# taz.de -- Religion im Unterricht: Muslime gegen Integration | |
> Ditib und Schura wollen Teilnahme am neuen Religionsunterricht nicht | |
> empfehlen: Sie hätten lieber mehr Glaubensinhalte in die Lehrpläne | |
> geschrieben. | |
Bild: Ein Besuch der Fatih-Moschee gehört schon lange zum Standard des Biblisc… | |
BREMEN taz | Für Kritik und bittere Enttäuschung haben Ditib und Schura | |
Bremen mit der Ankündigung gesorgt, den von der Bildungssenatorin | |
vorgelegten Kompromiss zum neuen Religionsunterricht nicht mitzutragen: | |
„Wir werden den Unterrichtsbesuch in unseren Gemeinden nicht empfehlen“, | |
sagte der Schura-Vorsitzende Ismaïl Baser. | |
Statt dem im Bildungsplan skizzierten Religionskunde-Unterricht hätte man | |
gerne „die eigenen Inhalte eingebracht“, so Baser. „Wir wollen einen | |
konfessionellen Unterricht, so wie in anderen Bundesländern auch.“ Das habe | |
man „schon immer so“ gefordert“, behauptet er. Auf die Frage nach konkret… | |
Mängeln des auf über 44 Seiten entwickelten künftigen Fachprofils hört man | |
indes nur dürre Verweise auf die „allgemein christliche Grundlage“ die der | |
Unterricht auch künftig laut Landesverfassung haben wird: „In der | |
Stellungnahme der evangelischen Kirche heißt es, man erkenne an, dass ein | |
Akzent auf der christlichen Tradition liege“, so Baser. „Muss ich mehr | |
sagen?“ | |
Kein Mensch muss müssen. Denn dies ist ein freies Land. Doch, dass die eine | |
Seite mit einem Kompromiss zufrieden ist, wird stets ein schwaches Argument | |
dafür sein, ihn abzulehnen. Zumal wenn die politische | |
Grundsatzentscheidung, die zu ihm geführt hat, schon 2012 gefallen war. | |
Zwar hatten ursprünglich die Grünen eine Änderung von Verfassungs-Artikel | |
32 gefordert: Stehen bleiben sollte, dass der Unterricht wie bislang | |
„bekenntnismäßig nicht gebunden“ ist – weshalb ihn auch Atheisten, Morm… | |
und Hinduisten erteilen dürfen. Der Name und die Grundlage des Fachs wären | |
weiter zu neutralisieren gewesen. Doch das war der SPD und, dem Vernehmen | |
nach, allen voran Bürgermeister Jens Böhrnsen zu unfromm erschienen. Sodass | |
seither allen Beteiligten klar ist, dass darum gerungen werden muss, in | |
diesem Rahmen ein für alle erträgliches Modell zu entwickeln. Renate | |
Jürgens-Pieper (SPD) hatte dafür erst ein merkwürdiges | |
online-Beteiligungsverfahren implementiert, dessen Ergebnisse nie offiziell | |
veröffentlicht wurden. Später installierte sie einen Expertenrat der | |
Religiös-Erfüllten. Von dessen Ergebnissen war ihre Nachfolgerin Eva | |
Quante-Brandt (SPD) offenbar nicht überzeugt. Sie legte die Arbeit in die | |
Hände der pädagogischen Fachleute, und „wir sind eigentlich richtig stolz | |
auf unser Produkt“, so der Direktor des Landesinstituts für Schule, Wolff | |
Fleischer-Bickmann zur taz. „Uns ist, glaube ich, damit wirklich gelungen, | |
ein wirklich interkonfessionelles Fach zu entwerfen.“ | |
Gerade vor diesem Hintergrund habe die Fundamental-Ablehnung durch die | |
Islam-Verbände „uns doch sehr überrascht“. Auch bei der Konsultation hät… | |
sowohl Schura als auch Ditib „zum Bildungsplan selber so gut wie gar nicht | |
Stellung genommen“. Stattdessen nur die Idee, einen konfessionellen, von | |
den Religionsgemeinschaften inhaltlich gesteuerten Glaubensunterricht | |
einzuführen. Den garantiert Grundgesetz-Artikel 7 – außer in den Ländern, | |
in denen „am 1. Januar 1949 eine andere landesrechtliche Regelung bestand“, | |
wie Artikel 141 eine Ausnahme bestimmt: Die Bremer Klausel. Die aufzugeben | |
– das stand in Bremen bislang nie zur Diskussion. „Das wäre aus meiner | |
Sicht auch ein Rückschritt“, so der Didaktiker Fleischer-Bickmann. | |
Auch wenn sie heute wie die Fixierung eines exklusiven Zugangsrechts | |
klingen mag, tatsächlich lag der 1947 beschlossenen landesrechtlichen | |
Regelung ein integrativer Impuls zugrunde: Es ging darum, die erstarkte | |
katholische Minderheit für eine Idee des gemeinsamen Unterrichts über | |
letzte Fragen zu gewinnen. Und diesen Impuls nimmt der Bildungsplan-Entwurf | |
nun auf, wenn er die „neue religiöse und weltanschauliche Heterogenität“ | |
als „Ausgangspunkt und gesellschaftliche Voraussetzung des Faches“ | |
definiert. | |
Die christliche Grundlage werde längst „nicht mehr als zwingende | |
pädagogische Norm“ interpretiert, urteilt auch Religionslehrer-Ausbilder | |
Manfred Spieß. „Gerade um der SchülerInnen willen“ hoffe er auf eine | |
Rückkehr der islamischen Dachvereine an den Verhandlungstisch. | |
Darauf gibt es kaum Hoffnung: Die SchülerInnen, von den Eltern unzureichend | |
religiös unterwiesen, „müssen doch erst ihren eigenen Glauben kennen | |
lernen“, so Schura-Chef Baser. Und das sei „der von ihren Vätern und | |
Müttern“ – obwohl die ihn ja doch gar nicht weitergeben. Als Zeichen gegen | |
Integration will Baser den Ausstieg aus der Fach-Diskussion der Behörde | |
dabei nicht verstanden wissen: „Meinen Sie, diese eine Stunde pro Woche | |
wäre entscheidend?“ Er jedenfalls verfolge nur das Interesse, das jede | |
Religionsgemeinschaft im Grunde teilen müsse. | |
11 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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