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# taz.de -- Kommentar Bleiberecht: Die falsche Scham
> Ein Ministerium funktioniert nur dank Loyalität: Wenn xenophobe
> SachbearbeiterInnen seinen politischen Kurs torpedieren, muss der
> Minister dagegen vorgehen.
Bild: Wollte doch eigentlich in der Flüchtlingspolitik vieles anders machen: N…
Manchmal macht Politik, macht Verwaltungshandeln einfach nur ratlos. Das
Verhalten vom niedersächsischen Innenministerium und dem Landkreis im Fall
der Romni Suada D., die seit 23 Jahren in Wittmund lebt, gehört sicher
dazu. Denn selbst wenn sie keinen rechtlich verbrieften Anspruch hätte, in
Deutschland zu bleiben, wäre die geplante Abschiebung der dreifachen Mutter
nach Serbien, das sie vor ihrer Einschulung verlassen hat, ein klassischer
Fall für einen Gnadenakt gewesen.
Suada D. hat aber einen solchen Anspruch. Das hat, mit Blick auf die
europäische Rechtsprechung, das Oldenburger Verwaltungsgericht erkannt:
Ihre Ausschaffung wäre unverhältnismäßig. Das Innenministerium mag nicht
mitziehen. Obwohl es gerade einen Erlass vorbereitet, nachdem das hier
berührte Aufenthaltsgesetz von den in seinem Auftrag handelnden
Kommunalbehörden ganz grundsätzlich „großzügig im Sinne der Betroffenen
anzuwenden“ ist. Die Behörde, die Boris Pistorius (SPD) seit seinem
Amtsantritt eigentlich glaubwürdig versucht, auf diesen humaneren Kurs zu
bringen, berät in D.s Fall den Landkreis Wittmund, diesen Kurs so lange es
geht zu vermeiden und bis zur letzten Instanz hart zu bleiben – das ist
absurd, aber leider nicht komisch.
Auch, weil es ein deutlicher Hinweis auf ein Loyalitätsproblem im
niedersächsischen Innenministerium ist. Denn, dass aus dessen Innerem die
Linie der politischen Führung torpediert wird, ist keine Petitesse. Ein
Ministerium funktioniert nur aufgrund wechselseitiger Loyalität zwischen
dem Dienstherren auf der einen, Beamten und Angestellten auf der anderen
Seite. Dass darunter auch xenophobe SachbearbeiterInnen sind, lässt sich
nicht ausschließen. Eine Umerziehung noch von Vorgänger Uwe Schünemann
(CDU) geprägten und vereidigten Personals kann es nicht geben. Dass die
aber ihre geborgte Macht nutzen, um ihren Rassismus auszuleben, muss der
Minister verhindern. Und schon gar nicht darf er es aus falscher Scham,
weil es zu peinlich wäre, decken: Dass Pistorius’ Haus immer noch darauf
drängt, das Abschiebungsverfahren der jungen Mutter weiter zu betreiben,
wirkt, als fühle sich der Dienstherr einem Untergebenen verpflichtet, der
ihn kompromittiert hat.
Das ist nicht schlau. Denn damit macht sich Pistorius zum Unterstützer
eines Affronts gegen die von ihm gesetzte politische Linie. Und so
provoziert er regelrecht die rechten Blindgänger, die noch in den
Amtsstuben schlummern, hochzugehen. Zum Schaden von Minister – und
Menschenrechten.
3 Apr 2014
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
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Ausländerrecht: Kein Paradigmenwechsel für Suada D.
Wegen ihrer Verwurzelung vor Ort hat das Verwaltungsgericht der Romni Suada
D. ein Bleiberecht zugesprochen. Der Landkreis Wittmund legt Berufung ein.
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