# taz.de -- Spieleautorentreffen in Göttingen: Hydra-Herzen und Menschenaffen | |
> Das klassische Gesellschaftsspiel lebt, auch in Zeiten von Online- und | |
> Smartphone-Gaming. Am Wochenende trafen sich rund 200 Autoren zum | |
> Austausch. | |
Bild: Ein bisschen Memory, ein bisschen „Mensch ärgere dich nicht“: Rememb… | |
GÖTTINGEN dpa | „Es kommt auf die richtige Strategie an“, sagt Henning | |
Poehl. „Die sieben Herzen der Hydra“ heißt das neueste Gesellschaftsspiel | |
des 48-Jährigen Fachlehrers aus der Nähe von Heidelberg. „Wer gewinnen | |
will, braucht aber auch etwas Glück beim Würfeln“. Pohl ist einer von rund | |
200 Erfindern, die am Wochenende in Göttingen neue Gesellschaftsspiele | |
präsentiert haben. | |
Seit der Spieleautor Reinhold Wittig 1982 erstmals andere Erfinder nach | |
Göttingen bat, um sie mit Spielverlagen in Kontakt zu bringen, ist das | |
jährliche Treffen von Jahr zu Jahr gewachsen. „Autoren kommen nicht nur aus | |
Deutschland, sondern auch aus dem europäischen Ausland“, sagt Wittig. In | |
diesem Jahr wurden in Göttingen rund 400 Prototypen von | |
Gesellschaftsspielen gezeigt, vor allem Brett- und Kartenspiele. | |
Organisator Wittig, der studierter Geologe ist, präsentiert selbst | |
„Richterskala“, ein Spiel rund um Erdbeben. | |
„Das klassische Gesellschaftsspiel ist nicht tot“, sagt die | |
Wissenschaftlerin Stefanie Kuschill vom [1][Deutschen Spielearchiv in | |
Nürnberg], die in Göttingen seit Jahren neuen Trends auf der Spur ist. | |
„Computerspiele sind jedenfalls keine Konkurrenz“. Wer an PC, Tablet oder | |
Smartphone spiele, lasse sich vielfach auch zu Gesellschaftssielen | |
motivieren. „Nur wer schon als Kind ständig vor dem Fernseher sitzt, spielt | |
später eher nicht.“ | |
Die Schülerin Melissa Paulick aus Gera in Thüringen gehört nicht zu diesen | |
Kindern. Im Gegenteil: Die Zwölfjährige hat sich selbst ein Spiel | |
ausgedacht und mit Hilfe von Opa und Onkel gebaut. „Gehirnjogging auf dem | |
Weg zum Einstein“, heißt es. Wer geschickt würfelt und zusammen mit einem | |
Partner Fragen aus verschiedenen Wissensgebieten am besten beantwortet, | |
darf Einstein von seinem goldenen Sockel holen und selbst dort Platz | |
nehmen. | |
Ein Veteran der Spieleautorentreffens ist Fred Horn aus Den Haag in den | |
Niederlanden. Seit Mitte der Neunziger Jahre zeigt der frühere | |
Regierungsbeamte beim Autorentreffen, was er sich hat einfallen lassen. | |
Diesmal ist es eine Mischung aus „Mensch Ärgere dich nicht“ und Memory. | |
Rund 30 seiner Spiele seien im Lauf der Jahrzehnte veröffentlicht worden, | |
sagt Horn. Ein großer kommerzieller Erfolg war zwar nicht darunter. „Aber | |
es ist ein schönes Hobby.“ | |
Die Spieleverlage kommen nach Göttingen, um interessante Neuheiten zu | |
entdecken. In der Vergangenheit ist dies immer wieder gelungen. Viele der | |
beim Autorentreffen erstmals gezeigte Spiele wurden später große Erfolge, | |
etwa "Das verrückte Labyrinth, „Barbarossa“ oder „Adel verpflichtet“. … | |
hofft natürlich immer, dass eine Spielidee einen großen Verlag überzeugt“, | |
sagt Autor Poehl. Ganz leicht sei das nicht, meint Organisator Wittig. „Die | |
Chance, dass ein Spiel veröffentlicht wird, ist vielleicht eins zu zehn.“ | |
Der Göttinger Anthropologe Markus Port, der neu ist beim | |
Spieleautorentreffen, kann sich dennoch vorstellen, dass sein Erstlingswerk | |
diesen Sprung schafft. Der promovierte Wissenschaftler mit dem | |
Spezialgebiet Affenforschung präsentiert „Primaten“. Dabei müssen | |
Menschenaffen ein Territorium erobern und sich Nahrungsressourcen sichern, | |
um Weibchen anzulocken. Ziel ist die Vermehrung der Art. „Die Idee zu dem | |
Spiel, bei dem es um die Prinzipien der Entwicklungsbiologie geht, hatte | |
ich schon lange“, sagt der 39-Jährige. „Das Feedback ist gut.“ | |
15 Jun 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.museen.nuernberg.de/spielearchiv/ | |
## AUTOREN | |
Matthias Brunnert | |
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