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# taz.de -- taz.lab zur Krise von „La Libération“: Der private Investor is…
> Die Zeitung La Libération steht kurz vor dem Konkurs. Ihre Krise spiegelt
> die Malaise der Linken in Frankreich wider, wurde auf dem taz.lab klar.
Bild: Er war zu Beginn mit an Bord der „La Libération“: Jean-Paul Sartre
BERLIN taz | In den 1970er Jahren war die französische Tageszeitung La
Libération das große Vorbild der taz. 170.000 Exemplare verkaufte das Blatt
zu seiner Blütezeit. Heute blickt die Redaktion in Paris verzweifelt nach
Berlin. La Libération steckt in der Krise. Der Hauptinvestor will die linke
Zeitung nach seinen Vorstellungen umgestalten - in eine Multimediaholding
mit eigenem sozialen Netzwerk. Erhalten bleiben soll in erster Linie die
Marke. Die Redaktion fürchtet, dass in diesem Konzept kein Platz mehr für
linken Qualitätsjournalismus bleibt.
Gegründet im April 1973 ist La Libération vier Jahre älter als die taz.
taz-Mitbegründer Thomas Hartmann - damals Jura-Referendar- fuhr deshalb
1977 nach Frankreich. „Ich suchte mir eine Stelle bei einem linken Anwalt
in Berlin“, berichtet er. „Das eigentliche Ziel war aber, zur Libération zu
gehen, um zu schauen, wie man eine Tageszeitung macht.“ Gemeinsam mit der
italienischen Il Manifesto war sie damals die einzige Zeitung, die als
Vorbild für eine linke Tageszeitung dienen konnte.
Dennoch habe es von Anfang an Unterschiede zwischen der taz und La
Libération gegeben: Jean-Paul Sarte war Mitbegründer. „So einen großen
Namen hatten wir damals nicht“, sagt Hartmann. Außerdem sei es La
Libération von Anfang an gelungen, sich einen festen Platz in der
politischen Elite zu erarbeiten. Die taz sei stattdessen von Anfang an ein
alternatives Projekt gewesen. Der Zugang zur politischen Elite war nicht
das Ziel.
Die Folge: „Die Entwicklung der beiden Zeitungen ist auseinander
gedriftet“. Während die Libération - wie in Frankreich bei vielen Zeitungen
üblich - in erster Linie nach privaten Investoren suchte, um ihr Projekt zu
finanzieren, gründete die taz in den 1980er Jahren eine Genossenschaft und
gehört seither ihren LeserInnen. „Diese Entscheidung ist heute
wahrscheinlich das größte Problem“, so Hartmann.
Das bestätigen auch Florent Latrive, Chef-Redakteur von Libération Online
und der Journalist Lilian Alemagna: Das Blatt steht kurz vor dem Konkurs.
Die Konkurrenz durch Gratiszeitungen sei in Frankreich extrem groß, wie
taz-Frankreich-Korrespondent Rudolf Balmer erklärt. Gleichzeitig seien auch
die Kioskverkäufe stark zurück gegangen.
## Forderung nach neuer Online-Strategie
„Über die taz wird bei uns sehr viel gesprochen“, berichtet Online-Chef
Latrive. Früher habe man über den „deutschen Cousin" bisweilen gelacht,
weil die taz ein eigenes Café in Berlin betreibe und als Genossenschaft
organisiert sei. Heute aber denke man selbst über solche Initiativen nach,
um die Zeitung wieder auf ein stabiles finanzielles Fundament zu stellen.
Andere Stimmen in der Redaktion fordern jedoch, eine neue Online-Strategie
mit Inhalten, die nur gegen Bezahlung zu lesen sind. Die grundlegende Frage
sei jedoch: „Wie können wir die journalistische Qualität erhalten?“
Die Krise der Libération stehe auch in direktem Zusammenhang mit der Krise
der Linken in Frankreich. Staatspräsident Francois Hollande und seine
Sozialistische Partei kämpfen mit der europäischen Sparpolitik und den
hohen Arbeitslosenzahlen, so Latrive. „Über all diese Dinge müssen wir auch
nachdenken und häufig ist unklar, wie wir Stellung beziehen“, gibt er
unumwunden zu. Die Kritik der LeserInnen sei groß. „Den einen sind wir zu
rechts, den anderen zu links. Wir würden uns den politischen
Notwendigkeiten verschließen, werfen sie uns vor.“
„Wir wollen das Projekt unseres Investors nicht“, sagt Redakteur Lilian
Alemagna. Zum einen sei nicht klar, ob er die versprochenen 14 Millionen
Euro, die er investieren will, überhaupt aufbringen könne. Aber viel
entscheidender sei: „Dieses Projekt entspricht nicht unseren Werten.“
Deshalb sei für viele Redakteure die Pleite des Blattes die bessere
Alternative - die Chance für einen Neuanfang. „Aber dann würden von den 250
Kollegen 100 sofort arbeitslos.“
##
Staatliche Hilfe ist nicht zu erwarten. Printmedien werden in Frankreich
ohnehin schon stark subventioniert. „Man kann nicht erwarten, dass der
Staat mehr Geld gibt“, sagt taz-Korrespondetn Balmer. „Die Schmerzgrenze
ist erreicht.“ Darüber hinaus sei denkbar, dass die Sparpolitik der linken
Regierung zu weiteren Abstrichen bei den öffentlichen Ausgaben führen.
Traditionell sei die französischen Presse extrem abhängig, führt er aus.
Zum einen von der staatlichen Subventionspolitik, zum anderen von großen
Konzernen - darunter auch Rüstungskonzerne - die Anteile an den
französischen Medien besitzen und so ihr Unternehmensimage über die Presse
pflegen wollen. „Das ist ein historisches Problem", so Balmer. „Es fehlt an
privatem Kapital.“
Online-Chef Latrive will aber auch positive Schlüsse aus der Krise ziehen:
„Wir haben gemerkt, dass wir nicht genug auf die Leserschaft acht gegeben
haben“, sagt er. „Das merken wir jetzt. Wir müssen mehr an den Leser
denken.“
12 Apr 2014
## AUTOREN
Marlene Halser
## TAGS
Schwerpunkt Frankreich
Medien
Zeitungssterben
Libération
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Europa
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