# taz.de -- Katholikentag in Regensburg: Gottes reicher Segen | |
> Die Gläubigen feiern noch bis Sonntag in Regensburg, einer reichen | |
> Diözese. Der Papst fordert eine Kirche der Armen. Wie geht das zusammen? | |
Bild: Ministranten im Regen: Die Christi-Himmelfahrt-Messe beim Katholikentag i… | |
REGENSBURG taz | Gold, Opulenz, Fülle. Die Alte Kapelle in Regensburg ist | |
voll mit Skulpturen, verspielten Elementen, farbenprächtigen Bildern. | |
Clemens Neck schaut von hinten über die Sitzbänke nach vorn auf den Altar | |
der Stiftskirche, fährt mit seinem Arm durch den Raum und sagt: „Das ist | |
Ausdruck des Himmels.“ | |
Clemens Neck ist der Sprecher des Regensburger Bischofs Rudolf Voderholzer. | |
Neck und Voderholzer haben jede Menge zu tun in diesen Tagen. Seit Mittwoch | |
findet in der ostbayerischen Stadt der 99. Katholikentag statt, ein | |
Großevent mit über 1.000 Veranstaltungen und über 30.000 Dauergästen. 9.000 | |
Gemeinschaftsquartiere stehen zur Verfügung und rund 4.000 Privatangebote. | |
Die Hotels sind ausgebucht, die Straßen verstopft, die Marktplätze mit | |
Bühnen und Ständen zugebaut. Es gibt Großgottesdienste, Konzerte, Reden, | |
Kollekten. | |
Das Ganze kostet fast 9 Millionen Euro. Geld, das sinnvoll angelegt ist, | |
wie Neck, 52, findet: „Wir Katholiken wollen in der Gesellschaft unsere | |
Positionen stark machen.“ Das sind zum Beispiel die Positionen seines | |
Chefs. Der Regensburger Bischof wird zu den Dogmatikern gezählt, die | |
vertreten die „reine Lehre“: Pflichtzölibat, Ausschluss Geschiedener und | |
Wiederverheirateter von den Sakramenten, keine Frauenordination, keine | |
Pille danach. Neck steuert auf das Weihwasserbecken in der Alten Kapelle | |
zu, benetzt und bekreuzigt sich, fällt auf die Knie. | |
## Prosperierende Stadt | |
Von den 9 Millionen Euro für das religiöse Großfest bringt die Kirche nur | |
etwa ein Drittel auf, einen Großteil jedoch finanzieren der Freistaat | |
Bayern, das Bundesinnenministerium sowie Stadt und Landkreis Regensburg. | |
Neck tritt vor die Kirchentür. Die Leute draußen lachen, Jugendliche rollen | |
auf Skateboards vorbei, ein Kellner bringt Cocktails an einen Tisch in | |
einem Straßencafé. Neck zündet sich eine Zigarette an. Er schwitzt. | |
Warum kommt die katholische Kirche für ihr Glaubensfest nicht selbst auf? | |
Rund 200 Milliarden Euro soll die katholische Kirche in Deutschland | |
besitzen, hat der Sozialwissenschaftler Carsten Frerk ausgerechnet: | |
Geldanlagen, Grundbesitz, Immobilien. Die Diözese Regensburg beziffert | |
ihren Jahreshaushalt mit über 350 Millionen Euro. Zum Vermögen gehören eine | |
Brauerei und zahlreiche Grundstücke, auf denen Geschäfte und Hotels stehen. | |
Auch sonst ist Regensburg eine begüterte Stadt. Die Arbeitslosigkeit ist | |
mit knapp 4,5 Prozent gering, das durchschnittliche Bruttoeinkommen liegt | |
bei 4.356 Euro monatlich – etwa 140 Prozent des Bundesdurchschnitts. | |
## Papst in Badelatschen | |
In diesen Tagen kommen in Regensburg Menschen zusammen, deren geistlicher | |
Führer, der Papst, allerdings in eine andere Richtung steuert, in die | |
entgegengesetzte. Papst Franziskus will eine „Kirche der Armen“. Jorge | |
Mario Bergoglio stammt aus Argentinien, einem Land mit großen sozialen | |
Gegensätzen, er will mehr soziale Gerechtigkeit auf der Welt – und fängt | |
zunächst bei sich selbst an. | |
Im Vatikan wohnt er nicht im Apostolischen Palast, sondern im Gästehaus. Er | |
läuft in Gesundheitsschuhen herum, notiert seine Termine in einem | |
Papierkalender. Er hat seine Harley, ein Geschenk, versteigert. Zu seinem | |
77. Geburtstag im Dezember hat er vier Obdachlose eingeladen. | |
Wie passt das zusammen – der Reichtum der Kirche und das Armutsgebaren des | |
Papstes? | |
## "Keine gute Entwicklung" | |
Eiersalat, Brot, Griespudding, Tee. Die Schlange in der Suppenküche des | |
Franziskanerklosters in Pankow, einem bürgerlichen Stadtteil im Osten | |
Berlins, ist lang. Es ist 9 Uhr am Morgen. „Eiersalat macht satt“, sagt die | |
Frau hinter der Essensausgabe und patscht noch eine Kelle auf den Teller. | |
Seit 22 Jahren versorgt die Suppenküche des katholischen Bettelordens hier | |
Bedürftige mit Frühstück oder Mittagessen. Mittlerweile kommen jeden Tag | |
bis zu 450 Frauen und Männer her. Obdachlose, Arbeitslose, Einsame, | |
Alleinerziehende. | |
Die Kirche hat in den vergangenen hundert Jahren „keine gute Entwicklung | |
genommen“, findet Bruder Andreas, 47. Er sitzt in einem modernen Büro im | |
Kloster, trägt eine randlose Brille, Hose, T-Shirt, Hemd und ein Holzkreuz | |
auf der Brust. Bruder Andreas leitet die Suppenküche und ist auf Spenden | |
angewiesen. Ungefähr 350.000 Euro kommen jedes Jahr zusammen. Davon werden | |
die vier festangestellten Mitarbeiter bezahlt, Kleiderkammer, Küche, Strom. | |
Es gibt viele Ehrenamtler, aber das Geld reicht trotzdem nicht. | |
„Franziskus’ Impulse sind längst überfällig“, sagt er: „Die Kirche m… | |
ihren Reichtum endlich anderen zur Verfügung stellen.“ Bruder Andreas sagt | |
das oft. Aber Bruder Andreas hat ein Problem: Sein Orden gehört zwar zum | |
katholischen System, aber er ist klein. Die Amtskirche nimmt ihn nicht | |
richtig ernst. | |
In Regensburg tritt Clemens Neck in die Mitte der Alten Kapelle. Er blickt | |
zur hohen Decke und sagt versonnen: „Das ist geistiger Reichtum.“ Ohne den | |
Blick zu senken, redet er weiter. Über Frömmigkeit, religiöse Bindungen und | |
wie „klasse“ er es finde, dass Deutschland Geld für Flüchtlinge ausgibt. | |
Unaufgefordert erzählt er was von „erotischer Liebe“ und dass er seiner | |
Frau treu sei. Obwohl ihm das mitunter schwerfalle. Er steigt tief in die | |
Kirchengeschichte ein und in die Chronik der Stadt. Neck beherrscht sein | |
Metier, als Pressesprecher muss er sein „Unternehmen“, das Bistum, | |
schillernd verkaufen. Aber eben auch nicht zu schillernd. Fragen nach | |
schwarzen Kassen, gefälschten und unvollständigen Bilanzen, nach dem | |
Skandal um den überteuerten Limburger Bischofsbau weicht Neck aus. Er | |
antwortet dann mit einem Bibelzitat. Oder mit einer Gegenfrage. | |
Er sagt Sätze wie: „Armut ist kein Selbstzweck.“ Und: „Man darf der Kirc… | |
nicht ihre Handlungsfähigkeit nehmen.“ Schließlich investiere sie auch, das | |
Bistum Regensburg beispielsweise rund 56 Millionen Euro in den Bau und die | |
Sanierung von rund 2.000 Kirchen und Kapellen, in 400 katholische Kitas und | |
in 63 katholische Schulen. Das klingt, als handele es sich um einen Akt der | |
Großmut. | |
Tatsächlich zahlt vor allem der Staat für Kitas und Schulen: 85 Prozent der | |
Kosten für konfessionelle Bildungseinrichtungen werden durch öffentliche | |
Gelder gedeckt, nur 5 Prozent kommen von der Kirche. Den Rest zahlen die | |
Eltern. Neck sagt: „Eltern sollten sich möglichst frei entscheiden dürfen, | |
in welche Schule sie ihr Kind schicken. Weil die Kirche solche Schulen | |
anbietet, haben die Eltern die Wahl. Das kirchliche Angebot ist ein Dienst, | |
der diese Wahlfreiheit ermöglicht.“ Oder anders ausgedrückt: Nicht der | |
Staat gebe der Kirche Geld, sondern die Kirche tue dem Staat einen | |
Gefallen. | |
## Bessere Gehälter | |
Solche Sätze ärgern Sigrid Grabmeier. Sie läuft durch Regensburg, schüttelt | |
den Kopf und sagt: „Typisch.“ Grabmeier ist sehr gläubig und gehört zur | |
Organisation Wir sind Kirche. Die will die Institution von innen heraus | |
verändern: Die Kirche müsse sich endlich dem Leben anpassen. Der Papst gehe | |
da in die richtige Richtung. Zur Kirchenreform gehört für Grabmeier, 52, | |
auch ein anderer Umgang mit dem kircheneigenen Reichtum. Sie steht jetzt in | |
St. Emmeram, einem weiteren prunkvollen Gotteshaus in Regensburg. „Für | |
meine religiösen Gefühle brauche ich solchen Protz nicht“, sagt sie. | |
Kunsthistorisch weiß die Ethnologin die Ausstattung der Kirchen durchaus zu | |
schätzen. „Aber die Kirche soll lieber ihre Angestellten angemessen | |
bezahlen und sie arbeitsrechtlich korrekt behandeln.“ | |
Damit spielt sie auf Fälle an wie den der Leiterin einer katholischen Kita | |
in Königswinter, die gekündigt worden war, weil sie sich scheiden ließ. | |
Oder auf den entlassenen Chefarzt in einem katholischen Düsseldorfer | |
Krankenhaus. Sein Vergehen: Er hatte ein zweites Mal geheiratet. | |
Das Bistum Regensburg ist reich, sagt Grabmeier. Aber wie reich wirklich, | |
das wisse kaum jemand. Der Bischof verwalte das Vermögen nach Gutdünken, | |
Grabmeier bezeichnet es daher als „monarchisches Vermögen“. | |
Transparenz? Die Frau winkt ab: „Der Bischof veröffentlicht nur das, was er | |
veröffentlichen muss.“ Den Kirchensteuerhaushalt zum Beispiel. Und wenn auf | |
der Homepage des Bistums weitere Finanzberichte erscheinen, seien die so | |
undurchsichtig, dass „da niemand durchblickt“. | |
Noch bis Sonntag geht es hoch her in Regensburg. Die Preise sind nach oben | |
geschnellt, die Stadt macht Kasse. Auch Bruder Andreas ist beim | |
Katholikentag dabei. Der Bettelmönch in der reichen Diözese. Er sagt, das | |
sei „der Stachel im Fleisch“. | |
30 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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