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# taz.de -- Phosphat im Essen: Behörden wiegeln ab
> Phosphatzusätze in Lebensmitteln stehen neuerdings im Verdacht, auch für
> Gesunde schädlich zu sein. Künstliche Phosphate gehen ins Blut über.
Bild: Fastfood enthält besonders viel an Phosphatzusätzen.
MÜNCHEN taz | Fast Food gilt als ungesund. Leere Kohlenhydrate, schlechtes
Fett, zu viel Salz und Zucker sowie der Einheitsgeschmack lassen Burger,
Pommes und Bratwurst in keinem guten Licht dastehen. Doch Mediziner haben
einen neuen Stoff gefunden, der sich in großen Mengen in Schmelzkäse,
Softdrinks und Currywurst verbirgt und der im Verdacht steht, Herzen,
Nieren und Knochen zuzusetzen. Laut einer kürzlich veröffentlichten
Langzeitstudie im American Journal of Clinical Nutrition könnte Phosphat im
Essen sogar das Leben verkürzen.
Künstlich beigemischtes Phosphat ist schon seit einigen Jahren ins Visier
von Nierenspezialisten geraten. Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion
wird darum von zu viel Fast Food und Fertigprodukten abgeraten. Denn wenn
übermäßig viel Phosphat im Blut schwimmt, kann das eigentlich
lebenswichtige Mineral nicht mehr richtig herausgefiltert werden, und das
schadet dem Herz-Kreislauf-System.
Nun wird jedoch debattiert, ob nicht vielleicht auch gesunde Menschen
Probleme bekommen, wenn sie zu viel Phosphat in Form von E339, E340, E341,
E450, E451 oder E452 aufnehmen. Denn diese künstlichen Phosphate gehen
komplett vom Darm ins Blut, während Phosphat aus Milchprodukten, Nüssen
oder Getreide an Ester und Phytin gebunden ist, was es nur bruchstückhaft
resorbierfähig macht.
Sogar eine proteinreiche Diät, wie sie derzeit bei Übergewichtigen zum
Abnehmen beliebt ist, hat keine negativen Auswirkungen auf den
Phosphathaushalt, hat vergangenes Jahr eine US-Studie gezeigt.
Immer häufiger essen Menschen jedoch Fertigprodukte oder außer Haus. Und in
diesen vorgefertigten Produkten steckt oft viel Phosphat. Seit den 90er
Jahren hat sich die Aufnahme von künstlichem Phosphat von 500 mg
(Milligramm) auf 1.000 mg verdoppelt. Rechnet man das natürlich vorkommende
Phosphat dazu, dann nehmen Europäer zwischen 1.000 und 1.400 mg täglich auf
– weit über dem Bedarf von 700 mg.
## Billige Fertigprodukte und Fastfood
Studien zeigten auch, dass vor allem schwächere soziale Schichten einen
erhöhten Phosphatspiegel im Blut haben – womöglich weil hier oft billige
Fertigprodukte und Fast Food auf den Tisch kommen. Das Mineral dient als
Konservierungsmittel, als Geschmacksverstärker in Fleischprodukten, ist
Bestandteil von Schmelzsalzen in Käse, zudem hält es etwa Kaffeepulver
rieselfähig. In Softdrinks kommt Phosphor in großen Mengen als
Säuerungsmittel zum Einsatz.
Wenn nun viel von diesem zugesetzten Phosphat ins Blut gelangt, sorgt ein
Hormon (FGF-23) dafür, dass überschüssiges Phosphat über die Niere
ausgeschieden wird. Doch dieses Hormon verursacht Kollateralschäden am
Herzen. Die linke Herzkammer vergrößert sich etwa oder die Gefäßzellen
verkalken. Auch erhöhtes Phosphat selbst ist eine Gefahr für Herz und
Gefäße.
Epidemiologische Studien haben gezeigt, dass schon leicht erhöhte
Phosphatwerte im Blut das Risiko für Herzkrankheiten bei Gesunden steigert.
In einer aktuellen Auswertung der US-Langzeitstudie NHANES, bei der fast
10.000 Probanden untersucht werden, war eine Phosphataufnahme von mehr als
1.400 mg mit einer höheren Sterblichkeitsrate verbunden. Trotzdem geben die
Autoren zu bedenken, dass es für einen letztendlichen Beweis
Interventionsstudien bedarf.
## Bei Osteoporose sind die Studien nicht eindeutig
Da Phosphat auch eine wichtige Rollen im Säure-Basen-Haushalt und im
Knochenstoffwechsel spielt, vermuten einige Wissenschaftler auch, dass zu
viel Phosphat zu Osteoporose führen könnte. Gemäß der Säure-Base-Theorie
führt eine Ernährung, die viel säureproduzierende Stoffe wie Eiweiß oder
Phosphat liefert, dazu, dass der Körper aus dem Knochen Mineralien
herausschleust, um den pH-Wert im Blut aufrecht zu erhalten.
Eine aktuelle Übersichtsstudie von Brian Nicoll, Zahnmediziner an der Naval
Dental School in Bethesda, hat jedoch gezeigt, dass die Studienergebnisse
hierzu nicht eindeutig sind. Gemäß Nicoll spielt es eine Rolle, wie viel
Kalzium in der Nahrung steckt. Bei einer säurereichen Ernährung und wenig
Kalzium wird tatsächlich mehr Knochensubstanz abgebaut, während eine
säurereiche Ernährung mit viel Kalzium vor Osteoporose schützt.
Auch gibt es Hinweise, dass zu viel Phosphor das Zappelphilipp-Syndrom
verstärkt. Manche Eltern von Patienten berichten, dass eine phosphatarme
Ernährung die Symptome verbessert. Allerdings sind die Fakten hierzu mehr
als mager. Trotzdem gibt es bereits Bücher, die Nahrungsphosphat als die
heimliche Droge bezeichnen und den Zusatzstoff für Schulversagen und
Jugendkriminalität verantwortlich machen.
Bei den Behörden sieht man trotz der sich verdichtenden Faktenlage in
Sachen Herzgesundheit keinen Handlungsbedarf. Sowohl das Bundesinstitut für
Risikoforschung (BfR) als auch das europäische Pendant, die Efsa wiegeln
ab. Die Efsa schreibt in einer Stellungnahme aus dem Jahr 2005: „Es gibt
keine Nachweise für unerwünschte Wirkungen im Hinblick auf die in den
EU-Ländern derzeit über die Nahrung aufgenommen Phosphormengen.“
## Kennzeichnung gefordert
Kai Hahn, Nierenspezialist in Dortmund, der gemeinsam mit Kollegen vor zwei
Jahren einen aufsehenerregenden Artikel im Deutschen Ärzteblatt
veröffentlicht hat, bezeichnet Phosphatzusätze jedoch als
Gesundheitsrisiko. Wegen der Gefahr fürs Herz engagiert er sich nun seit
Anfang des Jahres 2013 in einer Task Force „Phosphate in Food“.
Er will die Nahrungsmittelindustrie dazu bewegen Menge und Art der
Phosphatzusätze zu kennzeichnen – am besten in Form eines Ampelsystems.
Denn: „Selbst ähnliche Produkte können unterschiedliche Phosphatwerte
aufweisen, wenn sie von unterschiedlichen Herstellern stammen“, sagt Hahns
Kollege Johannes Mann, Wissenschaftler an der LMU München.
Die Efsa hat im vergangenen November Daten von Herstellern eingefordert, um
aufgrund der Ärzteblatt-Studie den Nährstoff neu zu bewerten. Eine
Stellungnahme soll jedoch erst im Jahr 2018 vorliegen.
27 Jun 2014
## AUTOREN
Kathrin Burger
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Lebensmittel
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Prävention
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Ernährung
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