# taz.de -- Wechsel bei der „New York Times“: Das war's für Jill Abramson | |
> Von schlechtem Management ist die Rede: Die „New York Times“ entlässt | |
> ihre Chefredakteurin. Ein Afroamerikaner rückt nach. | |
Bild: Hat nach eigner Aussage mit den besten Journalisten der Welt gearbeitet: … | |
NEW YORK taz | Es ist die Woche der rollenden Chefredakteurinnenköpfe: Zwei | |
Tage nach dem Rücktritt der Chefin von Le Monde in Paris, ist in New York | |
die Chefin der renommiertesten US-amerikanischen Tageszeitung gefeuert | |
worden. Herausgeber Arthur Sulzberger ersetzte Jill Abramson an der Spitze | |
der New York Times durch ihren bisherigen Stellvertreter Dean Baquet. Als | |
einzige Begründung für unerwarteten Schritt, sagte er, dass es „Probleme im | |
Management der Nachrichtenredaktion“ gebe. | |
Die 60-jährige Abramson, die erste Frau an der Spitze der New York Times, | |
machte gar nicht erst den Versuch, ihren Rausschmiss mit der in solchen | |
Fällen häufigen Floskel zu beschönigen: „auf eigenen Wunsch | |
zurückgetreten.“ Zu der am Mittwochnachmittag eilig zusammengetrommelten | |
Redaktionskonferenz, bei der ihr Nachfolger seine Einführungsrede hielt, | |
erschien sie nicht. | |
Der Redaktion teilte sie mit, dass sie die Arbeit bei der Times, wie New | |
Yorker das Blatt nennen, geliebt habe. Erst vor wenigen Monaten hatte sie | |
enthüllt, dass sie sich den Buchstaben „T“ in der Form des Blatttitels auf | |
den Rücken tätowieren ließ. Zu dem Zeitpunkt sah es noch so aus, als würde | |
sie bis zum Rentenalter an der Spitze der Times bleiben. | |
Geschäftlich ist es der New York Times unter Abramson besser gegangen als | |
den meisten anderen US-Tageszeitungen. Der Ausbau des Onlineauftritts, die | |
Einführung einer Paywall, sowie der rasante Anstieg beim Verkauf von | |
Online-Abos sind Erfolge, die Print-Medien weltweit nachzuahmen versuchen. | |
In Zeiten, wo andere Tageszeitungen ihre Printaufgaben auf einen | |
Drei-Tage-Rythmus reduzieren oder ganz abschaffen, baut die New York Times | |
ihr Angebot – Print inklusive – aus. | |
Und im ersten Quartal dieses Jahres schaffte sie es, die Einnahmen im | |
Vergleich zum Vorjahr um knapp drei Prozent auf 290 Millionen Dollar zu | |
erhöhen. Während fast überall sonst die Anzeigeneinnahmen sanken, stiegen | |
sie bei der New York Times in diesem ersten Quartal um 3,4 Prozent. | |
## Acht weitere Pulitzerpreise | |
Journalistisch hat die New York Times unter Abramson acht weitere | |
Pulitzerpreise bekommen (was insgesamt 112 Pulitzerpreise für das Blatt | |
ergibt). Und sie hat die Entwicklung einer portugiesischsprachigen Ausgabe | |
für den brasilianischen Markt begonnen. Doch bei dem wichtigsten Ereignis | |
des vergangenen Jahres, den NSA-Enthüllungen, war das Blatt lange nur | |
Zaungast. | |
Aus Ärger darüber, wie staatstragend und distanziert die New York Times mit | |
anderen Whistleblowern vor ihm - darunter auch mit Chelsea Manning, während | |
deren Prozess – umgegangen war, hatte Edward Snowden das Blatt gemieden und | |
sein Material stattdessen an Journalisten des Guardian und der Washington | |
Post gegeben. Größere eigene Recherchen über die NSA-Schnüffelskandale | |
startete die New York Times erst Monate nach Snowdens im Juni begonnenen | |
Enthüllungen im Herbst. | |
Im Inneren der Redaktion soll es Kritik an Abramsons Führungsstil und an | |
ihrer Personalpolitik gegeben haben. Sie sei „pushy“, „rechthaberisch“ … | |
launisch“, sagten nicht namentlich genannte Kollegen von Abramson zu | |
anderen Medien. | |
## Zu wenig Gehalt? | |
Doch ein Medienjournalist beim Wochenmagazin New Yorker hat eine andere | |
Erklärung für die Entzweiung von Verlag und Chefredakteurin. Ken Auletta | |
schreibt, dass Abramson, als sie kürzlich herausfand, dass sie deutlich | |
weniger verdiene als ihr Vorgänger Bill Keller, ihre Bosse zur Rede | |
gestellt und eine Anpassung nach oben verlangt habe. | |
Nachfolger Baquet (56) ist der erste Afroamerikaner an der Spitze der 1851 | |
gegründeten New York Times. 2011 unterlag er beim Rennen um die | |
Redaktionsleitung gegen Abramson und wurde ihr Stellvertreter. Seither gab | |
es zwischen den beiden häufiger Konflikte. Die drangen umso mehr zu | |
Herausgeber Sulzberger vor, seit der sich nach dem Verkauf des Boston Globe | |
stärker auf das Kenrgeschäft der New York Times konzentriert. | |
In Paris hielt sich Nathalie Nougayrède knapp 13 Monate an der Spitze von | |
Le Monde. In New York brachte Abramson es auf zweieinhalb Jahre. Ihr | |
Amtsvorgänger Keller blieb acht Jahre lang Chefredakteur der New York | |
Times. Er hatte, nach einer Zeit als Korrespondent in Moskau, von New York | |
aus den Irakkrieg herbeigeschrieben. Nach seinem Rücktritt im Jahr 2011 | |
durfte er weiter als Kolumnist für die Zeitung schreiben. Bei Abramson, die | |
früher für das Wall Street Journal und dann als Washington Korrespondentin | |
der New York Times gearbeitet hat, lässt der Rausschmiss nicht vermuten, | |
dass es einen ähnlich harmonischen Übergang geben kann. | |
15 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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