# taz.de -- Frauen im Sportjournalismus: „WM ist die heilige Kuh der Männer�… | |
> Die weibliche Fußballberichterstattung muss eine Marke werden, sagt | |
> Carmen Thomas. Die erste Sportmoderatorin in Deutschland über Männer, | |
> Mäntel, Schuldfragen. | |
Bild: Unkonventioneller in der Berichterstattung: Frauen aufm Platz. | |
taz: Frau Thomas, in der Berichterstattung über die Weltmeisterschaft sieht | |
man kaum Frauen. Interessieren sich Frauen einfach nicht für Fußball? | |
Carmen Thomas: Selbstverständlich gibt es mittlerweile eine ganze Reihe | |
fachlich versierter Sportjournalistinnen, die oft mehrere Sprachen sprechen | |
oder selbst im Profisport waren. Allerdings schaffen sie es meist nicht in | |
die erste Reihe. Die WM ist eben die heilige Kuh der Männer. | |
Die wenigen, die es nach oben schaffen, sehen auffallend gut aus. Ist das | |
Voraussetzung, um eingestellt zu werden? | |
Ja, aber nicht nur. Die Ansprüche an Frauen sind generell sehr hoch. Sie | |
müssen fachlich kompetent sein und atemberaubend schön. Dazu sollten sie am | |
besten noch 15 Jahre Auslandserfahrung mitbringen und selbst erfolgreich | |
Fußball gespielt haben. | |
Sind diese Anforderungen der Grund dafür, dass es immer noch so wenige | |
Frauen in der Sportberichterstattung gibt? | |
Meines Erachtens liegt die Ursache woanders: Bei den wirklich wichtigen | |
Positionen helfen die Männer den Frauen lieber in den Mantel als in ein | |
Amt, das sie selbst gerne hätten oder behalten möchten. | |
Ist es nicht sehr einfach, die Schuld nur bei den Männern zu suchen? | |
Es geht weniger um Schuldfragen als um die Beobachtung, dass bis heute kein | |
Entscheider im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu der Einsicht gelangt | |
ist, dass Frauen in der Fußballberichterstattung einen Mehrwert liefern | |
könnten. Frauen werden immer nur an männlichen Maßstäben gemessen. Sie | |
einfach mal mit weiblichen Sichtweisen anders machen zu lassen und | |
neugierig darauf zu sein statt befremdet – darum geht es. | |
Was genau machen Frauen denn anders? | |
Ich glaube, dass Frauen eine andere Sprache haben, dass sie achtsamer | |
andere Dinge bemerken und wertschätzender in der Kommunikation sein | |
könnten: Das heißt: klarer in der Sache und respektvoller im Umgang. Männer | |
haben oft nur Fußball und Leistung im Auge. Frauen können querdenkerischer | |
und vernetzender denken. Und sie können es sich leisten, unkonventioneller | |
und mutiger zu sein. Die Fallhöhe ist geringer. | |
Endet das Anderssein nicht oft im Klischee? Katrin Müller-Hohenstein, die | |
als einzige Frau prominent von der Weltmeisterschaft berichtet, muss sich | |
oft vorwerfen lassen, dass sie sich zu sehr fürs Menschliche interessieren | |
würde. | |
Katrin Müller-Hohenstein ist eine wirklich kluge, fachlich versierte, | |
charmante und auch noch gut aussehende Journalistin. Für viele Dinge, für | |
die sie an der Ostsee und jetzt in Brasilien gescholten wird, kann sie gar | |
nichts. Wenn sie im Interview neben Podolski die Beine ins Wasser baumeln | |
lässt, dann sind das häufig Einfälle aus der Regie. Die sagen: „Jetzt mach | |
mal was Lockereres.“ Es ist schwer, anderes zu wollen, oder öfter Nein zu | |
sagen, wenn man nicht als zickig abgestempelt werden will. Folge: der | |
Vorwurf von draußen: „Sie biedert sich an.“ | |
Beim Privatsender Sky gibt es deutlich mehr Frauen als bei den | |
Öffentlich-Rechtlichen. Ist Sky also ein Vorbild für Emanzipation im | |
Sportjournalismus? | |
Nein, das ist vor allem gekonnte Markenbildung. Sky hat erkannt, dass es | |
sich gut vermarkten lässt, wenn man sagt, wir machen es anders als die | |
anderen. | |
Öffnet es nicht trotzdem eine Tür für Frauen? | |
Ja klar. Sie haben die Öffentlich-Rechtlichen lange überholt. Denn sie | |
müssen sich das mal wegtun: Beim ZDF hat es bisher in über 50 Jahren nur | |
fünf Frauenmodelle gegeben. Bei der ARD ist die Lage noch schlimmer. Die | |
haben mit Anne Will erst 1999 die erste Frau rangelassen. Das war 26 Jahre | |
nach mir. | |
Als Sie 1973 zum „Aktuellen Sportstudio“ im ZDF kamen, waren Sie die in | |
Deutschland erste Moderatorin einer Sportsendung. Wie kam es dazu? | |
Da ist ein Muster erkennbar: Frauen dürfen gerne dann ran, wenn der | |
Schlagschatten eines männlichen Vorgängers den Männern zu groß ist. | |
Kalkulation: Mal kurz ’ne Frau dran und sich verbrennen lassen, und wie | |
erleichtert sind dann alle, wenn mal wieder ein ordentlicher Mann rankommt. | |
So war das auch bei Kohl und Merkel ursprünglich vorgesehen. Ich war im | |
ZDF-Sportstudio eine Nachfolgerin von Wim Thoelke, der die Sendung von 1963 | |
bis 1970 moderierte. | |
Wie sind Ihre Kollegen Ihnen dann begegnet? | |
Es war eine paradoxe Situation. Damals dachten alle, Frauen wären | |
zartbesaitet. Dabei kam die letzte Frauengeneration gerade aus dem Krieg | |
und hatte das Land wiederaufgebaut. Trotzdem dauerten alte Klischees fort. | |
Frauen durften keine Kraftwörter benutzen, sie durften nicht mal langsam | |
über die Straße gehen, ohne gleich für eine Bordsteinschwalbe gehalten zu | |
werden. Doch mich konnten die Männer nicht einordnen. Ich hatte kurze | |
Haare, sah salopp aus und hatte nichts Unterwürfiges. | |
Heute erinnert man sich vor allem wegen eines einzigen Versprechers an Sie. | |
Klar, „Schalke 05“! Im Grunde richtete sich die Bild-Kampagne, die darauf | |
folgte, aber nicht gegen mich. Ich war eigentlich nur die | |
Stellvertreterzielscheibe, die ihren Kopf hinhalten musste. Eigentlich ging | |
das gegen einen SPD-nahen Abteilungsleiter, der einigen im CDU-geführten | |
ZDF offenbar nicht passte. | |
Das Frauenbild hat sich in den letzten vierzig Jahren grundlegend | |
gewandelt. Braucht es eine Quote, damit die Frauen endlich auch bei den | |
Fußball-Großereignissen ankommen? | |
Ja, wenn sich die Frauen nicht von selbst melden, dann muss man sie eben | |
erzeugen. Journalismus ist ein Handwerk, das man erlernen kann. Und wenn | |
die Redaktionen wirklich ein Interesse an mehr Frauen hätten, würden sie | |
weibliche Talente schon viel früher gezielt fördern. Zum Beispiel indem sie | |
Schülerredaktionen aufbauen. | |
Was können Frauen dazu beitragen? | |
Eine Chance wäre, weibliche Fußballberichterstattung zu einer eigenen Marke | |
zu entwickeln – wofür es natürlich interessierte Sender bräuchte. Das | |
könnte im Übrigen auch positive Effekte für die Einschaltquoten haben. | |
Qualitativ neuartige Formen und Wege könnten neben den gewohnten Ritualen | |
zusätzlich neue Männer und Frauen binden. | |
3 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Julia Ley | |
Christoph Farkas | |
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