung zu spät erkennen. Die Zahl der Wildunfälle ist im vergangenen | |
Jahr deutlich gestiegen – beim Damwild sogar um 13 Prozent. | |
Insgesamt kamen im Jagdjahr 2012/13 nach Angaben des Deutschen Jagdverbands | |
(DJV) mehr als 230.000 Stück Großwild bei Karambolagen mit Autos oder | |
Motorrädern ums Leben, vor allem Rehe. Verglichen mit dem | |
Gesamtdurchschnitt der fünf Vorjahre erhöhte sich die Zahl der getöteten | |
Rehe (198.400), Wildschweine (25.200), Damhirsche (4.400) und Rothirsche | |
(2.900) um insgesamt 1,6 Prozent, berichtet der Jagdverband in seiner | |
aktuellen Wildunfallstatistik. | |
Die Ursachen für die Zunahme der Wildunfälle sind vielfältig und vor allem | |
menschengemacht. Mehr Wild, mehr Straßen und mehr Verkehr führen zu | |
häufigeren Zusammenstößen zwischen Mensch und Wildtier – trotz einiger | |
neuer Wildbrücken über Autobahnen. | |
Dass sich Rehe und Wildschweine in Deutschland stark vermehren, liegt auch | |
an der Landwirtschaft. Durch den zunehmenden Anbau von Mais und Raps zur | |
Energiegewinnung finden die Tiere leicht Nahrung; Rehe beispielsweise | |
weiden im Winter permanent auf Rapsfeldern. Wenn dann – wie in diesem Jahr | |
– der Winter mild ist, überleben auch schwächere Tiere, die sich im | |
Folgejahr dann weiter fortpflanzen. | |
Dabei sei Raps nicht immer Rehfutter gewesen, sagt Torsten Reinwald vom | |
Jagdverband. „Früher war Raps bitter und schmeckte den Rehen nicht.“ Der | |
bittere Geschmack sei aber herausgezüchtet worden, damit die Reste, die | |
nach dem Auspressen der Rapskörner zur Pflanzenölgewinnung übrig bleiben, | |
als Tierfutter verwendet werden können. | |
## Wildbestand verdoppelt | |
Auffällig ist nach Ansicht Reinwalds auch die Häufung von Wildunfällen im | |
Umfeld großer Städte wie Berlin oder Hamburg. Einerseits liege das am hohen | |
Verkehrsaufkommen, andererseits aber auch an den vielen Erholungssuchenden | |
im Wald – etwa Wanderer, Gassigeher, Mountain-Biker, Reiter. „Wer | |
querfeldein geht, scheucht das Wild auf.“ Auf der Flucht kreuzen dann die | |
Tiere möglicherweise Straßen. | |
Warum aber werden nicht einfach mehr Tiere geschossen? Schließlich hat sich | |
der Wildbestand in den letzten 40 Jahren verdoppelt, was nicht nur | |
Autofahrern, sondern vor allem auch vielen Bauern und Förstern große | |
Probleme bereitet. „Auch Wildtiere haben ein Recht, in Deutschland zu | |
leben“, sagt Reinwald vom Jagdverband. „Der Mensch hat so drastisch in die | |
Natur eingegriffen; das kann man nicht einfach mit der Büchse korrigieren.“ | |
Wollte man das, müsse man Krieg gegen die Tiere führen, etwa indem man | |
vergiftete Köder auslege oder Fallen aufstelle. „Das würde unschöne Bilder | |
geben.“ | |
Und wie sollen sich Autofahrer konkret verhalten? Wichtigste Regel: nicht | |
zu schnell fahren. Und: Besondere Vorsicht ist an Wald-Feld-Kanten geboten. | |
Reinwald: „Dort fahren wir praktisch durch das Wohn- und Esszimmer der | |
Tiere.“ | |
2 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Richard Rother | |
## TAGS | |
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