# taz.de -- Kommentar Bischof Meister und Fußball: Der neidische Kirchenmann | |
> Der Hannoveraner Bischof warnt. Die Überhöhung des Fußballs zu Religiösem | |
> geht ihm deutlich zu weit. Wer nimmt Ralf Meister bloß mal in den Arm? | |
Bild: Erleuchtet: Bischof Ralf Meister. | |
Alarm zu schlagen in nicht allzu wütendem Tonfall ist das Geschäft jeder | |
christlichen Kirche, einerlei ob katholisch, evangelisch oder orthodox. Man | |
warnt vor Ent- oder Beschleunigung der Welt, vor den Fährnissen des Lebens | |
überhaupt und natürlich davor, bloß nicht an Gottes Allmacht zu zweifeln. | |
Der Bischof von Hannover, Ralf Meister, auf diesem Posten Nachfolger Margot | |
Käßmanns, hat ein schönes Beispiel für evangelische Bedenkenträgerei | |
geliefert: Der Fußball, zumal der Kampf um den Titel bei einer WM, dürfe | |
nicht überhöht werden zu Heilsbringerei. | |
Jede Vokabel, die diesen Sport überhöhe zu Religiösem und also | |
Gottgleichem, sei vielleicht nicht abzulehnen, aber doch mit starker | |
Vorsicht zu nutzen. Ein Augenmerk der Extrasorte widmet der Bischof den | |
Gastgebern aus Brasilien: „Die brasilianische Bevölkerung legte geradezu | |
eine Heilserwartung in den Gewinn der WM: Alles wird besser, wenn wir | |
Weltmeister werden.“ | |
Das war in vielen Medien zu lesen, weil JournalistInnen die Begeisterung | |
der Brasilianer nicht anders zu deuten wussten – nicht einmal als | |
grundsätzliche Freude am Gastgeben, am Feiern, am Fußball. Meister Ralf | |
Meister aber diagnostiziert nach dem Halbfinale gegen die Deutschen: „Nach | |
dem ersten Tor der deutschen Mannschaft wirkten die Brasilianer plötzlich | |
wie gelähmt, das kann ich nur psychologisch deuten. Sie verhielten sich, | |
als hätten sie eine zentnerschwere Last auf ihren Schultern.“ | |
Könnte sein, muss es aber nicht: Eventuell waren die Deutschen einfach die | |
Last auf den brasilianischen Fußballschultern? Oder war es womöglich das | |
Gefühl der brasilianischen Spieler, nach dieser Partie und der Niederlage | |
im Spiel um den dritten Platz auf dem Markt, wo es um Gagen und Verträge | |
geht, nur noch halbe Ramschware zu sein Doch selbst vor diesen Tatsachen | |
des Lebens würde der Bischof warnen: Das ist eben seine Kernkompetenz, | |
Einsprüche anzumelden gegen die Dinge des Faktischen. | |
Und sein eigenes Gewicht einzulegen mit dem Hinweis, das Fußballerische bei | |
einem Turnier, bei dem es – worum sonst? – um Sieg und Niederlage geht. | |
Also, wenn auch zivilisiert: um Tod oder Leben. Bischof Meister würde jetzt | |
sagen: Nein, um Leben oder Tod geht es eben nicht, denn Jesus, in seinem | |
System der Neymar/Neuer/Messi/Robben, allein können über das Leben | |
entscheiden und den Tod zugleich. | |
## Die Kraft des Transzendenten | |
Riten und Symbole dürfen jedenfalls nicht das Spiel des Religiösen | |
angreifen. Doch bei diesem Bedenken hört der Spaß auf, endet das | |
Verständnis für das „Gerede“ (Heidegger) des protestantisch gläubigen | |
Milieus unserer Gesellschaft. Riten und Symbole aus der Welt des Sports wie | |
solche aller anderen Systeme auch sind älter als die christlichen | |
Religionen: Die Dramaturgie eines jeden Spiels ist von Menschen lange vor | |
den monotheistischen Religionen erfunden worden. | |
Und möglich ist deshalb, die Kraft des Transzendenten im Fußball - also im | |
jenseitigen Miteinander – eher zu suchen als in einem Gottesdienst, gleich, | |
welchem biblischen, muslimischen, jüdischen Bekenntnisses dieser auch | |
gewidmet ist. Bischof Meister, mit anderen Worten, kritisiert den Fußball | |
als falsch-religiöse Veranstaltung, weil seine eigene Religion nicht diesen | |
Drive, diese Inszenierungsmacht entfaltet, besser: zu entfalten vermag. | |
Kurzum: Er ist neidisch und kleidet dieses Gefühl in Warnerei, in Skepsis | |
und trägt es in der Pose des Zeitdiagnostikers schwersten Kalibers vor. Man | |
möchte, ja, man sollte ihn trösten: Alles hat seine Zeit. Nun ist es die | |
des Fußballs. Die Zeit der melancholisch-stirnrunzelnd vorgetragenen Absage | |
an alle Sachen, die lebenslustig stimmen, ist passé. Wer nimmt Bischof | |
Meister bloß mal in den Arm? | |
13 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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