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# taz.de -- Urteil zum Anti-Terror-Strafrecht: Ein Bastler muss kein Terrorist …
> Der Bundesgerichtshof ordnet einen neuen Prozess gegen einen Studenten
> an. Er war verurteilt worden, weil er im Mixer Schwarzpulver zerkleinern
> wollte.
Bild: Von Tausenden Streichhölzern rieb Keramat G. das Zündpulver ab.
KARLSRUHE taz | Wer versucht, Sprengstoff herzustellen, wird nur dann als
Terrorist bestraft, wenn er schon fest zu einem Anschlag entschlossen ist.
Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil. Die
Richter hoben zugleich die Verurteilung eines 26-jährigen Studenten auf.
Keramat G. studierte in Frankfurt/Main Maschinenbau. Als Kind war er mit
seinen Eltern aus Afghanistan nach Deutschland gekommen. Nach Konflikten
mit seinem Vater, der ihn für einen Versager hielt, wandte sich der junge
Mann immer mehr der Religion zu und radikalisierte sich schnell. Im
Internet stieß er auf eine Bombenbastelanleitung von al-Qaida – „How to
make a bomb in the kitchen of your mom“ (Wie du eine Bombe in der Küche
deiner Mutter bauen kannst). Er besorgte sich die empfohlenen Zutaten und
begann, von Tausenden Streichhölzern das Zündpulver abzureiben.
Doch er scheiterte bald. Als er Feuerwerks-Zündkugeln in einem Küchenmixer
zerkleinern wollte, kam es zu einer Explosion. Die Druckwelle hob die
Zimmerdecke um einige Zentimeter an und der Student erlitt Verbrennungen im
Gesicht und an den Armen. Zufällig war ihm die Polizei durch einen
verlorenen USB-Stick ohnehin gerade auf die Schliche gekommen und suchte
ihn im Februar 2011 im Krankenhaus auf. Auf Drängen des Vaters räumte G.
ein, dass er sich mit dem Dschihad beschäftigt habe. Allerdings sei er noch
nicht zu einem Anschlag entschlossen gewesen.
Das Landgericht Frankfurt verurteilte ihn dennoch zu drei Jahren
Freiheitsstrafe und wandte damit ein neues Gesetz an, das erst 2009 vom
Bundestag beschlossen worden war. Seitdem ist bereits die „Vorbereitung
schwerer staatsgefährdenden Gewalttaten“ strafbar (§ 89a StGB). Der
Gesetzgeber reagierte mit dem Gesetz darauf, dass islamistische Terroristen
sich nicht wie die RAF zu terroristischen Vereinigungen zusammenschließen,
sondern als Einzeltäter oder loses Netzwerk agieren. Auch hier sollten
künftig terroristische Vorbereitungshandlungen strafbar sein, etwa der
Besuch eines Ausbildungslagers, um den Umgang mit Sprengstoff zu erlernen
oder die Beschaffung von Zutaten zum Sprengstoffbau.
Vor dem BGH machte Keramat G.s Verteidigung geltend, dass die neue
Strafvorschrift verfassungswidriges „Gesinnungsstrafrecht“ sei. Sie erfasse
schon bloße Alltagshandlungen, die erst durch die terroristische Gesinnung
strafbar würden. „Wenn jemand Auto fahren lernt, um bei einem Anschlag das
Fluchtauto zu steuern, wäre schon der Besuch der Fahrstunden strafbar“,
sagte ein Verteidiger.
Der Bundesgerichtshof teilte die Kritik aber nur in Ansätzen. Der neue
Strafparagraf sei „trotz der gewichtigen Bedenken“ mit dem Grundgesetz
vereinbar, erklärte der 3. Strafsenat am Donnerstag. Allerdings müsse die
Vorschrift verfassungskonform, also einschränkend, ausgelegt werden.
Niemand dürfe für Vorbereitungshandlungen bestraft werden, der nur vage
überlegt, einen Anschlag zu verüben. „Bedingter Vorsatz“ genüge also nic…
so die Richter. Erforderlich sei vielmehr, „dass der Täter bereits fest
entschlossen ist, später eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu
begehen.“
Im Fall von Keramat G. muss nun das Landgericht Frankfurt erneut prüfen,
welche Absichten der Student hatte, als er mit dem Küchenmixer hantierte.
Ganz straflos wird er sicher nicht ausgehen. Denn auch das fahrlässige
„Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion“ ist strafbar. (Az.: 3 StR 243/13)
8 May 2014
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Bundesgerichtshof
Sprengstoff
Urteil
Terroristen
Flugverbot
NSA
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