# taz.de -- Die Comedy-Serie „Bösterreich“: Solche Leute gibt es wirklich | |
> Sadistische Lehrer und Katzenexekutionen: „Bösterreich“ zeigt die | |
> gemeinsten Seiten des österreichischen Humors – was gerade für Deutsche | |
> sehr bissig wirkt. | |
Bild: Der Kebabwirt (Nicholas Ofczarek) betreibt gleichzeitig eine Sexhotline �… | |
WIEN taz | Fettleibig, hässlich und unappetitlich sind die Gestalten aus | |
dem Universum des österreichischen Karikaturisten Manfred Deix. Man muss | |
aber nur mit offenen Augen durch die Welt gehen, um zu entdecken, dass | |
diese scheinbar völlig überzeichneten Deix-Typen zuhauf leibhaftig | |
herumlaufen. Ähnlich verhält es sich mit der neuen Serie „Bösterreich“: | |
solche Leute gibt es wirklich. | |
Da rechnen sadistische Lehrer einer katholischen Privatschule ihren | |
Schutzbefohlenen vor, dass jeder Fünfte eines Tages an Krebs erkranken | |
wird. Eine Tierärztin erklärt dem Tierfreund, der seinen Kater zur | |
Kastration bringt, der Liebling leide an schmerzhaftem Alzheimer und müsse | |
sofort eingeschläfert werden – die Exekution per Spritze folgt umgehend. | |
Ein serbischer Taxifahrer bringt alle Fahrgäste mit seinem Gelaber und | |
seinem Blindflug durch die Straßen zur Verzweiflung, selbst einen | |
Bankräuber, der auf seine Beute verzichtet und darum bettelt, aussteigen zu | |
dürfen. Und biedere Büroangestellte im Warteraum des Swinger-Clubs verraten | |
einander ihre grotesken Sexualvorlieben. | |
Dargestellt werden die meisten der Charaktere von Nicholas Ofczarek und | |
Robert Palfrader, die mit sichtlichem Vergnügen in die unterschiedlichsten | |
Rollen schlüpfen. „Am meisten identifiziere ich mich mit den Charakteren, | |
die ich mir quasi erobern musste“, sagt Ofczarek, der Ensemblemitglied des | |
Wiener Burgtheaters ist. Sein Auftritt als Kebab-Verkäufer, der | |
gleichzeitig eine Sex-Hotline für einsame Damen betreibt, ist ein Exempel | |
allerhöchster Sprachkunst. | |
## Mut zur Hässlichkeit | |
Es ist die Wandlungsfähigkeit von Ofczarek und dem Kabarettisten Palfrader, | |
die diese Szenen so amüsant macht, auch wenn sie immer wieder ins | |
Slapstickhafte ausarten. Die beiden sind ein eingespieltes Team mit viel | |
Mut zur Hässlichkeit, spätestens seit ihrem Auftritt als Bürgermeister | |
Gerri Tschach und Disco-Wirt Richard Pfeisinger in der Serie „Braunschlag“. | |
Und dass Ofczarek in jeder Rolle glaubwürdig wirkt, weiß man schon von | |
seinen Gastauftritten in der Polit-Kabarett-Sendung „Wir Staatskünstler“, | |
an der Palfrader ebenfalls beteiligt war und die den Scheinwerfer gnadenlos | |
auf jede Blöße von Regierung und Opposition richtete. | |
Ofczarek trat dort per Videoeinspielung als SPÖ-Günstling, Wiener | |
Bürgermeister und aristokratischer Waffenlobbyist auf, der Erfolg dieser | |
Szenen war einer der Anstöße zur Entwicklung von „Bösterreich“. Anders a… | |
in „Wir Staatskünstler“ wird aber nicht die Politik aufs Korn genommen. | |
„Bösterreich ist reine Unterhaltung“, sagt Robert Palfrader mit einem | |
hintergründigen Lächeln. Allerdings keine harmlose: „Aufmerksame | |
Zeitungleser werden Dinge entdecken können …“ | |
## Subversion beim ORF | |
Kathrin Zechner, oberste Programmchefin des ORF-Fernsehens, findet die | |
Serie selber lustig und wundert sich über die Frage, wie viel Subversion | |
der ORF vertrage: „Subversives Denken ist für mich das Grundnahrungsmittel | |
eines öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramms“. Zumindest im Kabarett. Sie | |
ist stolz darauf, dass in Sendungen wie „Bösterreich“ die „besten und | |
pfiffigsten Künstler, Künstlerinnen und Querdenker mit uns | |
zusammenarbeiten“. | |
Wenige Tage vor dem Serienstart am 1. April zeigte sie sich zuversichtlich: | |
„Ich freu mich drauf, dass es einen Nerv treffen wird, den die Leute | |
mögen.“ Selbstironie sei zwar „nicht das ureigenste Merkmal des | |
Österreichers/der Österreicherin“, aber es komme gut an, wenn die Kleinen | |
gegen die Großen antreten. Ein Marktanteil von 22 Prozent am schwierigen | |
Sendeplatz von 23 Uhr gibt ihr recht. | |
Zechner, die im ORF als Finanzchefin Karriere gemacht hat, kann man gewiss | |
nicht vorwerfen, den ökonomischen Erfolg der Programmierung zu | |
vernachlässigen. Quote ist ein Thema. Und Eigenproduktionen kommen meist | |
gut an, vor allem dann, wenn sie die Eigenarten des Österreichers ins | |
Satirische überzeichnen. Das klappte schon in den späten 1970ern mit der | |
Krimi-Persiflage „Kottan ermittelt“ und mit „Ein echter Wiener geht nicht | |
unter“, das im proletarischen Universum der Familie Sackbauer spielte. | |
Edmund Sackbauer, der als cholerischer Patriarch im gerippten Unterhemd mit | |
der offenen Bierflasche am Tisch saß und seine Familie herumkommandierte, | |
war so realistisch, dass es wehtat. | |
## Fernsehlieblinge | |
Dennoch oder vielleicht sogar deswegen kam er gut an: nicht nur bei jenen, | |
die sich sozial oder charakterlich überlegen fühlen konnten, sondern auch | |
bei denen, die sich in ihm wiedererkennen mussten. Einzelne erboste | |
Proteste steigerten nur die Popularität der Fernsehfamilie. | |
Sackbauer-Darsteller Karl Merkatz wurde zum Star, die Serie genau wie auch | |
„Kottan ermittelt“ zum Kult. Beide verkaufen sich noch heute gut als DVD. | |
„Bösterreich“ experimentiert nicht mit unbekannten Talenten, sondern setzt | |
auf Fernsehlieblinge, deren Zugkraft bereits erprobt ist. Und weder | |
politische Parteien noch bestimmte Bevölkerungsgruppen oder Minderheiten | |
können sich attackiert fühlen. „Es geht um Geschmacksfragen“, sagt | |
Ofczarek, „An gewisse Grenzen muss man gehen, sonst ist es nur brav“. | |
Insofern geht der ORF mit der Serie kein Risiko ein. Deswegen hat auch | |
Kathrin Zechner keine Angst vor politischen Interventionen oder Verfechtern | |
der Political Correctness: „Es gibt natürlich die subjektive Wahrnehmung, | |
die dazu führt, dass Leute sich missverstanden oder übertrieben dargestellt | |
fühlen. Aber das finde ich einen lebendigen und respektvollen Diskurs.“ | |
## Ganz ohne Zensur geht es doch nicht | |
Trotzdem halten Deutsche das politische Kabarett im österreichischen | |
Fernsehen für bissiger, oft politischer und messen dessen subversiven Humor | |
an der manchmal etwas bieder daherkommenden „Heute-Show“ im ZDF. Robert | |
Palfrader findet nicht, dass Österreicher den besseren Humor hätten: „Wenn | |
man zum Beispiel den Georg Schramm ansieht, mit dem ich arbeiten durfte, | |
oder einen Gerhard Polt, die haben einen großartigen Humor.“ | |
Er ist der Meinung, dass die fehlende Höflichkeit der Deutschen ein | |
wahnsinniger Vorteil sein kann: „Sie können viele Dinge viel direkter | |
sagen. Das ist man in Österreich nicht gewöhnt. Manchmal sind wir einfach | |
nur zu faul, um die Wahrheit zu sagen. Oder zu feig.“ Es gehe um | |
Umgangsformen: In Österreich versuchten jedes Stubenmädchen und jeder | |
Hilfskellner, sich über seine Vorgesetzten zu erheben, indem sie die | |
Sprache der Herrschaft imitieren. „Das hat es in Deutschland nie gegeben“, | |
sagt Palfrader. „Daraus resultieren Verhaltenscodices, die für Deutsche | |
schwer zu dechiffrieren sind.“ | |
Ganz ohne Zensur geht es aber offenbar doch nicht. Die zweite Folge von | |
„Bösterreich“, die größtenteils im Swinger-Club spielt, konnte „aus | |
rechtlichen Gründen“ nicht die üblichen sieben Tage nach Ausstrahlung als | |
Video-on-demand in der ORF-Mediathek abgerufen werden. | |
## „Nacktheit ist im ORF nicht verboten“ | |
Der Grund dafür sei aber nicht ein (überlanges, aber künstliches) | |
männliches Glied eines ins Joch gespannten Swingers gewesen, sondern die | |
ganze Sendung, wie ORF-Sprecher Martin Biedermann der Wiener Stadtzeitung | |
Falter erläuterte: „Nacktheit ist im ORF nicht verboten, wir gehen damit | |
aber im Rahmen unserer Jugendschutzregeln um.“ Und anders als eine Sendung | |
um 23 Uhr könne das Video den ganzen Tag und daher auch von Kindern | |
angeschaut werden. | |
Insgesamt sei die „Dienstag-Nacht“, in der ab 22 Uhr österreichische | |
Humor-Eigenproduktionen gesendet werden, wohl auch deswegen so erfolgreich, | |
weil sie oft an der Grenze von ORF-Gesetz und anderen Rechtsnormen eine | |
Gratwanderung wage. Aber, so Biedermann: „Zu 99 Prozent bewegen wir uns auf | |
der richtigen Seite des Grats.“ | |
4 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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