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# taz.de -- Linke-Fraktionschefin über Oppositionsarbeit: „Olympia ist eine …
> Dora Heyenn, Fraktionschefin der Linken in der Bürgerschaft, über mehr
> als drei Jahre Oppposition gegen die SPD und die nächste Hamburg-Wahl.
Bild: Glaubt nicht an nachhaltige, soziale und bezahlbare Olympische Spiele in …
taz: Frau Heyenn, seit dreieinhalb Jahren opponieren Sie und Ihre Fraktion
gegen Bürgermeister Olaf Scholz und dessen SPD. Wie groß ist der Frust?
Dora Heyenn: Es war erschütternd zu sehen, dass die SPD schon nach kurzer
Zeit glaubte, ihr gehöre wieder die ganze Stadt. Aber gegen diese Arroganz
der Macht hat sich die gesamte Opposition gewehrt. Und wir als Linke haben
vor allem in der Sozial- und Flüchtlingspolitik gegengehalten. Da musste
die SPD doch mehrfach einlenken.
Aber hat sich denn die soziale Lage in Hamburg unter dem SPD-Senat
verbessert?
Nein, die soziale Spaltung der Stadt hat sich in allen Bereichen
verschärft.
Dann hat die Linke aus der Opposition heraus ja nichts erreicht.
Unsere Vorschläge sind fast alle von der SPD abgeschmettert worden, das
verdeutlicht das unterschiedliche Politikverständnis. Wenn Menschen so arm
sind, dass sie ihre Wasserrechnung nicht mehr bezahlen können, und dann die
städtische Gesellschaft Hamburg Wasser denen den Hahn zudreht, ist das
skandalös. Für diese Menschen müssen Lösungen gefunden werden. Wir haben
Alternativen vorgelegt, aber dazu war die SPD nicht bereit.
Nicht bereit ist sie auch, eine Flüchtlingspolitik zu machen, die Sie für
human halten?
Es gibt zwar mehr Flüchtlingsunterkünfte, das erkennen wir an. Aber vor
allem der Umgang mit der Lampedusa-Gruppe ist inhuman.
Sie fordern Bleiberecht für alle, die nicht mal ihren Namen nennen wollen?
Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat bestätigt, dass der Senat
eine Art Generalamnestie für diese Gruppe gewähren dürfte. Das aber wird
verweigert. Es werden bei Weitem nicht alle Möglichkeiten für eine liberale
und menschliche Flüchtlingspolitik ausgeschöpft.
Bei der Umsetzung des Volksentscheids zur Rekommunalisierung der
Energienetze schöpft der Senat seine Möglichkeiten auch nach Ihrer
Einschätzung besser aus?
Ja, Senat und SPD haben ihre Niederlage akzeptiert, das muss man
anerkennen. Beim Stromnetz ist die Umsetzung des Volksentscheids bereits
gelungen, bei Gas und Fernwärme noch nicht. Da müssen wir noch genau darauf
achten, dass das auch rasch passiert. Was noch nicht gelungen ist, ist die
Umsetzung des zweiten Satzes des Volksentscheids: die demokratische
Kontrolle. Die Übernahme des Fernwärmenetzes ist um Jahre, bis 2019, nach
hinten verschoben worden. Ist das eine Umsetzung des Volksentscheides oder
dessen Ignorierung? Da werden wir weiter hartnäckig sein müssen.
Aber Sie haben offenbar die Hoffnung, dass der SPD-Senat auch bei der
Fernwärme den Volksentscheid umsetzen wird?
Hoffen auf die SPD? Na gut, in dieser Frage sage ich mal: Ja.
Haben Sie auch die Hoffnung, dass der SPD-Senat den Begriff Umwelt- und
Klimaschutz noch zu buchstabieren lernt?
Das haben die wirklich nicht in ihrem Wortschatz. Das ist denen sowas von
egal. Hier mal drei Bäume pflanzen ist doch keine Umweltpolitik! Und dazu
dieses unsinnige Busbeschleunigungsprogramm, das ist reine
Geldverschwendung. In 30 Jahren ein bisschen U-Bahn statt in zehn Jahren
viel Stadtbahn – da werden die BürgerInnen doch für dumm verkauft. Und
Radwege nur da, wo sie die Autos nicht stören: Das ist das Gegenteil von
Verkehrs-, Umwelt- und Klimaschutzpolitik.
Bei der Verstaatlichung der Reederei Hapag-Lloyd haben Sie aber begeistert
mit der SPD gestimmt.
Sie sind polemisch. Von Verstaatlichung kann keine Rede sein. Wir wollen,
in enger Abstimmung mit den Gewerkschaften, die Arbeitsplätze bei
Hapag-Lloyd sichern. Das ist gelungen. Natürlich haben wir auch das Risiko
gesehen, dass die geschäftliche Seite nicht so rasch so rosig werden
könnte, dass die Stadt ihr Geld umgehend zurückbekommt. Aber die Fraktion
hält das öffentliche Engagement bei der Reederei nach wie vor grundsätzlich
für richtig.
Bisher ist das aber mit 1,2 Milliarden Euro Kosten ein Minus-Geschäft für
den Steuerzahler. Wann gibt es denn die versprochenen Renditen?
Ich hoffe bald. Unser Hauptmotiv aber war ganz klar die Sicherung der
Arbeitsplätze.
Um jeden Preis?
Natürlich nicht. Aber der Preis war bekannt, er war zu verantworten und das
Geld kriegen wir hoffentlich auch bald zurück.
Warum mag die Linke eigentlich keinen Sport? Sie lehnen Olympische Spiele
in Hamburg rundweg ab?
Nicht grundsätzlich. Aber was in den letzten zwei Jahrzehnten aus dem
Olympischen Gedanken gemacht wurde, ist eine kommerzielle Perversion. Das
hat mit Sportsgeist und Völkerverständigung nichts mehr zu tun. Zudem würde
es die Stadt sehr viel Geld kosten. Schauen Sie sich doch mal die
Investitionsruinen der Winterspiele in Sotschi oder der Fußball-WM in
Brasilien an: Diese Gigantomanie ist unverantwortlich.
Die Linie des Senats ist: Das muss nachhaltig sein, sonst machen wir das
nicht. Wäre das für Sie ein Grund, neu zu überlegen?
Dann könnten wir noch mal darüber reden. Aber wir bezweifeln, dass es
nachhaltige, soziale und bezahlbare Spiele geben kann. Allein die Stadien
und Hallen, die gebaut werden müssen.
Angeblich gibt es bereits 30 von etwa drei Dutzend erforderlichen
Sportstätten. Müssten nur noch ein paar große dazu kommen wie
Olympiastadion und Schwimmhalle. Und ein Olympisches Dorf natürlich.
Eben. Und was passiert hinterher damit? Bereits jetzt wird die soziale und
kulturelle Infrastruktur in weiten Teilen zerstört. Deshalb verlangen wir
sehr überzeugende Konzepte, sonst lehnen wir das ab. Und außerdem würden
Olympische Spiele Preistreiber sein für die Mieten, für andere
Lebenshaltungskosten – das würde die soziale Spaltung der Stadt weiter
verschärfen.
Bereits hinter uns haben wir die Bezirkswahlen vom 25. Mai mit einer
Wahlbeteiligung von nur 41 Prozent: Minusrekord. Hat sich das neue
Wahlrecht bewährt oder sollte es geändert werden?
Nein, dafür gibt es keinen Grund. Nachdenken könnte man aber über die
Anzahl der Wahlkreise, die mit 54 viel zu hoch ist. Bei der
Bürgerschaftswahl gibt es nur 17 Wahlkreise. Das wäre vollkommen
ausreichend. Aber das Mehrstimmenrecht mit Panaschieren und Kumulieren hat
sich bewährt, da gibt es nichts zu rütteln.
Wäre es nicht sinnvoll, die Bezirkswahlen wieder an die Bürgerschaftswahlen
zu koppeln, damit die Wahlbeteiligung wieder zunimmt? 2011 hatte sie noch
bei 54,3 Prozent gelegen.
Auch darüber kann man nachdenken.
Der Verein „Mehr Demokratie“ möchte Hamburg als Einheitsgemeinde auflösen
und aus den sieben Bezirken eigenständige Großstädte im Bundesland Hamburg
machen. Was halten Sie davon?
Auf dem Landesparteitag im Juni hat die Linke beschlossen, dass wir für
eine Stärkung der Rechte der Bezirke sind. Dies bedeutet in erster Linie
ein eigenes Budgetrecht für die Bezirke. Der Landesparteitag hat die
Forderung, die Einheitsgemeinde abzuschaffen, abgelehnt. Wir wollen erstmal
den Gesetzentwurf abwarten, den „Mehr Demokratie“ nach der Sommerpause
vorlegen will. Dann beginnt vermutlich die Diskussion wieder neu.
Die nächste Bürgerschaftswahl ist in einem halben Jahr, am 15. Februar
2015. Welches sind aus Ihrer Sicht die großen Themen?
Die Schuldenbremse, denn ohne Geld geht leider gar nichts. Und dann
Soziales und Schulpolitik.
Möglicherweise verliert die SPD die absolute Mehrheit und braucht einen
Koalitionspartner? Stünde die Linke bereit, Verantwortung zu übernehmen?
Prinzipiell ja, aber nicht mit der Hamburger SPD: Die ist zu einem
wirklichen Politikwechsel nicht bereit und wir sind nicht bereit, uns als
Feigenblatt und Steigbügelhalter herzugeben. Außerdem ist für uns eine
Koalition mit Olaf Scholz, dem Architekten der Agenda 2010, nicht
vorstellbar.
Nie?
Wenn er sich für die Agenda 2010 entschuldigt, könnten wir nochmal
überlegen. Aber das wird wohl nicht passieren.
Werden Sie bei der Wahl im Februar zum dritten Mal als Spitzenkandidatin
der Linken kandidieren?
Ich werde mich auf dem Parteitag im Oktober darum bewerben. Wenn die Partei
mich haben will, mache ich das gerne wieder.
Für volle fünf Jahre?
Ja. Wenn ich weiter so gesund und fit bleibe, mache ich gerne die volle
Legislaturperiode.
Nicht politikmüde?
Keineswegs.
Was machen Sie am 16. Februar 2015, am Morgen nach der Wahl?
Da nehme ich in Berlin vom Parteivorstand die Glückwünsche zu unserem
überragenden Hamburger Wahlergebnis entgegen.
20 Jul 2014
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
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