# taz.de -- Niedersachsens Moore: Torfindustrie soll die Rettung bringen | |
> Mit 35 Millionen Euro wollen grüne Minister Wiesen und Äcker in | |
> Feuchtgebiete zurückverwandeln. Dem Nabu reicht das nicht: Der | |
> Naturschutzbund will Milliarden – von der Industrie. | |
Bild: Vorsicht, ab hier wirds richtig sumpfig! Moor bei Quelkhorn in Niedersach… | |
HANNOVER taz | Wirklich wohl fühlt sich Tanja Constabel, Sprecherin des | |
„Industrieverbands Garten“ (IVG) und damit Lobbyistin der niedersächsischen | |
Torfindustrie, an der Seite von Umweltschützern noch nicht. Ja, ihr | |
Auftritt mit dem Landesvorsitzenden des Naturschutzverbandes Nabu, Holger | |
Buschmann, sei „außergewöhnlich“ erklärt die Juristin schon zur Begrüß… | |
Doch Constabel und Buschmann haben Großes vor: Beim von der rot-grünen | |
Landesregierung organisierten Kongress „Niedersachsens Moorlandschaften“ | |
präsentieren beide ein Konzept, das 25.000 Hektar der Feuchtgebiete retten | |
soll – und das von der Industrie mit hunderten, wenn nicht mit über 1.000 | |
Millionen Euro finanziert werden könnte. | |
Konkret schlagen Nabu und IVG vor, dass die Industrie Landwirten | |
trockengelegte Wiesen und Äcker in der Größe von mehr als 20.000 | |
Fußballplätzen abkauft – und diese „wiedervernässt“, also in Moore | |
zurückverwandelt. Das Bonbon für die Industrie: Auf 8.450 Hektar soll zuvor | |
der unter der Oberfläche liegende Torf abgebaut werden dürfen. | |
Blumenerde-Industrie auf die Füße treten | |
Denn die Mitglieder des IVG, die in Niedersachsen rund 2.500 Menschen | |
beschäftigen, stehen unter Druck. Die Moore schützen wollen auch die | |
mitregierenden Grünen: Nur wenige Minuten vor dem Auftritt Constabels und | |
Buschmanns hatten die grünen Minister Stefan Wenzel (Umwelt) und Christian | |
Meyer (Landwirtschaft) erklärt, dass sie der Blumenerde-Industrie auf die | |
Füße treten wollen. „Vorranggebiete“ in Größe von 22.000 Hektar, die zum | |
Torfabbau vorgesehen waren, sollen ersatzlos wegfallen. | |
„In 20 Jahren sind wir am Ende“, sagt die Lobbyistin Constabel dazu – | |
setzen sich die Grünen durch, gäbe es keine Flächen mehr, aus denen noch | |
Torf abgebaggert werden dürfte. | |
Doch die Naturschützer des Nabu halten die Aktion der grünen Minister | |
trotzdem für Symbolpolitik. Zwar lehne sein Verband eigentlich | |
„grundsätzlich den Torfabbau ab“, zwar seien Moore ein wichtiger Speicher | |
des Treibhausgases Kohlendioxid, sagt Nabu-Chef Buschmann. Hauptgegner sei | |
aber nicht die Torfindustrie – sondern die Landwirtschaft. | |
Denn die habe hunderttausende Hektar Moor trockengelegt und in Wiesen und | |
Äcker verwandelt. Die unter der Oberfläche liegende Kohle-Vorstufe Torf | |
komme nun in Kontakt mit der Luft – und zerfalle. Freigesetzt würden dabei | |
Millionen Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid, das seit mehreren tausend | |
Jahren unter Wasser im Torf gebunden war. Deutschlands trockengelegte Moore | |
trügen zur Klimakatastrophe ebenso viel bei wie „der deutsche Flugverkehr“, | |
warnt Nabu-Chef Buschmann – und macht Druck. „In 30 Jahren ist unter der | |
landwirtschaftlichen Fläche kein Torf mehr da. Eine Renaturierung der | |
ehemaligen Moore ist dann nicht mehr möglich.“ | |
Land wiedervernässen | |
Grundsätzlich sehen das die beiden grünen Minister Wenzel und Meyer | |
ähnlich. Sie verweisen auf 35 Millionen Euro, die hauptsächlich aus | |
EU-Mitteln stammen: Mit dem Geld soll Bauern Land abgekauft und dann | |
wiedervernässt werden. Doch Naturschützer Buschmann hält das für völlig | |
unzureichend: „Sie haben die Zahlen der Minister gehört“, sagt er, „wir | |
brauchen aber Milliardenbeträge.“ | |
Zusammen mit der Industrie will der Nabu-Chef deshalb die SPD und die | |
Grünen überzeugen, doch mehr Torfabbau zuzulassen – schließlich müssen die | |
für den Landkauf nötigen „Milliardenbeträge“ durch den Torfverkauf erst | |
einmal verdient werden. Überzeugen muss Buschmann dazu aber nicht nur die | |
Landesregierung: Auch der konkurrierende Umweltschutzverband BUND ist | |
skeptisch. „Nicht abgestimmt“ sei der Nabu-Vorstoß, sagt Niedersachsens | |
BUND-Vize Reinhard Löhmer – und warnt: „Das Projekt dient vor allem der | |
Torfindustrie.“ | |
17 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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Schwerpunkt Klimawandel | |
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