# taz.de -- Ausländerrecht: Kein Paradigmenwechsel für Suada D. | |
> Wegen ihrer Verwurzelung vor Ort hat das Verwaltungsgericht der Romni | |
> Suada D. ein Bleiberecht zugesprochen. Der Landkreis Wittmund legt | |
> Berufung ein. | |
Bild: Wollte doch eigentlich in der Flüchtlingspolitik vieles anders machen: N… | |
HANNOVER taz | Für das Verwaltungsgericht Oldenburg ist der Fall Suada D. | |
klar. 1991 kam die Romni im Vorschulalter aus Serbien nach Deutschland. | |
Weil die Mutter von vier Kindern nach 23 Jahren als Geduldete in | |
Deutschland faktisch „Inländerin“ sei, stehe ihr eine | |
Aufenthaltsgenehmigung aus humanitären Gründen zu, urteilte das | |
Verwaltungsgericht schon im Mai 2013. Ein Bleiberecht aber hat D. auch | |
heute, fast ein Jahr danach, noch nicht. | |
Die Ausländerbehörde des Landkreises Wittmund pocht auf die Abschiebung von | |
Suada D. nach Serbien und hat gegen das Urteil Berufung beim | |
Oberverwaltungsgericht Lüneburg eingelegt – mit dem Segen des | |
niedersächsischen Innenministeriums. Dort war Innenminister Boris Pistorius | |
(SPD) nur Wochen vor dem Urteil angetreten, um nach der Ära seines | |
umstrittenen Amtsvorgängers Uwe Schünemann (CDU) einen Paradigmenwechsel in | |
der Flüchtlingspolitik durchzusetzen. | |
Gerade lässt Pistorius einen Erlass erarbeiten, nach dem das humanitäre | |
Aufenthaltsrecht, das Paragraph 25 des Aufenthaltsgesetzes regelt, | |
„großzügig im Sinne der Betroffenen anzuwenden“ ist. Der Erlass solle zud… | |
sicherstellen, dass Ausländer „wegen ihrer Verwurzelung in Deutschland“ ein | |
Bleiberecht erhalten können, wie es auch die Rechtsprechung des | |
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorsehe, erklärt ein | |
Ministeriumssprecher. | |
Ganz ähnlich argumentierte das Verwaltungsgericht Oldenburg schon im Mai | |
2013 im Fall Suada D. Wegen ihrer „Verwurzelung in die hiesigen | |
Verhältnisse“ müsse der Landkreis Wittmund der 29-Jährigen ein humanitäres | |
Bleiberecht erteilen, heißt es im Urteil. D. könne sich problemlos auf | |
Deutsch verständigen. In der Gemeinde Friedeburg in Ostfriesland, wo sie | |
mit dreien ihrer vier minderjährigen Kinder lebt, sei sie „in das soziale | |
und gesellschaftliche Leben gut integriert“, führte das Gericht aus. Und | |
verwies auf den „Schutz des Privatlebens“, der in der Europäischen | |
Menschenrechtskonvention verankert ist. | |
Eine Abschiebung nach Serbien droht Suada D. dennoch nach wie vor. Denn | |
unmittelbar nach dem Gerichtsentscheid hat der Landkreis Wittmund beim | |
Oberverwaltungsgericht Lüneburg Rechtsmittel gegen das Oldenburger Urteil | |
eingelegt – auf Rat des Innenministeriums hin. Das Urteil in erster Instanz | |
stehe im Gegensatz zur ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts | |
in ähnlichen Fällen, teilte das Ministerium damals dem Landkreis mit. | |
Eine Einschätzung, die nicht nur bei Suada D.s Anwalt Jan Sürig für | |
Kopfschütteln sorgt. Auch beim niedersächsischen Flüchtlingsrat spricht man | |
von einer „bedauerlichen Entscheidung“. Mit Blick auf den jetzt | |
angekündigten Ministeriumserlass zum humanitären Aufenthaltsrecht sei man | |
aber „guten Mutes, dass sie korrigiert wird“. Anwalt Sürig dagegen äußert | |
sich skeptischer: Er befürchte, D. könne zum „Versuchskaninchen“ werden, … | |
gerichtlich prüfen zu lassen, wie eng der angekündigte Erlass gefasst | |
werden könne. | |
Denn auch aktuell erklärt das Innenministerium auf Nachfrage, man begrüße | |
eine Klärung in letzter Instanz. „Im Interesse einer Gleichbehandlung aller | |
ausreisepflichtigen ausländischen Staatsangehörigen bei vergleichbaren | |
Sachverhalten“, wie ein Sprecher sagt. Hinter vorgehaltener Hand heißt es | |
unterdessen aus dem Ministerium, ein Zurückrudern im Fall Suada D. sei | |
schlicht zu peinlich. | |
Entsprechend hat der Landkreis Wittmund seinen Berufungsantrag, der derzeit | |
noch beim Oberverwaltungsgericht anhängig ist, bislang nicht zurückgezogen. | |
In anderer Angelegenheit zeigte man sich dagegen einsichtiger. Suada D.s | |
Antrag, ihre schwer kranke Mutter während der Osterferien in Oberhausen zu | |
besuchen, hatte die Wittmunder Ausländerbehörde zunächst abgelehnt. Nachdem | |
D.s Anwalt Sürig Eilantrag beim Verwaltungsgericht stellte, lenkte die | |
Behörde zumindest teilweise ein. Und erlaubte D. zeitweise nach Oberhausen | |
zu reisen, wo außer ihrer Mutter eine ihrer Töchter lebt. | |
3 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Teresa Havlicek | |
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