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# taz.de -- Kommentar Finalbesuch der Kanzlerin: Mannschaftsbild mit Dame
> Die Kanzlerin macht Politik, indem sie sich seit Jahren im Licht der
> Nationalmannschaft sonnt. Alle wissen das, doch niemanden scheint es zu
> stören.
Bild: Fröhlicher Kabinenbesuch: Angela Merkel und die Jungs.
10.000 Kilometer haben Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin
Angela Merkel in der Nacht von Samstag auf Sonntag zurückgelegt, um beim
Finale der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Argentinien in Rio de
Janeiro vor Ort zu sein. Schon am Montag geht es dann mit dem Airbus der
Luftwaffe zurück nach Berlin. Eine kritische Bewertung des Ausflugs findet
öffentlich nicht statt, stattdessen wollen viele die Anwesenheit der
„Fußballkanzlerin“ Merkel als gutes Omen sehen.
Als kleingeistig verschrien werden jene, die den Trip der deutschen
Staatsoberhäupter kritisieren, schließlich ist das Endspiel im Maracanã
eine nationale Angelegenheit. Nirgends sonst kann Deutschland innerhalb von
90 oder auch 120 Minuten mehr an weltweitem Ansehen gewinnen, mehr
öffentliche Aufmerksamkeit generieren. Die sonst so auf Haushaltsdisziplin
bedachten Bundesbürger sind sich mehrheitlich einig: 74 Prozent der
Befragten sehen den Finalbesuch der Kanzlerin als „sinnvoll“ an, laut einer
[1][Studie der Universität Hohenheim].
Doch sinnvoll ist der Trip in erster Linie für die Kanzlerin selbst. Mit
größtmöglichem Erfolg hat sich Merkel über Jahre an die Nationalelf und
deren Popularität herangewanzt. Bei der Heim-WM 2006 verpasste sie kein
Spiel und drückte Jürgen Klinsmann bei der Übergabe der Bronzemedaille
einen Kuss auf die Wange, zwei Jahre später saß sie in Wien mit dem
gesperrten Bastian Schweinsteiger auf der Tribüne: „Sie hat mir gesagt,
dass ich nicht wieder so eine Dummheit tun soll“.
Es folgten Besuche der WM 2010 und EM 2012, Kabinenansprachen inklusive.
Unvergessen bleibt ihr scheinbar zufälliges
[2][//www.google.de/search?q=Merkel+%C3%96zil&client=firefox-a&hs=AoJ&rls=o
rg.mozilla:de:official&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ei=UzjBU4LLCoTbOZTwgbAH&ve
d=0CAgQ_AUoAQ&biw=1427&bih=818:Bild mit dem halbnackten Mesut Özil] nach
einem EM-Qualifikationsspiel im Berliner Olympiastadion – aufgenommen vom
mitgebrachten Kanzler-Fotografen.
## Aufdringlich in der Kabine
Dass die forsche Aufdringlichkeit in der Umkleide aufgrund der fehlenden
Absprache mit dem damaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger [3][auf Kritik
stieß], ist inzwischen vergessen. Zu sehr haben sich alle Beteiligten an
die prominente Anhängerin gewöhnt. Die vollendete Verschmelzung zwischen
Team und Kanzlerin war vor drei Wochen nach dem deutschen Auftaktspiel
gegen Portugal zu bestaunen.
[4][//www.google.de/search?q=Merkel+Kabine+DFB&client=firefox-a&hs=BAz&rls=
org.mozilla:de:official&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ei=qjjBU62AH83XPNWDgIgO&v
ed=0CAgQ_AUoAQ&biw=1427&bih=818:Das Mannschaftsbild mit Dame] hat alle
entzückt. Erst recht Lukas Podolski, der ganz stolz auch noch ein
[5][Privat-Portrait um die Welt twittern durfte].
Sichtlich wohl fühlt sich Merkel im Kreis der politisch konservativen
DFB-Elite um Wolfgang Niersbach, Jogi Löw sowie den [6][Atom-] und
[7][Neoliberalismus]-Lobbyisten Oliver Bierhoff. Dazu die Jungs in kurzen
Hosen, von denen wohl keiner je eine Aussage mit politischem Gehalt treffen
wird, von Roman Weidenfellers [8][homophoben Ausfällen] einmal abgesehen.
Sie alle bieten das optimale Umfeld, in dem die Kanzlerin ihr Image als
rationale Entscheiderin um ein paar menschliche Züge erweitern kann. Die
emotionale Nähe, die Merkel nach außen mit „unseren Jungs“ verbindet, wird
ihr positiv angerechnet. Wer so herzlich im Umgang mit den deutschen
Lieblingen ist, wer sich so schön freuen kann, der kann doch keine
menschenfeindliche Politik betreiben.
Die normale Publikumsreaktion, wenn Politiker auf Stadionleinwänden
eingebelendet werden, muss Merkel längst nicht mehr befürchten. Statt
Pfiffen und Buhrufen feierten sie die mitgereisten deutschen Fans beim
ersten WM-Auftriit des DFB-Teams gegen Portugal in Salvador mit „Angie,
Angie“-Rufen.
## So wird Politik gemacht
Um die Wirkung der erzeugten Bilder wissen sie natürlich auch in Merkels
Partei. Die CDU plakatiert aktuell den Spruch [9][„Unser 12. Mann ist eine
Frau“], verbunden mit den besten Reisewünschen zum Finale. So wird heute
Politik gemacht.
Weil die Opposition dem nichts entgegenzusetzen vermag, sondern neidisch
auf Merkels Rolle als Maskottchen schielt, versucht man es ihr gleichzutun
– erfolglos. Frank-Walter Steinmeiers [10][Videogrüße] an die
Nationalmannschaft wirken ebenso hilflos wie die SPD-Fahne am
Willy-Brand-Haus mit dem anbiedernden Spruch [11][„Holt euch den vierten
Stern, Jungs!“]. Nein, auf diesem Terrain ist nichts mehr zu holen, hier
ist Merkel-Land.
Dafür sorgen schon die Medien, die sich selbst zu Hofberichterstattern der
Kanzlerin wandeln, indem sie jedes aussagelose Zitat von ihr mit
Fußballbezug eifrig verbreiten. Begierig griffen die Nachrichtenagenturen
Merkels Antwort auf die Frage auf, was sie von der deutschen
Nationalmannschaft im WM-Endspiel erwarte: „Gewinnen (...) hoffe ich.“ Noch
abstruser wird es, wenn Merkel die Rolle als „Glücksbringerin“ angedichtet
wird; schließlich habe die Nationalmannschaft [12][elf der dreizehn Spiele
gewonnen, bei denen sie anwesend war].
Dann wissen wir ja, wem Deutschland den möglichen vierten WM-Titel
verdanken wird.
13 Jul 2014
## LINKS
[1] /Bundestagsabgeordnete-in-Brasilien/!141432/
[2] http://https
[3] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/merkel-bei-der-nationalelf-kabine…
[4] http://https
[5] http://twitter.com/Podolski10
[6] http://blog.greenpeace.de/blog/2010/08/20/olli-und-die-atomlobby/
[7] /1/archiv/
[8] /!76848/
[9] http://twitter.com/GenossePohle/status/487881113369866240/photo/1
[10] http://twitter.com/AuswaertigesAmt/status/486527429456838658
[11] http://twitter.com/spdde/status/487588795421044736
[12] http://www.wz-newsline.de/home/sport/fussball/wm/und-sonst/gluecksbringer-…
## AUTOREN
Erik Peter
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