# taz.de -- Crowdfunding für Brettspiel: Wird es zu heiß, haben alle verloren | |
> Vor neun Jahren hat der Oldenburger Umweltökonom Klaus Eisenack gemeinsam | |
> mit seinem Doktorvater das Klimaschutzspiel „Keep Cool“ entwickelt - aus | |
> Langeweile. | |
Bild: Klaus Eisenack und sein mittlerweile verstorbener Doktorvater Gerhard Pet… | |
OLDENBURG taz | „Wir müssen dringend ein paar schmutzige Fabriken abreißen, | |
sonst können wir den Klimakollaps nicht mehr abwenden!“ Das ist so ein | |
Satz, den man – hoffentlich – auf Klimakonferenzen hört. Vielleicht ein | |
wenig anders formuliert. Und auch die mögliche Antwort „Gute Idee. Aber | |
nicht bei mir!“ kommt einem aus der Berichterstattung aus Kyoto, Rio oder | |
Bali bekannt vor – aus den Orten, an denen über Klimaschutz verhandelt | |
wurde. In diesem Fall aber geht es um das Brettspiel „Keep Cool“. Hier geht | |
es um das gleiche große Thema: die Rettung des Planeten vor der | |
Klimakatastrophe. | |
Ein gewisser Hang zum Sarkasmus mag vielleicht hilfreich sein, wenn man | |
sich an den Tisch setzt, um spielerisch die globale Erwärmung abzuwenden. | |
Oder sie wenigstens klein zu halten. | |
„Keep cool“ simuliert den Klimawandel und seine Folgen. Auf Ereigniskarten | |
drohen Erdrutsche, Dürren oder Hochwasser, mit deren Auswirkungen die | |
Spieler fertig werden müssen. Vor allem aber simuliert es die mal mehr, mal | |
weniger ernsthaften Versuche, die globale Erwärmung zu bändigen. | |
Im Vordergrund steht die Klimapolitik, in der die Spieler verschiedene | |
Ländergruppen vertreten – Entwicklungs- und Schwellenländer etwa, die | |
Opec-Staaten, Europa oder die USA. Jede Partei hat eigene Zielsetzungen, | |
eigene Interessen – und eigene Lobbyverbände, die dem Spieler mitunter im | |
Nacken sitzen. | |
„Es ist kein Spiel, bei dem man automatisch gewinnt, weil man grün ist oder | |
automatisch verliert, wenn man schwarz ist“, sagt Entwickler Klaus | |
Eisenack. „Das wäre ja langweilig.“ Die beiden Farben Grün und Schwarz | |
symbolisieren im Spiel weniger die politische Gesinnung, als vielmehr die | |
Wirtschaftsleistung in Form von Klötzchen, die Fabriken darstellen. Die | |
Grünen sind umweltfreundlich und verzögern die Erderwärmung, die Schwarzen | |
sind Dreckschleudern und, zumindest am Anfang, billiger als die grünen. Und | |
manche Spielparteien profitieren von schwarzen Fabriken mehr als von | |
grünen. Man ahnt bereits, wo das hinführt. | |
Vor neun Jahren kam „Keep Cool“ erstmals auf den Markt, die ersten drei | |
Auflagen sind mittlerweile vergriffen. Zurzeit ist eine vierte Auflage in | |
Vorbereitung, finanziert werden soll sie durch Crowd Funding. Denn reich | |
geworden ist Eisenack, Umweltökonom an der Uni Oldenburg, mit dem Spiel | |
nicht gerade. Es ist nach wie vor etwas, um das er sich nebenher kümmert. | |
Entwickelt hatte er es mit seinem mittlerweile verstorbenen Doktorvater, | |
dem Physiker Gerhard Petschel-Held – beide wissenschaftlich mit dem | |
Klimawandel beschäftigt, beide Spielefreaks. Als sie sich eines Tages am | |
Rande einer Tagung im Hotel langweilten, entwarfen sie die Grundzüge für | |
„Keep Cool“. | |
Spaß sollte es machen, sagt Eisenack, das sei ihnen wichtig gewesen – „kein | |
erhobener Zeigefinger und kein didaktisches Lehrerding“. Der | |
naturwissenschaftliche Kontext sollte dennoch nicht zu kurz kommen, die | |
beiden haben Rückmeldungen von Kollegen und Kolleginnen eingeholt, und ein | |
dem Spiel beigelegtes Heftchen erläutert in Grundzügen den Mechanismus des | |
Treibhauseffekts und erklärt, wie er im Spiel abgebildet wird. | |
Etwa in Form der „Währung“, in der die Spieler untereinander schachern, | |
ihre Wirtschaft in Schwung bringen oder sich bestechen. Bezahlt wird mit | |
Kohlenstoff in Form von kleinen Ringen, die sich zu Spielbeginn auf einem | |
Holzständer befinden. Im übertragenen Sinne noch unter der Erde. Solange | |
sie dort bleiben, ist alles halbwegs gut. Sobald aber immer mehr von ihnen | |
ins Spiel – sprich: in die Atmosphäre – gelangen, heizt sich der Planet | |
unweigerlich auf. Und wenn der letzte Ring vom Ständer genommen wird, ist | |
er da, der Klimakollaps. Und alle haben verloren. „Passiert unerfahrenen | |
Spielern häufig“, sagt Eisenack: „Nach einigen Partien kann man es dann | |
besser abschätzen, wann es ernst wird.“ | |
Das ist der Vorteil des Spiels gegenüber der Wirklichkeit: Ist die erste | |
Chance, die Erde zu retten, vertan, bekommt man beliebig viele neue. Man | |
fängt einfach von vorn an und spielt so lange weiter, bis die Rettung | |
gelungen ist. | |
Eisenack spielt auch mit seinen Studierenden „Keep Cool“, und es waren auch | |
Studierende, die ihn auf das Crowd Funding gebracht hatten. „Eine spannende | |
Sache“, findet Eisenack, weil damit nicht nur Geld reinkommt, sondern auch | |
ein Austausch mit interessierten Leuten stattfindet. | |
Überhaupt bekommt er bis heute Rückmeldungen von Brettspielfans, die auch | |
immer wieder mit Vorschlägen kommen, welche Elemente man dem Spiel | |
hinzufügen könnte, etwa Formen des Geo-Engineerings oder Kriegführung. | |
Letzteres wolle er aber lieber nicht, sagt Eisenack. | |
Er findet es besser, wenn sich die Spieler untereinander verständigen. | |
Schließlich hat jeder seine eigenen Fabriken und seine eigene Strategie, | |
aber alle ziehen ihre Kohlenstoffscheibchen vom selben Ständer. Um die | |
Erwärmung zu verzögern, müssen sie Wege finden, mit dem Komplex aus | |
Partikularinteressen, Industrieentwicklung und Unwetterkatastrophen | |
umzugehen – das Spiel gibt für Verhandlungen untereinander kaum Regeln vor. | |
Letztlich, sagt Eisenack, sei der Kern des Spiels auch der Kern des | |
Problems in der realen Welt – nämlich das Dilemma: Wer trägt die Kosten des | |
Klimaschutzes? | |
## Mehr zum Spiel auf der Internetseite | |
5 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Maik Nolte | |
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