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# taz.de -- Hohe Missbrauchszahlen: Behörden kommen nicht hinterher
> Kindesmissbrauch bleibt auf konstant hohem Niveau. Jugendämter sind
> überfordert, Ermittlern fehlt Personal und im Netz verbreiten sich Bilder
> rasant.
Bild: „Jeder Fall eine Tragödie“: BKA-Präsident Jörg Ziercke.
BERLIN taz | Es bleibt trauriger Teil des Alltags: Gewalt gegen Kinder
bleibt auf konstantem Niveau. Jörg Ziercke, Präsident des
Bundeskriminalamtes (BKA), nannte am Dienstag bei der Vorstellung aktueller
Zahlen „jeden einzelnen Fall eine Tragödie“.
Demnach wurden im vergangenem Jahr 153 Kinder durch Gewaltverbrechen
getötet – 14 weniger als 2012, letztlich aber im Durchschnitt der letzten
Jahr. Die Zahl der Misshandlungen stieg leicht von 3.998 auf 4.051 Fälle.
Hier war nach Jahren des Anstiegs 2012 ein leichter Rückgang verzeichnet
worden – der sich nun wieder egalisierte. Auch sexuelle Gewalt gegen Kinder
blieb mit 14.877 Opfern etwa auf gleichem Niveau der Vorjahre.
Ziercke nannte die Zahlen „keine Entwarnung“. Gewalt gegen Kinder müsse
noch früher erkannt werden. Ziercke appellierte, in Verdachtsfällen öfter
Anzeigen zu stellen. „Wer wegschaut, macht sich mitschuldig.“ Rainer
Becker, Vorsitzender der Deutschen Kinderhilfe, kritisierte die „löchrige
Kinder- und Jugendhilfe“ in Deutschland. Diese bedürfe einer
„Generalüberholung“, die auf einheitliche Standards, Experten und eine
Langfrist-Finanzierung setze.
Das Problem nur: Die Behörden sind mit den Gewaltfällen überfordert.
Kathinka Beckmann, Sozialforscherin zu Kinderschutz, berichtete von
„massiver Überlastung“ der Jugendämter. Betreue ein/e SozialarbeiterIn in
NRW etwa 30 Fälle, seien es in Teilen Berlins bis zu 160.
Und auch das BKA steht vor Problemen. Durch das Internet habe sich die
Verbreitung von Kinderpornographie „vertausendfacht“, sagte Ziercke. 6.691
Fälle erfasst das BKA im letzten Jahr – 944 mehr als im Vorjahr. Längst
aber kein Höchstwert: 2007 waren es 11.704 Delikte. Ziercke selbst nannte
die Zahlen „nur einen Anhaltspunkt“. Das Dunkelfeld sei „enorm“. Das BKA
habe im Bereich Kinderpornographie aber nur knapp 30 Ermittler. Hier müsse
man Prioritäten setzen und zuerst Fälle angehen, in denen ein fortgesetzter
Missbrauch von Kindern drohe.
Das Thema gewann jüngst durch die Edathy-Affäre an Aufmerksamkeit. Gegen
den einstigen SPD-Abgeordneten wird wegen des Besitzes von
Kinderpornographie ermittelt. Die Bundesregierung will künftig nun auch
„Posing-Bilder“, sexuell aufgeladene Aufnahmen nackter Kinder, unter Strafe
stellen.
Zudem wird Anfang Juli ein Untersuchungsausschuss zum Fall Edathy starten.
Auch dort wird Ziercke geladen sein, dessen Haus die Ermittlungen
monatelang verschleppte. Kritik wies der BKA-Chef am Dienstag zurück: Er
hoffe, dass der Ausschuss das Thema Kindesmissbrauch in den Mittelpunkt
rücke, nichts Anderes.
10 Jun 2014
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Kindesmissbrauch
Sexuelle Gewalt
BKA
Jörg Ziercke
Sebastian Edathy
Missbrauch
Sebastian Edathy
Mark Zuckerberg
Sebastian Edathy
Sexuelle Gewalt
Pädophilie
Heinrich-Böll-Stiftung
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