# taz.de -- Krise in der Ukraine: Merkel und Hollande fordern Dialog | |
> Die Bundeskanzlerin und Frankreichs Staatspräsident betonen die Bedeutung | |
> freier Wahlen in der Ukraine. Der Übergangspräsident im Land bietet | |
> derweil Gespräche an. | |
Bild: Angela Merkel und François Hollande beim Hafenbesuch am Samstag in Stral… | |
STRALSUND/DONEZK/KIEW dpa | Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs | |
Staatspräsident François Hollande haben die Konfliktparteien in der Ukraine | |
aufgerufen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und freie Wahlen zu | |
ermöglichen. Zum Abschluss ihres Treffens in Stralsund verurteilten sie das | |
für diesen Sonntag geplante Referendum prorussischer Separatisten zur | |
Abspaltung der Ostukraine erneut als unrechtmäßig. | |
Von zentraler Bedeutung sei jetzt, dass es am 25. Mai freie und faire | |
Wahlen in der Ukraine gebe, betonte Merkel am Samstag. Dafür müsse es einen | |
Verhaltenskodex geben. „Wir setzen alles daran, dass die Deeskalation | |
vorankommt.“ Nötig sei ein nationaler Dialog. Hollande betonte: „Unsere | |
Forderung ist, dass es eine Präsidentschaftswahl gibt am 25. Mai, die nicht | |
mehr kritisierbar ist.“ | |
In ihrer Abschlusserklärung drohen Deutschland und Frankreich mit einer | |
Verschärfung der Sanktionen gegen Russland, falls die Wahlen nicht | |
stattfinden können. „Fänden keine international anerkannten | |
Präsidentschaftswahlen statt, würde dies das Land unausweichlich weiter | |
destabilisieren“, heißt es darin. | |
Deutschland und Frankreich stimmten überein, dass in diesem Fall die | |
Konsequenzen zu ziehen seien, die der Europäische Rat am 6. März 2014 | |
vorgesehen habe. Der EU-Gipfel hatte damals erste Sanktionen gegen Russland | |
beschlossen und gedroht, schärfere Strafmaßnahmen wie Einreiseverbote, | |
Kontensperrungen und im Extremfall auch wirtschaftliche Sanktionen | |
verhängen, falls sich Russland Verhandlungen zur Lösung des Krise | |
verweigere. | |
## Keine Verhandlungen mit Terroristen | |
Kurz vor einem geplanten Referendum in der Ostukraine über eine Abspaltung | |
vom Rest des Landes hat zudem auch die Regierung in Kiew erneut einen | |
Dialog angeboten. Verhandlungen mit „Terroristen“ schloss | |
Übergangspräsident Alexander Turtschinow aber weiterhin aus. Er warnte | |
zugleich vor katastrophalen Folgen für die wirtschaftlich starken Gebiete | |
Donezk und Lugansk im Falle einer Unabhängigkeit. | |
In den bevölkerungsreichen Regionen Donezk und Lugansk wollen moskautreue | |
Separatisten an diesem Sonntag (11. Mai) über eine Eigenständigkeit | |
abstimmen lassen. Ein Anschluss an Russland nach dem Vorbild der | |
ukrainischen Schwarzmeerhalbinsel Krim ist demnach vorerst aber nicht | |
geplant. | |
In einem Erlass entließ Turtschinow zudem den Gouverneur von Lugansk, | |
Michail Bolotskych, den er erst am 2. März eingesetzt hatte. Die | |
Zentralregierung hat die Kontrolle über weite Teile der Region verloren. | |
„Wir haben den Donbass gehört und sind bereit, uns an den Verhandlungstisch | |
zu setzen“, sagte Übergangs-präsident Turtschinow einer Mitteilung vom | |
Samstag zufolge. Die Führung wolle Gespräche mit politischen und | |
gesellschaftlichen Vertretern führen, sagte der Interimspräsident in einer | |
Fernsehsendung. Er schloss jedoch erneut Verhandlungen mit „Terroristen, | |
deren Aufgabe die Zerstörung des Landes ist“, aus. | |
Eine Abspaltung von Donezk und Lugansk käme für die russisch geprägten | |
Gebiete einem „Schritt in den Abgrund“ gleich. „Diejenigen, die eine | |
Unabhängigkeit befürworten, verstehen nicht, dass dies die komplette | |
Zerstörung der Wirtschaft, der sozialen Programme, ja selbst des Lebens | |
eines Großteils der Bevölkerung in diesen Regionen bedeuten würde.“ | |
Turtschinow räumte erneut ein, dass die prorussischen Kräfte von einem | |
großen Teil der Bevölkerung unterstützt würden. Schuld sei russische | |
Propaganda, sagte er. | |
## Sieben Tote und 50 Verletzte | |
Nach tödlichen Gefechten in der südostukrainischen Hafenstadt Mariupol | |
blieb es dort vorerst ruhig. Die Polizei betonte, sie setze nach den | |
„tragischen Ereignissen“ vom Vortag ihren Dienst wie geplant fort. | |
Bei einem Einsatz von Regierungseinheiten gegen mutmaßlich moskautreue | |
Kräfte waren im Stadtzentrum nach Angaben der Gebietsverwaltung mindestens | |
7 Menschen getötet und etwa 50 verletzt worden. Innenminister Arsen Awakow | |
sprach seinerseits von 20 getöteten „Terroristen“. Ein Soldat sei ums Leben | |
gekommen. | |
Prorussische Aktivisten nahmen neun Mitarbeiter des Roten Kreuzes | |
vorübergehend fest. Die acht Ukrainer und ein Schweizer seien aber rasch | |
wieder freigelassen worden und würden nun ihre Arbeit wie geplant | |
aufnehmen, sagte IKRK-Sprecher David Pierre Marquet. | |
## Prorussische Kräfte gesprächsbereit | |
Zudem haben die prorussischen Kräfte in der Ostukraine haben die | |
prowestliche Regierung erneut zu einem Gewaltende als Voraussetzung für | |
Gespräche aufgefordert. „Von irgendwelchen Verhandlungen kann nur die Rede | |
sein, wenn die Kiewer Machthaber ihre aggressiven Handlungen einstellen, | |
ihre Truppen zurückziehen und zu einem friedlichen Dialog bereit sind“. | |
Das sagte Miroslaw Rudenko, Führungsmitglied der selbst erklärten | |
„Volksrepublik Donezk“, am Samstag der Agentur Interfax. Er warf der | |
Führung in Kiew vor, nicht an einer friedlichen Lösung des Konflikts | |
interessiert zu sein. Die Regierung geht mit einem „Anti-Terror-Einsatz“ | |
gegen die Separatisten im Osten des Landes vor. | |
## Hackerangriff auf belgisches Außenministerium | |
Das belgische Außenministerium wurde nach eigenen Angaben Opfer eines | |
Hackerangriffs. Mit einem Computervirus hätten die Täter versucht, | |
"Informationen und Dokumente zur Ukraine-Krise" zu kopieren, teilte | |
Außenminister Didier Reynders mit. Die Cyberattacke sei schon vor "einigen | |
Tagen" bemerkt worden. | |
10 May 2014 | |
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