# taz.de -- Detektiv-Comic von Emmanuel Moynot: François will Rache | |
> Perspektivlosigkeit als Antriebsmoment: „Der Mann, der sein Leben | |
> ermordete“ überzeugt durch erzählerische Rasanz und knackige Dialoge. | |
Bild: Auf der Autobahn kreuzen sich die Wege der Protagonisten. | |
Drei Loser in Bordeaux. François-Frederic Frey, früher ein erfolgreicher | |
Manager, kommt frisch aus dem Knast. Kommissar Kowalski hat es nicht mehr | |
weit bis zur Pensionierung und steckt in einem Karrieretief. Gus Carpate | |
schließlich ist Privatdetektiv. Aber leider kein so cooler Typ wie Philip | |
Marlowe, sondern ein ziemlicher Versager, der tagelang vergeblich auf einen | |
Klienten hofft. | |
Vom Leben haben diese Männer kaum mehr etwas zu erwarten; daher sind zu | |
allem bereit. François will Rache. Alle, die er für seinen Sturz aus den | |
Höhen der Honoratiorenkreise verantwortlich macht, sollen es bitter büßen. | |
Kowalski kommt durch Zufall einem Fall von Menschenschmuggel auf die Spur. | |
Carpate hilft einer alten Kommunistin bei der Suche nach ihrem | |
verschwundenen autistischen Sohn. Auf einer Autobahnfahrt nach Toulose | |
kreuzen sich die Wege aller Beteiligten – und es gibt viele Leichen. | |
„Der Mann, der sein Leben ermordete“ beruht auf einem Roman von Jean | |
Vautrin. Die erzählerische Rasanz ist eindrucksvoll, mehr aber noch, wie | |
die Schicksale der zahlreichen Figuren – zu denen unter anderen ein älterer | |
Gendarm und dessen sexbesessene Frau gehören – miteinander verknüpft | |
werden. Der Zufall spielt hier eine große Rolle; aber alles wirkt ganz | |
folgerichtig, nie aufgesetzt. Sehr gut sind zudem die kurzen, knackigen und | |
aussagestarken Dialoge. Die Lehren von Jean-Patrick Manchette, der in den | |
Siebzigern mit seinem Hardboiled-Stil den französischen Kriminalroman | |
erneuerte, beherrscht Vautrin perfekt. | |
Ein großes Vorbild besitzt, wie man auf den ersten Blick sieht, auch | |
Emmanuel Moynot. Die Physiognomie von François, die nächtliche Stadt im | |
Regen am Anfang des Comics, das Interesse an heruntergekommenen Häusern und | |
alter Architektur, der gewisse Retro-Touch – das alles erinnert sehr an den | |
großen Jacques Tardi. In einem Interview, das im Vorwort zitiert wird, hat | |
Moynot selbst diesen Zeichner als künstlerische „Vaterfigur“ genannt. Dazu | |
passt, dass er seit einigen Jahren, parallel zu Tardi und ganz dessen Stil | |
verpflichtet, begonnen hat, die Nestor-Burma-Romane von Léo Malet in | |
Comic-Form zu bringen. | |
Dass Moynot ein Epigone sei, kann man nicht von der Hand weisen. „Der Mann, | |
der sein Leben ermordete“ ist allerdings um einiges überzeugender als seine | |
Malet-Adaptationen. Moynot arbeitet mit kräftigen Schraffuren und einer | |
allgemein unruhigeren Strichführung. Auch die Kolorierung ist gelungen: Der | |
düsteren Story angemessen, verleiht sie dem sonnigen Südwesten Frankreichs | |
keine sommerliche Heiterkeit, sondern eine bleierne, vorgewittrige Schwere. | |
So schafft es Moynot letztlich doch, ein Stück weit aus dem langen Schatten | |
seines Idols zu treten. | |
11 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Christoph Haas | |
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