# taz.de -- Scheiternde Nahost-Friedensgespräche: Regierungskrise in Jerusalem | |
> Die Stagnation bei den Friedensgesprächen bringt Netanjahu unter Druck. | |
> Da friert Israel erstmal die Zolleinnahmen der Palästinenser ein. | |
Bild: Aufgebrachte Palästinenser fordern die zugesicherte Freilassung von 26 p… | |
JERUSALEM taz | Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu gerät bei den | |
Versuchen, die Friedensgespräche zu retten, zwischen die Fronten. Eine | |
Fortsetzung der Verhandlungen würde ihn dazu verpflichten, die 26 | |
palästinensischen Häftlinge zu entlassen, die schon Ende März auf freien | |
Fuß kommen sollten. | |
Doch Wirtschaftsminister Naftali Bennett, Chef der national-religiösen | |
Partei Das jüdische Haus, kündigte seinen Rückzug aus der Koalition an, | |
sollten vier israelische Araber, die Teil der Gruppe sind, entlassen | |
werden. Eine Umstrukturierung der Koalition wiederum lehnt Außenminister | |
Avigdor Lieberman ab, der stattdessen Neuwahlen vorantreiben will. | |
Die Entlassung von „Mördern mit israelischer Staatsbürgerschaft“, so | |
kritisierte Bennett, würde die „Souveränität Israels“ untergraben. | |
Stattdessen schlug der national-religiöse Politiker vor, die sogenannten | |
Siedlungsblöcke im besetzten Westjordanland zu annektieren, was dem noch | |
andauernden Friedensprozess den endgültigen Todesstoß versetzen dürfte. | |
Grundsätzlich ist eine Amnestie für arabisch-israelische Häftlinge kein | |
Hindernis. Zu dem Gefangenaustausch mit der Hamas, als vor drei Jahren über | |
eintausend Palästinenser im Gegenzug für den entführten Soldaten Gilad | |
Schalit auf freien Fuß kamen, gehörten israelische Staatsbürger. | |
## Ziel ist, einen Mitschuldigen zu definieren | |
Netanjahu scheint vorerst weiter an Verhandlungen interessiert zu sein. | |
Zwar versetzte die israelische Regierung den Palästinensern einen neuen | |
Schlag, als sie entschied, die Zolleinnahmen einzufrieren. Dieser Schritt | |
könnte indes das Ziel haben, das Verhandlungsteam der Palästinensischen | |
Befreiungsorganisation (PLO) weiter bei der Stange zu halten. Bei einem | |
Scheitern der Gespräche zum jetzigen Zeitpunkt würde Israel als Sündenbock | |
dastehen, der die im Vorfeld getroffenen Vereinbarungen als Erster nicht | |
einhielt. | |
Die Stimmung in den USA wie auch in Europa wendet sich zu Ungunsten der | |
Regierung Netanjahus. Der fortgesetzte und jüngst noch intensivierte | |
Siedlungsbau stimmt die westlichen Staaten missmutig. Nur für die Zeit der | |
Verhandlungen setzte die EU die seit Jahren diskutierte | |
Kennzeichnungspflicht für Produkte aus Siedlungen aus, die dem | |
Endverbraucher einen Boykott ermöglicht. Israels Ziel bei weiteren | |
Verhandlungen ist auch, am Ende die Palästinenser als zumindest mitschuldig | |
an einem Scheitern zu entlarven. | |
Das Einfrieren der Zollgelder, die umgerechnet knapp 45 Millionen Euro | |
ausmachen, trifft die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) schwer. | |
Verhandlungschef Saeb Erekat zeigte sich erbost über den „Diebstahl“ und | |
die „Piraterie“. Israel hatte sich im Rahmen der Osloer Prinzipienerklärung | |
zur regelmäßigen Überweisung der Zolleinnahmen verpflichtet, mit denen nun | |
offene Rechnungen der PA beim israelischen Elektrizitätswerk beglichen | |
werden sollten. Das Zurückhalten der palästinensischen Gelder ist eine | |
Strafmaßnahme Israels in Reaktion auf die Anträge, mit denen die | |
Palästinenser bei der UNO beantragten, in 15 internationale Verträge | |
aufgenommen zu werden, darunter die 4. Genfer Konvention. Israel | |
verurteilte diese Maßnahme als einseitig. | |
Dreimal innerhalb von nur fünf Tagen traf Justizministerin Zipi Livni, die | |
die Verhandlungen im Auftrag der israelischen Regierung führt, vergangene | |
Woche mit dem palästinensischen Delegationschef Saeb Erekat und dem | |
US-Sondergesandten für die Friedensverhandlungen, Martin Indyk, zusammen. | |
Laut US-Außenamtssprecherin Jen Psaki sind kleine Fortschritte gemacht | |
worden. Außenminister John Kerry hatte eine Fortsetzung von neun bis zwölf | |
Monaten über den Stichtag 29. April hinaus vorgeschlagen. | |
14 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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