# taz.de -- Regionaler Wohlfahrtsindex erstellt: Dem anderen Wohlstand auf der … | |
> Ein wachsendes Bruttoinlandsprodukt gilt gemeinhin als Zeichen dafür, | |
> dass es den Menschen gut geht und der Wohlstand gesichert ist. Doch das | |
> ist nicht immer so. | |
Bild: Das bisschen Haushalt wird beim Wohlfahrts-Index positiv gewertet. | |
Auch wenn es in der Politik gemeinhin als Garant für Wohlstandssicherung | |
steht: Immer nur auf das Wachsen des Bruttoinlandsprodukts (BIP) | |
hinauszuwollen, ist einseitig, finden die Hamburger Grünen. Und haben | |
Wissenschaftler damit beauftragt einen "Wohlfahrtsindex" zu erstellen, der | |
auch soziale und ökologische Kriterien einbezieht. "Hamburg ist auf den | |
ersten Blick reicher geworden", fasste Fraktionschef Jens Kerstan die | |
Studie am Donnerstag zusammen, "aber die Wohlfahrt ist gesunken." | |
Bei dem neuen Regionalen Wohlfahrtsindex (RWI) handle es sich um ein | |
"wissenschaftliches Konstrukt", räumt Studien-Autor Roland Zieschank von | |
der Freien Universität Berlin ein. Bloß: Das 60 Jahre alte BIP sei aber | |
ähnlich entstanden. | |
Aber offenbar mit deutlich anderen Vorzeichen: Erhöhen etwa die Kosten | |
durch Gesundheitsschäden und Kriminalität das BIP, ist das beim RWI, den es | |
bereits für Schleswig-Holstein, Bayern und Sachsen gibt, genau umgekehrt: | |
Wohlfahrtsmindernde Komponenten wie Unfälle, Kriminalität oder | |
Umweltschäden werden auch hier in Geld umgerechnet - dann aber abgezogen. | |
Im Gegenzug wird beispielsweise die meist von Frauen geleistete Hausarbeit | |
dem RWI zugeschlagen - stolze 16 Milliarden Euro kommen da zusammen. | |
Ehrenamtliche Tätigkeit schlägt mit rund einer Milliarde zu Buche, | |
ebenfalls berücksichtigt werden Ausgaben für Bildung und Gesundheit und - | |
als größter Posten - der Konsum. | |
Dabei wird berücksichtigt, dass es in Hamburg große Einkommensunterschiede | |
gibt und sich nicht alle das Gleiche leisten können. "Die Spanne zwischen | |
Arm und Reich sind in unserer Stadt größer als in jedem anderen | |
Bundesland", kritisiert die Grünen-Landesvorsitzende Katharina Fegebank. | |
Und so zieht der "gewichtete Konsum", der diese Schere berücksichtigt, | |
Hamburgs RWI-Kurve in den Keller. Setzt man für das Jahr 2000 einen Wert | |
von 100 an, stieg das BIP bis zum Jahr 2011 preisbereinigt auf 103, der RWI | |
dagegen sank auf 97. | |
Den Index drücken auch die 400 Millionen Euro, die durch Lärmschäden | |
entstehen, oder die rund 640 Millionen in Folge von Verkehrsunfällen. | |
Längere Arbeitswege, die Lebenszeit verschwenden, werden subtrahiert, | |
ebenso Umweltverschmutzung. Allerdings fehlten den Autoren der Studie die | |
exakten lokalen Werte für Wasser- und Bodenbelastung. Genauer ließen sich | |
die Kosten der Luftverschmutzung taxieren: auf zuletzt 540 Millionen Euro. | |
Die Studie ist Thema beim Grünen-Kongress "Wohin mit der Stadt? Her mit dem | |
gutem Leben!" am heutigen Freitag in der Staatlichen Jugendmusikschule. | |
"Wir hoffen, dass der Index ein neuer Kompass für die Politik sein kann", | |
so Kerstan. Er formuliere "klare Handlungsaufträge", ergänzt der | |
Bürgerschaftsabgeordnete Anjes Tjarks. | |
Den größten Handlungsbedarf sehen die Grünen in der Bekämpfung der sozialen | |
Spaltung, die "die Wohlfahrt in Hamburg deutlich mindert", so Fegebank. Es | |
gebe Stadtteile wie Blankenese mit 1,2 Prozent Kinderarmut und | |
Rothenburgsort mit 50 Prozent. "Es reicht nicht, Wohnungen zu bauen", | |
ergänzt Kerstan. "Wir müssen uns darum kümmern, dass die Stadt überall | |
lebenswert ist." | |
8 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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