# taz.de -- Die Wahrheit: Nulpen und Kretins | |
> Q.e.d. – und jetzt hat es auch die Wissenschaft herausgefunden: Das | |
> Internet macht blöd, eitel und selbstgerecht. | |
Bild: Hier geht's ins Netz, das das Oberstübchen von jedem schädigt, direkt o… | |
Geahnt haben es wohl die meisten, doch jetzt ist die umstrittene These auch | |
wissenschaftlich bestätigt: Amerikanische Forscher haben signifikante | |
Beweise dafür gefunden, dass das Internet blöd macht. 82 Prozent der | |
Langzeitnutzer haben den Studien zufolge einen kräftigen Dachschaden, 26 | |
Prozent eine Vollmeise, immerhin noch neun Prozent eine hübsche Macke – und | |
dass die Zahlen in der Summe mehr als 100 Prozent ergeben, zeigt | |
zweifelsfrei, dass diese Leute auch nicht mehr rechnen können. | |
„Die Befunde sprechen eine eindeutige Sprache: Starke Internetuser sind | |
impulsiver, leichtgläubiger und unbedarfter, aber gleichzeitig auch | |
durchgeknallter und paranoider als der Bevölkerungsschnitt“, berichtet | |
Professor Alexis Snyder von der Johns-Hopkins-Gesamthochschule in West | |
Baltimore. „Nach Analyse der riesigen Datenmengen, die uns von Google, | |
Facebook, Apple und Amazon zur Verfügung gestellt wurden, müssen wir sogar | |
sagen: Die meisten von ihnen sind unverantwortliche Schwachköpfe! Nulpen! | |
Kretins!“ | |
So sensationell diese Erkenntnis auch ist, schon die Erhebung der | |
Datenbasis war für die Wissenschaftler ein Glücksfall. Nach jahrelangen | |
Recherchen schickte das Team um Professor Snyder den genannten | |
Internetgiganten jeweils eine Mail – keine Woche später konnten sie gegen | |
gewisses Entgelt (ein Apfel, ein Ei) die mehrere Zettabyte umfassenden | |
Datenmengen in Empfang nehmen. | |
Bereits nach wenigen Stunden oberflächlicher Durchsicht standen den | |
Forschern die Haare zu Berge. Der typische Internetnutzer war ein Trottel, | |
wie er im Buche stand! Ein begriffsstutziger Hampelmann, der die eigene | |
Großmutter an den Teufel zwangsprostituierte, wenn es dafür bloß einen | |
Rabattgutschein beim Onlinehändler gab. Eine differenzierte Rasteranalyse | |
in den Labors förderte noch Erschreckenderes zutage: Menschen, die viel im | |
Internet unterwegs sind, büßen Hirnzellen ein und verlieren den Kontakt zur | |
Realität. | |
„Diese Hirnis klammern sich an Illusionen von Freundschaft und Beliebtheit, | |
lenken ihre amourösen Energien auf sauperverse Bildschirminhalte und sind | |
bereit, alles zu tun für süße Erdmännchenfotos und lustige Filmchen mit | |
Dingen, die krachend kaputtgehen“, referiert Professor Snyder | |
kopfschüttelnd. | |
„Sie verstehen außerdem nicht, was sie lesen, und lesen nicht, was sie | |
verstehen könnten, meine Bücher etwa – die gibt’s übrigens bei Amazon, | |
weitere Infos auf Facebook. Man muss es einfach deutlich sagen: Die meisten | |
dieser Leute haben mächtig einen an der Klatsche!“ | |
## Sämtliche Skrupel und den Verstand zerstört | |
Wie die Forscher in weiteren Teilstudien eindrucksvoll zeigen konnten, | |
verleitet das Internet Menschen dazu, Hunderte von Apps auf ihre Tablets | |
und Smartphones zu laden, obwohl darunter noch nie eine sinnvolle entdeckt | |
wurde, außer vielleicht die eine mit all den weltweiten | |
Restaurantbewertungen. | |
Einer weiteren, vorwiegend professionellen Nutzergruppe hingegen hat das | |
Netz offenbar so gründlich sämtliche Skrupel und den Verstand zerstört, | |
dass sie es zur gefräßigen Überwachungsmaschine umgebaut haben, durch deren | |
langweiligen Ausstoß sie sich nun bis zum Ende ihres Lebens kämpfen müssen. | |
In Deutschland werden deswegen sogar Parteien gegründet und anschließend so | |
langsam und qualvoll wieder aufgelöst, dass es zum Gruseln ist. | |
„Insgesamt gesehen richtet das Internet schrecklichen Schaden in den Köpfen | |
der Menschen an. Die sich dafür aber nicht interessieren, sondern mehr für | |
Geocaching und Heftig.co“, schnaubt der Forschungsleiter. „Irgendwie wollen | |
diese Eumel die ganze Zeit von irgendetwas abgelenkt werden, und selbst | |
davon lassen sie sich dauernd ablenken!“ Dass das Internet freilich auch | |
seine positive Seiten hat, will Professor Snyder gar nicht leugnen – | |
Single-Fickbörsen etwa oder Glücksspiele mit ruinösem Einsatz. Aber der | |
Preis sei einfach zu hoch. | |
Man könne das besonders gut an Menschen mit eigener Homepage oder eigenem | |
Blog sehen. 99 Prozent von ihnen seien Schwachmaten, vier Fünftel litten an | |
einer pathogenen Mischung aus Messianismus, Apokalyptik und | |
Ambiguitätsintoleranz, im Volksmund Humorlosigkeit genannt. Sortiere man | |
sie typologisch, finde man überdurchschnittlich viele Korinthenkacker, | |
Wichtigtuer und Nörgler mit Rechtschreibschwierigkeiten darunter, dazu jede | |
Menge Eitle, Selbstgerechte und Wahnsinnige. | |
Letztlich jedoch schädige das Netz das Oberstübchen von jedem, der sich | |
direkt oder indirekt darauf einlasse, warnt der Forscher. Hüten sollten wir | |
uns deshalb ebenfalls vor den Gegnern, den Mahnern und Warnern. Irritiert | |
haken wir nach: Also auch vor Ihnen? „Jaja, alle Kreter lügen“, lächelt | |
Professor Snyder geisterhaft. „Aber im Unterschied zu mir kennen die | |
meisten Mahner und Warner das Internet nur vom Hörensagen. Deren Hau kommt | |
von ganz woanders her, den müssen sie sich damals im Radio geholt haben.“ | |
9 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Mark-Stefan Tietze | |
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