# taz.de -- Die Wahrheit: Darm und Dummheit | |
> Die neue Untersuchung einer Krankenkasse beziffert die verheerenden | |
> wirtschaftlichen Schäden, die von kranken Arbeitnehmern verursacht | |
> werden. | |
Bild: Wegen chronischer Rückenleiden ist sogar manch junger Arbeitnehmer im Al… | |
40 Millionen Fehlstunden jährlich wegen „Rücken“: Der jüngst | |
veröffentlichte Gesundheitsreport 2014 der Techniker Krankenkasse | |
schlüsselt auf, welcher Reibach den Unternehmen durch diverse Leiden Jahr | |
für Jahr durch die Lappen geht. Auf der Basis anonymisierter Daten von über | |
4 Millionen Versicherten ergeben sich erschreckende Einblicke in ein Land, | |
das noch viel effizienter wirtschaften könnte, wenn Körper und Geist der | |
Arbeitnehmer weniger störanfällig wären. | |
Der Report spricht es ganz deutlich aus: Gebrechen vernichten Geld. Vor | |
allem Rückenprobleme schlagen zu Buche. Dabei offenbaren sich große | |
Unterschiede in den Berufsgruppen: Während beispielsweise Wirtschaftsprüfer | |
nur 0,15 Tage wegen Rückenleiden fehlen, sind es bei Altenpflegern, | |
Profi-Wrestlern und Pornostars schon drei bis fünf Tage. Besonders | |
gefährdet sind auch Köche („gespickter Lammrücken“) und Esoteriker | |
(„Gläserrücken“). Für einen Betrieb mit 60 Beschäftigten bedeute das, d… | |
pro Jahr fünf Mitarbeiter zweieinhalb Wochen ausfallen und das Unternehmen | |
drei Monatsgehälter auf das Konto „Rücken“ überweise. | |
Ähnlich schwarze Zahlen schreibt das Konto „Darm“: Durchfälle, | |
Verstopfungen und langwierige Kuren zählen laut Krankenkasse zu den großen | |
Bremsen für ein sattes Bruttosozialprodukt und seien „eh für’n Arsch“, … | |
sich ein Insider zitieren lässt. Zwar schleppten sich viele pflichtbewusste | |
Angestellte mit den Malaisen zur Arbeit – dort säßen sie dann aber | |
stundenlang auf dem Klo und steckten Kollegen an. Dabei litten | |
Unternehmensberater und andere Kreative zumeist an chronischen Blähungen, | |
Astrophysiker an Meteorismus, während Schlachtergehilfen und | |
Schnellgastronomen noch immer der gemeinen Salmonelle zum Opfer fielen. | |
Rüstungslobbyisten dagegen erkrankten bevorzugt an den schwärenden Säften | |
ihrer schwarzen Galle. | |
Um Darmprobleme und Rückenleiden zu minimieren, empfiehlt die Kasse | |
frisches Obst oder wenigstens frische Luft, Rücken- und Analmuskeltraining | |
sowie sich einfach weniger Sorgen zu machen. Unternehmern rät sie, ihre | |
Angestellten effizienzbewusst einzusetzen: Bei guter Behandlung könne eine | |
Krankenschwester bis zu 37 Dienstjahre halten, ohne wirtschaftlich | |
nachteilhafte Bandscheibenvorfällen zu erleiden. Andererseits gäbe es in | |
Pflegeberufen aber genug frisches Material, so dass hier eine | |
„Klotzen-statt-Kleckern“-Business-Strategie ebenso zielführend sein könne. | |
Letztlich habe sich der Angestellte in seiner Freizeit selbst um | |
Ausgleichssport, Schonkost, erfüllenden Sex, Vermeidung von Aufregung (zum | |
Beispiel durch schwererziehbare Kinder oder Schulden) zu kümmern. | |
## Bummelantentum und Untertanen-Fäule | |
Genau daran hapert es aber, wie fast ein Viertel der Datensätze beweist: | |
Hauptausfallgrund der Beschäftigten ist nämlich weder ein lädierter Rücken | |
noch ein widerspenstiger Darm. Vielmehr ergeben sich die meisten Fehlzeiten | |
durch psychische Leiden wie Burn-out, Dienstags-Depression, Morbus Bocklos, | |
Serviles-Sinnlosigkeits-Syndrom, Bummelantentum und Untertanen-Fäule. Als | |
wichtigste Ursache vermuten manche Experten seit Längerem eine Entfremdung | |
der Arbeiter vom Produkt und die Konzentration der Produktionsmittel in den | |
Händen einiger weniger Ausbeuter. Für andere liegt das Problem dagegen eher | |
in einer „unzureichenden Kommunikation zwischen oben und unten“, wie etwa | |
Prof. Dr. Krupp-Koch von der Bonner Joachim-Gauck-Stiftungsprofessur für | |
Rüstungsrhetorik und Kommunikationsdesign diagnostiziert. | |
Am Ende des Berichts benennt die Krankenkasse zwei weitere Faktoren, die | |
der Wirtschaft immensen Schaden zufügten: Kindesmisshandlung und Dummheit. | |
Traumatisierte Kinder gäben in zwei Dritteln der Fälle später schlechtere | |
Arbeitnehmer ab, da sie verstärkt zu Panikattacken, Bettnässen, | |
Depressionen, psychischer Instabilität, Sucht, Obdachlosigkeit und | |
Arbeitsausfall durch Selbstmord neigten. Allerdings zähle ein Drittel | |
dieser Gruppe auch zu den Leistungsträgern, die etwa in Vorstandsetagen | |
oder als Rockstar oder Prostituierte ihre schillernden Erfahrungen gegen | |
Geld an andere weitergäben. Daher empfiehlt die Kasse, dieses Thema | |
weiterhin totzuschweigen und die 10 bis 20 Millionen Betroffenen sich | |
selbst zu überlassen. Das Gleiche gilt laut Report für den Faktor | |
„Dummheit“. Einen öffentlichen Diskurs darüber anzustrengen, bilanzieren | |
die Gesundheitsexperten, ergäbe wenig Sinn. Die Klugen wüssten eh, was | |
gemeint sei, und die Dummen verstünden nicht, worum es gehe. | |
1 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Anselm Neft | |
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