| # taz.de -- Barrierefrei - nein danke!: Straßenkampf um Fedelhören | |
| > Weil sozialer Raum von den Falschen besetzt werde, stritten Bremer | |
| > AnwohnerInnen gegen eine verkehrsberuhigte Zone. | |
| Bild: So glücklich sollen alle werden. Auch in Bremen | |
| BREMEN taz | Die Pläne waren auf dem Tisch, die Kalkulationen gemacht, | |
| sogar die Finanzierung durch den Senat in trockenen Tüchern: Der Fedelhören | |
| ist in schlechtem Zustand und wird im Frühjahr 2015 aufgerissen – doch | |
| verkehrsberuhigt wird er nicht. An der Verwaltung oder der Politik lag das | |
| diesmal nicht: Es waren die AnwohnerInnen selbst, an deren Willen die | |
| Beruhigung der Straße scheiterte. | |
| Der ohnehin kaum befahrene Straßenabschnitt zwischen Rembertikreisel und | |
| der Haltestelle am Dobben – er hätte in Zukunft ebenerdig ohne Bordsteine | |
| sein können und wäre, in der Sprache des Entwurfs, von allen | |
| Verkehrsteilnehmern „gleichberechtigt und gemeinsam“ nutzbar gewesen: | |
| barrierefrei, Fahrrad-freundlicher. | |
| Doch auf der Beiratsversammlung am Montagabend im Rembertistift erklärte | |
| Anwohner Wolfgang Budde, warum das schlecht sei: Der neu geschaffene | |
| öffentliche Raum werde „in Beschlag genommen“: von „saufendem | |
| Diskomeilenpublikum“ und Drogenabhängigen aus der nahen Straffälligenhilfe | |
| Hoppenbank. „Dieses öffentliche Leben möchte ich hier nicht haben“, sagte | |
| Budde und bekam lautstarken Applaus. | |
| Der fiel auch den Beiräten auf. SPD-Beirat Jan Cassalette war eigentlich | |
| für die Verkehrsberuhigung. Dann zog er seine Konsequenzen, er wolle das | |
| Vorhaben „nicht gegen die Expertise der Anwohner durchdrücken“. Wie | |
| Cassalette stimmten am Ende fast alle gegen den Entwurf und für das, was | |
| auch die Anwohner als „traditionelle“ Verkehrsführung schätzen. | |
| Eine „gelebte Demokratie von unten“ könnte man das nennen – oder eine | |
| Schlacht unter dem spießbürgerlichen Banner von Ruhe und Frieden. Anwohner | |
| Budde und die „Initiative Rembertiviertel“ zumindest sind umtriebig, gegen | |
| alles, war sie in ihrem Viertel stört: Vor fünf Jahren drängen sie | |
| erfolgreich eine Methadon-Ausgabestelle aus dem Quartier. Dann, ein paar | |
| Jahre später, zogen die Hells Angels aus ihrem nahen Bikerlokal. Der Sieg | |
| über die „Rockerplage“, so sagt es ein Nachbar, sei auch Budde zu | |
| verdanken. Und nun geht’s gegen die Verkehrsberuhigung. | |
| Dabei sind in Citylage solche Umgestaltungen zwar ungewöhnlich, aber auch | |
| in Bremen nicht ohne Vorbilder: Die Otto-Wels-Straße in Arsten oder der | |
| Menkenkamp in Oslebshausen sind ähnlich konzipiert. Lutz Schmauder-Fasel | |
| vom Amt für Straßen und Verkehr bezeichnete sie auf der Anhörung als | |
| „Chance, Stadtentwicklung kreativ und neu zu denken“. | |
| Aber davon wollten die BürgerInnen nichts wissen. Unter den knapp 40 | |
| Anwesenden fanden sich gerade zwei, deren Phantasie davon nicht überfordert | |
| war: „Es wäre doch schön, wenn wir nach Feierabend zusammenkommen und | |
| einfach mal die Stühle rausstellen“, sagte einer. Das schien zu | |
| provozieren. „Wovon träumst du eigentlich nachts?“, keifte es aus der | |
| vorletzten Reihe. | |
| Der Rest der Debatte verlief auf Nebenschauplätzen: Fahrradfahrer und | |
| Lieferverkehr für die anliegenden Geschäfte wurden diskutiert, ebenso das | |
| historische Straßenbild von Fedelhören. In Wolfgang Buddes Worten: „Die | |
| klassizistischen Fassaden stehen im Widerspruch zum offenen Verlauf der | |
| verkehrsberuhigten Zone.“ | |
| Weniger schöngeistig klangen die Zweifel vom grünen Ortsamtsleiters Robert | |
| Bücking: „Verkehrsmischformen“ erforderten, dass die Bürger den Platz auch | |
| „einnähmen“ und ihn nicht den Autos überließen. Dass „das soziale Lebe… | |
| Fedelhören stark genug“ sei, um die Straße auch „zu füllen“, da sei er | |
| „skeptisch“. Die Anwohner applaudierten. | |
| Und so wurde am Montag eine Entscheidung getroffen, durch die die | |
| AnwohnerInnen auf Jahrzehnte ihre Ruhe haben werden – nicht vor | |
| Verkehrslärm, aber vor „neuartigen“ Verkehrsformen, oder was sie sonst so | |
| fürchten: Ist die Straßendecke zu, wird so bald nicht wieder umgebaut. | |
| Am Ende machte nur Jörg Windszus von der Linken den Don Quijote und stimmte | |
| für die Verkehrsberuhigung. Persönlich könne er die Niederlage einstecken, | |
| die „vertane Chance für die Zukunft der Stadt“ aber sei „richtig schade�… | |
| so Windszus. | |
| 28 May 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan-Paul Koopmann | |
| Jan-Paul Koopmann | |
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