# taz.de -- Formel-1-Boss Ecclestone vor Gericht: Der letzte Autokrat | |
> Es ist nicht das erste Mal, dass Bernie Ecclestone im Verdacht steht, | |
> gegen Gesetze verstoßen zu haben. Nun steht er wegen Bestechung vor | |
> Gericht. | |
Bild: Inszenierung in den Alpen: Bernie Ecclestone. | |
Mit Bernard „Bernie“ Ecclestone steht ab Donnerstag eine der schillerndsten | |
Figuren des internationalen Sports in München vor Gericht. Der | |
Formel-1-Chef soll einem damaligen Vorstand der BayernLB etwa 44 Millionen | |
Dollar an Schmiergeld gezahlt haben, damit der die Formel-1-Anteile der | |
Bank an einen Käufer weitergab, der Ecclestone genehm war. Ihm werden | |
deshalb Bestechung und Anstiftung zur Untreue jeweils in einem besonders | |
schweren Fall vorgeworfen. Sollte der 83-Jährige verurteilt werden, drohen | |
ihm bis zu zehn Jahren Haft. | |
Es ist nicht das erste Mal, das Vorwürfe dieser Art aufkommen. Ecclestone | |
wird schon lange nachgesagt, dass er die Formel 1 nach seinem Gutdünken | |
steuere – auch über Gesetze hinweg. Bis vor Kurzem focht ihn das nicht an. | |
Doch jetzt könnte es ernst werden für den Mann, dem sein Biograf Tom Bower | |
zuschreibt, er könne keine andere Beziehung ertragen als die zwischen Herr | |
und Knecht. | |
Ex-BayernLB-Manager Gerhard Gribkowsky wurde bereits 2012 zu achteinhalb | |
Jahren Haft verurteilt, weil er das Geld angenommen und nicht versteuert | |
hatte. Im Prozess sagte er aus, dass der Formel-1-Chef ihn bestochen habe. | |
Dem schloss sich der Richter in seinem Urteilsspruch an und erklärte, | |
Ecclestone habe Gribkowsky „ins Verbrechen geführt“. | |
In einem Prozess in Großbritannien wurde diese Einschätzung Anfang des | |
Jahres bestätigt. Zwar wies das Gericht die Schadenersatzklage des Münchner | |
Medienkonzerns Constantin ab, der sich durch den Deal benachteiligt gefühlt | |
hatte. Dennoch beschied der Richter: „Die Zahlungen waren Bestechung.“ | |
Sollte das Münchner Gericht das bestätigen, könnt eine beispiellose Episode | |
der Sportgeschichte ihr Ende nehmen. | |
Vor über 40 Jahren hat der 1,58 Meter kleine Ecclestone die Kontrolle über | |
die Formel 1 übernommen und seitdem ein Vermögen von mindestens vier | |
Milliarden Dollar angehäuft. Die Forbes-Liste der reichsten Menschen listet | |
ihn auf Platz 364. Glaubt man Bower, der für seine Biografie nicht nur | |
Ecclestone monatelang begleitet, sondern auch mit vielen anderen | |
Formel-1-Größen geredet hat, ist es eine Mischung aus Chuzpe und | |
Allmachtsanspruch, die Ecclestone so weit gebracht hat. | |
Er gilt als geschickter Verhandler, dem es immer wieder gelingt, andere mit | |
spitzfindigen Details zu übervorteilen. Wie in dieser alltäglichen | |
Anekdote: Anfang 1974 sitzt die Formel-1-Clique in Buenos Aires am | |
Hotelpool, die Stimmung ist ausgelassen. Als ein Fahrer zwei Bahnen unter | |
Wasser schwimmt, sagt Ecclestone seinen ungläubigen Kollegen, er könne das | |
auch. Die Gruppe setzt 100 Dollar dagegen. Nachdem Ecclestone sich noch | |
einmal des genauen Wortlauts versichert hat – „unter Wasser schwimmen“ – | |
grinst er breit und lässt sich einen Schnorchel holen. | |
## „Er behauptet, Weiß wäre Schwarz“ | |
Durch ähnliche Schlupflöcher hat der heute 83-Jährige offenbar immer wieder | |
Verhandlungen zu seinen Gunsten gedreht. „Er benutzt jede Ausrede, jede | |
Halbwahrheit, um dem Gespräch eine neue Wendung zu geben“, zitiert Bower | |
Niki Lauda, der früher für Ecclestones Team Fahrer war. „Er behauptet, Weiß | |
wäre Schwarz – oder umgekehrt – und zwei plus zwei ergäbe fünf, was ihm | |
gerade in den Sinn kommt.“ | |
Der taz gegenüber will sich Lauda nicht zu seinem langjährigen Weggefährten | |
äußern. Seine Managerin bittet sogar, das Zitat nicht zu erwähnen. Auch der | |
Dachverband FIA, die Fédération Internationale de l’Automobile, beantwortet | |
keine Anfragen. Dabei hat Ecclestone ganz klein begonnen, als | |
Gebrauchtwagenhändler ohne Ausbildung, dem jedoch schon früh nachgesagt | |
wurde, die Tachostände zu manipulieren. | |
In den 50er Jahren stieg er als Fahrer in den Rennsport ein, kurzzeitig und | |
ebenso erfolglos auch in die Formel 1, ging jedoch bald dazu über, sich nur | |
hinter den Kulissen zu engagieren. Damit hatte er seine Aufgabe gefunden – | |
und eine Maschine zum Geldmachen. Dass die Formel 1 zu dem | |
milliardenschweren Medienspektakel wurde, das sie heute ist, liegt vor | |
allem an Ecclestone. Er war der Erste und lange der Einzige, der erkannte, | |
wie viel Geld sich mit dem Rennsport machen ließ. | |
Als er sah, dass die britischen Konstrukteure zerstritten waren und dadurch | |
Verluste machten, bot er an, für sie die Verhandlungen zu übernehmen, | |
selbstverständlich gegen ein Honorar. Mit dem Gewicht der 26 Rennställe | |
hinter sich begann Ecclestone, die Formel 1 umzukrempeln. Hatten vorher die | |
Betreiber der Rennstrecken die Regeln diktiert, so setzte er ihnen nun die | |
Pistole auf die Brust. Ähnlich ging er mit den großen Rennställen wie | |
Ferrari und dem Dachverband FIA um. So schlug er immer mehr Geld heraus und | |
lenkte einen Großteil in die eigene Tasche. | |
## Kaum Putschversuche | |
Zugleich war Ecclestone der Erste, der die Vermarktungsmöglichkeiten des | |
Sports erkannte und bald einen schwunghaften Handel mit den | |
Übertragungsrechten begann. Ähnlich wie zuvor bei den Verhandlungen mit den | |
Rennstrecken merkte zunächst niemand, um welche hohen Summen es sich | |
allmählich handelte. Auch nicht, dass Ecclestone den Großteil der | |
herausgehandelten Gewinne für sich behielt und nicht an die Teams | |
weitergab. Dafür belangen konnte man ihn nicht: Er sah es als sein gutes | |
Recht, schließlich hatte er die Arbeit übernommen, und die Verträge waren | |
ohnehin wasserdicht. Obwohl der Unmut gegen seine autokratische Führung mit | |
den Jahren wuchs, ist es bezeichnend, dass es kaum Putschversuche gab. | |
Ecclestones absolute Alleinherrschaft endete 1999, als er einen Teil der | |
Formel 1 zum Verkauf anbot, um an Geld zu kommen. Zwar gilt er auch heute | |
noch als Alleinentscheider, doch er hat längst nicht mehr so freie Bahn wie | |
früher. Interessanterweise begann mit dem Verkauf der Anteile auch die | |
Vorgeschichte des jetzigen Münchner Prozesses: Der deutsche | |
Medienunternehmer Leo Kirch war es, der über Umwege 75 Prozent der Formel 1 | |
kaufte. Die Kontrolle verblieb jedoch bei Ecclestone. | |
Als Kirchs Imperium 2002 mit Milliardenverlusten zusammenbrach, übernahm | |
wiederum die bayerische Landesbank temporär die Verwaltung der | |
Formel-1-Anteile. 2006 verkaufte die Bank unter Ägide des Risikovorstands | |
Gribkowsky ihre Anteile an das Finanzunternehmen CVC Capital Partners. | |
Ecclestone hatte den Kontakt eingefädelt – und Gribkowsky offenbar gut 44 | |
Millionen Dollar geboten, damit der auch akzeptierte. Die Zahlung selbst | |
hat Ecclestone inzwischen zugegeben. Er nennt sie jedoch ein | |
„Schweigegeld“, damit der BayernLB-Manager ihn nicht bei den Steuerbehörden | |
anschwärzte. Von Bestechung könne keine Rede sein. | |
## Angebliche Mafiakontakte | |
Seit dem Beginn seiner Karriere kommen immer wieder Vorwürfe gegen | |
Ecclestone auf. In seiner Anfangszeit sagte man ihm Kontakte zur Mafia | |
nach, zu einem Post- und einem Banküberfall. Andere Vorwürfe waren weniger | |
folkloristisch: Schon 1972 soll er Bower zufolge einem für | |
Sponsorenverträge zuständigen Funktionär Geld geboten haben, um in seinem | |
Sinne zu entscheiden. Es folgten etliche weitere Fälle, in denen Ecclestone | |
seine Interessen durch gezielte Zahlungen untermauerte. | |
Vorläufiger Höhepunkt war eine Spende von einer Million Pfund, die | |
Ecclestone 1997 Tony Blairs Labour-Partei zukommen ließ, damit die das | |
Verbot der profitablen Tabakwerbung verhinderte. Zuletzt räumte Ecclestone | |
beim Londoner Prozess Anfang des Jahres ein, drei Teamchefs der Formel 1 | |
insgesamt 24 Millionen Dollar gezahlt zu haben, damit sie den Verkauf der | |
Formel-1-Anteile unterstützten. Auch hier könne natürlich von Bestechung | |
keine Rede sein, betonte er. | |
Bislang konnten weder Konkurrenten noch Gerichte Ecclestone etwas | |
nachweisen. Das könnte sich jetzt in München ändern: Die Ermittler sind | |
überzeugt, genug Beweise zu haben. Seine Zeit als Alleinherrscher wäre dann | |
vorbei. „Zuerst musst du auf die Beine kommen, dann wirst du reich und dann | |
ehrlich“, lautet ein bekanntes Zitat Ecclestones. Die ersten beiden | |
Schritte ist er schon lange gegangen. In München, wo er persönlich vor | |
Gericht erscheinen muss, könnte er zeigen, ob er auch für den letzten | |
Schritt bereit ist. | |
23 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
K. Antonia Schäfer | |
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