# taz.de -- Nächtliches Public Viewing genehmigt: Juristisch geregelter Frohsi… | |
> Auch nach 22 Uhr darf zur Fußball-WM geschlandet werden, was das Zeug | |
> hält. Die bisherige Regelung ist ja auch ein Terrorinstrument freudloser | |
> Schrate. | |
Bild: Den Blockwarten dieser Republik würde man so eine kleine Fanmeile ja sch… | |
Da ist es also: Das Gesetz, das dem Deutschen erlaubt, mal richtig fröhlich | |
zu sein, sogar über die Stränge zu schlagen. Natürlich zur | |
Fußballweltmeisterschaft der Herren. | |
Vom 12. Juni bis zum 13. Juli darf der Geräuschpegel bei öffentlichen | |
Veranstaltungen in allgemeinen Wohngebieten auch nach 22 Uhr 40 dB (A) | |
überschreiten, wenn die Kommunen das erlauben. Die lästige Zeitverschiebung | |
nach Brasilien steht dem Public Viewing also nicht weiter im Wege. | |
Da können wir uns schon jetzt auf juristisch geregelten Frohsinn freuen. | |
Der sich beim Deutschen ja bevorzugt dergestalt ausdrückt, dass er | |
„Schland! Schland! Schland!“ grölt. Ein Sommermärchen eben. | |
Dabei ist es ja keineswegs so, dass eine Liberalisierung des Lärmschutzes | |
in Wohngebieten nicht dringend Not täte. Ist die entsprechende Regelung | |
doch seit jeher eine Art Terrorinstrument freudloser Schrate, mit deren | |
Hilfe sie ihre Blockwartleidenschaften legitimieren. Weil sie eh zu feige | |
sind, es mit den Betroffenen dann wenigstens selbst auszufechten, lassen | |
sie auch noch subalterne Dienstleister die Drecksarbeit machen – unzählige | |
gequälte Polizisten, die Stereoanlagen konfiszieren oder | |
Kulturveranstaltungen beenden müssen, können ein Lied davon singen (aber | |
bitte nicht zu laut!). | |
## Ausgeschlafen in die Werbeagentur | |
Kaum eine Kneipe, erst recht nicht mit ein paar Tischen vor der Tür, die | |
nicht geplagt wäre von Anwohnern, die es nicht schaffen, sich von den | |
Zechern unter ihren Fenstern entspannt in den Schlaf lallen zu lassen oder | |
sich einfach Ohropax in die Gehörgänge zu stopfen. Kein Kleinkunstverein, | |
kein Club, kein Off-Theater, bei dem zur Zugabe nicht irgendwann die | |
Polizei im Zuschauerraum steht. | |
Angestrengt von Leuten, die gerne genau wegen dieser Kleinkunstvereine, | |
Clubs und Off-Theater überhaupt erst hergezogen sind, weil das die Gegend | |
ja so wahnsinnig attraktiv macht. In ihre Wohnungen mit den Heizungen mit | |
den vollautomatischen Nachtabsenkungen mit den Partyknöpfen (falls doch mal | |
wer etwas länger bleibt). Leute, die selber natürlich total locker und gut | |
drauf sind, die aber verdammt noch mal am nächsten Tag wieder arbeiten | |
müssen, worauf die anderen gefälligst Rücksicht zu nehmen haben. | |
Damit sie am nächsten Morgen wieder ausgeruht ihren Tätigkeiten in | |
Werbeagenturen, Verlagen oder bei Finanzdienstleistern nachgehen können, | |
mit denen sie die Welt unweigerlich noch schlechter machen werden. Um dann | |
abends den Opfern ihres Tuns noch zu untersagen, sich unter freiem Himmel | |
wenigstens gepflegt zu betrinken. | |
„Lärm macht krank!“, quaken sie, bevor sie am nächsten Morgen in ihr SUV | |
steigen, um wieder zur Arbeit zu fahren. Oder zum Flughafen, um in den | |
Urlaub zu fliegen. In eines dieser südlichen Länder, wo die Menschen so | |
anders sind als daheim, so fröhlich, wo nachts getanzt und gefeiert wird. | |
Nicht so verklemmt wie zu Hause. Wo die Gegend ein paar Jahre, nachdem sie | |
da hingezogen sind, so öde ist, dass sie ja gleich auch aufs Land ziehen | |
könnten. Was sie dann auch tun. | |
Diesen Leuten würde man im Grunde so eine kleine Fanmeile ja schon ganz | |
gerne mal vier Wochen lang direkt vor die Haustür wünschen. Aber, ach, | |
nicht einmal das hätte Sinn – denn am Ende sind es ja genau sie, die dort | |
überhaupt hingehen: Mit ihrem ganzen unverkrampften Partypatriotismus. | |
Mario Balotelli, bitte steh uns bei! | |
3 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Heiko Werning | |
## TAGS | |
Fanmeile | |
Public Viewing | |
Brasilien | |
Fußball-WM | |
Fußballweltmeisterschaft | |
Brasilien | |
FC Barcelona | |
Militär | |
Fußball | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Brasilien vor Fußball-WM 2014: Armee schickt Soldaten in Favelas | |
2.700 Militärs sollen ein Armenviertel in Rio de Janeiro absichern. Der | |
Stadtteil gilt als Hochburg des Drogen- und Waffenhandels. Die Soldaten | |
sollen bis Ende Juli bleiben. | |
Kinderhandel im Profifußball: Moralklub drakonisch bestraft | |
Keine neuen Spieler bis zum Sommer 2015: Die Fifa verhängt ein | |
Transferverbot über zwei Wechselperioden für Barca wegen der Verpflichtung | |
von Kindern. | |
Brasilien vor der Fussball-WM: Mit dem Panzer ins Wohnzimmer | |
Am Sonntag sind mehr als 1.400 Polizisten in ein Elendsviertel in Rio de | |
Janeiro eingrückt. Das „Befriedungsprogramm“ soll die Fussball-WM | |
absichern. | |
Amnesty-Bericht zu WM in Katar: „Nepalesen wie Vieh behandelt“ | |
Zwölf-Stunden-Schichten, kein Lohn, Pässe weg. Amnesty International hat | |
einen Bericht zu den Arbeitsumständen auf Katars WM-Baustellen | |
veröffentlicht. |