# taz.de -- Kommentar Haftpflicht für Hebammen: Arbeiten in der Risikozone | |
> Die Bundesregierung möchte die Berufshaftpflicht der Hebammen begrenzen. | |
> Diese haben Schutz verdient. Aber die geplanten Ausnahmen sind | |
> problematisch. | |
Bild: Heute bekommt eine Beleghebamme im Schichtdienst an einer Klinik 275 Euro… | |
Schon beschweren sich Frauenärzte und die Krankenkassen, den Hebammen solle | |
nun eine Extrawurst gebraten werden beim Haftungsrecht. Denn | |
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat den Hebammen besondere | |
Unterstützung zugesagt, um deren hohe Kosten für die Berufshaftpflicht zu | |
begrenzen. | |
Frauen, die nur wenige Geburten betreuen, sollen pro Geburt einen Zuschlag | |
bekommen, damit sie die Haftpflichtprämien von demnächst 5000 Euro im Jahr | |
schultern können. Außerdem möchte Gröhe, dass die Kranken- und | |
Pflegekassen, die für Behinderungen durch Kunstfehler zahlen, sich das Geld | |
nicht mehr bei den Haftpflichtversicherern der Hebammen zurückholen können. | |
Gerade der letzte Punkt sorgt nun für Debatten. Denn eine solche Begrenzung | |
der Regressansprüche gibt es etwa in der Haftpflicht der Ärzte nicht. Kein | |
Wunder also, dass sich die Krankenkassen beschweren, die Hebammen dürften | |
nicht anders behandelt werden als Angehörige von anderen Gesundheitsberufen | |
auch, die eine risikoreiche Tätigkeit ausüben. | |
Verdienen die freiberuflichen Hebammen in der Geburtshilfe besonderen | |
Schutz beim Haftungsrecht oder nicht? Das ist die Frage. Das Problem liegt | |
dabei nicht darin, dass bei diesen Hebammen besonders viele Kunstfehler | |
passieren, durch die Babys Behinderungen davontragen. Dies ist nicht der | |
Fall. Die Frage lautet vielmehr, ob man einen eher gering verdienenden | |
Berufsstand in einem Hochrisikobereich arbeiten lässt, in dem ein Fehler | |
teure Haftungsansprüche nach sich ziehen kann. | |
## Auch die Ärzte zahlen viel Haftpflicht | |
Wie hoch das Risiko ist, sieht man an den Ärzten: Ein Gynäkologe, der als | |
Belegarzt in der Geburtshilfe an einer Klinik arbeitet, muss mehr als | |
40.000 Euro im Jahr an Prämie für die Berufshaftpflicht berappen, nur einen | |
Teil der Kosten übernehmen die Kliniken. Ein Neurochirurg zahlt 11.000 Euro | |
an jährlicher Haftpflicht. In den USA sind die Haftpflichtbeiträge für | |
Ärzte noch viel höher – ein Grund für die hohen Arztkosten in den | |
Vereinigten Staaten. | |
Mitten drin in diesem Spannungsfeld zwischen den berechtigten Forderungen | |
nach hohem Schadensersatz bei Kunstfehlern einerseits und | |
Haftpflichtversicherungen, die marktwirtschaftlich denken und ihr Risiko | |
kalkulieren andererseits, stehen die rund 3.000 freiberuflichen Hebammen. | |
## Es geht nicht um die Hebamme mit Hörrohr | |
Von denen machen die meisten nicht Hausgeburten, sondern sie bringen als | |
Beleghebammen an Kliniken Kinder auf die Welt. Es geht also nicht unbedingt | |
um die Hebamme, die mit dem Hörrohr Hausgeburten auf dem Land betreut, | |
sondern vor allem um freiberufliche Beleghebammen, die in unterbesetzten | |
Kliniken Überwachungs- und Betreuungsaufgaben übernehmen, bei denen etwa | |
Unachtsamkeiten in der Beobachtung des Wehenschreibers schwere Folgen haben | |
können. | |
Will man freiberufliche Hebammen in diesem Gefahrenbereich einsetzen – und | |
darüber herrscht gesellschaftlicher Konsens, denn die Mengen an Ärzten gäbe | |
es auch gar nicht, die eine lückenlose Betreuung von Gebärenden übernehmen | |
könnten – dann muss man sich auch über das Schultern der Risiken | |
verständigen. Es reicht nicht aus, die Absicherung der Haftungsfrage allein | |
einem privatwirtschaftlich organisierten Versicherungsmarkt zu überlassen, | |
der eine zahlenmäßig kleine Berufsgruppe dann möglicherweise nicht mehr | |
oder nur zu unbezahlbaren Preisen bedient. | |
Die Unterstützung der Hebammen darf allerdings nicht so aussehen, dass die | |
Kosten der Kunstfehler genau dieses Berufsstandes dann an den Krankenkassen | |
der betroffenen Behinderten hängen bleiben oder dass Schadenshöchstgrenzen | |
eingeführt werden. Solche Ausnahmen wären gegenüber den Schadensfällen | |
durch andere Berufsgruppen kaum haltbar. | |
## Die Vergütung muss steigen | |
## | |
Die Unterstützung der freiberuflichen Hebammen muss vielmehr bei ihren | |
Vergütungen ansetzen, aus denen auch die Haftpflichtversicherung bezahlt | |
wird. Die Krankenkassen haben die Entgelte pro Geburt in der Vergangenheit | |
bereits erhöht, um die gestiegenen Haftpflichtprämien auszugleichen. Gröhe | |
sieht für Hebammen mit wenig Geburten noch einmal überproportionale | |
Steigerungen vor, denn deren Haftpflichtprämie bleibt ja die gleiche. Heute | |
bekommt eine Beleghebamme im Schichtdienst an einer Klinik 275 Euro pro | |
Geburt. Für eine Hausgeburt gibt es 700 Euro pro Nacht. Alles brutto. Das | |
wird nicht mehr reichen. | |
Die Alternative zu höheren Entgelten für die Geburtshelferinnen wäre ein | |
allgemeiner Haftungsfonds für alle Medizinalberufe, in dem dann etwa die | |
Gynäkologen und die Hebammen einzahlen und abgesichert sind, genauso wie | |
andere Ärzte oder Heilpraktiker auch. Doch Ärzte mit risikoärmeren | |
Tätigkeiten dürften nicht bereit sein, mit ihren Prämien ihre KollegInnen | |
in der Geburtshilfe, geschweige denn die Hebammen, mitzufinanzieren. | |
An höheren Entgelten führt daher kein Weg vorbei, ebensowenig wie an neuen | |
Qualitätsrichtlinien und besseren Schadensstatistiken, die Gröhe für die | |
Geburtshilfe fordert. Wenn man bedenkt, dass eine Geburt die riskanteste | |
Phase in einem Menschenleben ist, wirken die Honorare der Hebammen sowieso | |
lächerlich. | |
4 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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