# taz.de -- Konflikt in der Ukraine: Die Meute | |
> Wer sind die Separatisten? Unsere Autorin lebt in Donezk. Für sie haben | |
> die selbst ernannten Herren des Donbass jedes Vertrauen verspielt. | |
Bild: Die prorussischen Separatisten erwecken nicht den Anschein, als könne ma… | |
DONEZK taz | Wenn Kanzlerin Angela Merkel und andere europäischen Politiker | |
die ukrainische Regierung zu Gesprächen mit den bewaffneten Separatisten | |
aufrufen, die man hier vor Ort nur Terroristen nennt, ruft das bei den | |
meisten Ukrainern, vor allem in den Gebieten der Antiterroreinsätze, reines | |
Unverständnis hervor. Nicht weil wir blutrünstig wären und jeden | |
konstruktiven Dialog von vornherein ablehnen. Die Sache ist, wir kennen die | |
Separatisten. | |
Wir müssen jeden Tag mit eigenen Augen ansehen, wie sie sich benehmen. | |
Jeder Gedanke daran, die Separatisten als legitime Verhandlungspartner und | |
als offizielle Stellvertreter der Region Donbass anzuerkennen, ist für uns | |
lächerlich und abstoßend zugleich. | |
Ich weiß nicht, was in den europäischen Nachrichtenkanälen gesendet wird, | |
welche Männer in Tarnuniformen dort gezeigt werden. Was ich aber weiß, ist, | |
dass ihr eine Vorstellung von den Aufständischen in Donezk habt, die nicht | |
der Realität entspricht. Zumindest entsprach sie vor dem Abschuss der | |
Boeing 777 auf dem von Terroristen besetzten Gebiet nicht den Tatsachen. | |
## Raub und Plünderung gehören zum Alltag | |
Die Separatisten in Donezk kommen aus verschiedenen Bevölkerungsgruppen. | |
Ihre Anführer wie Igor Girkin und Alexander Borodaj kommen aus Moskau, | |
andere sind auch von hier. Zu ihnen gesellen sich russische Militärs, | |
ehemalige Angehörige ukrainischer Spezialeinheiten und Söldner. Den | |
niedrigsten Rang unter den Aufständischen haben Freiwillige, die zum Teil | |
auch aus Russland stammen. | |
„Wie ich die Separatisten sehe? Für mich sind es willenlose Idioten, die | |
das Gefühl haben, das ihnen das erste Mal im Leben etwas gelingt. Das sind | |
dumme, schwache Menschen, die keine Zukunft haben“, ist Nikita aus Donezk | |
überzeugt. Die Einwohner von Donezk sehen die Aufständischen als | |
kriminelle, habgierige Bande, die die gesamte Stadt kontrolliert. | |
Während ich diese Zeilen schreibe, berichten die Nachrichten, dass das | |
größte Einkaufszentrum von Donezk von bewaffneten Männern ausgeraubt wurde. | |
Das ist Alltag in dieser Stadt, in der die selbsternannten Herrscher über | |
die Volksrepublik Donezk Pogrome, Entführungen, Plünderungen und | |
Raubüberfälle begehen. Diese Leute sprengen Brücken und beschädigen Kanäle, | |
die für die Wasserversorgung wichtig sind. Sie schießen auf Fabriken. | |
Wir Donezker fragen uns voller Schrecken, wie es sein kann, dass die | |
Separatisten unsere Region in Grund und Boden schießen, gleichzeitig aber | |
behaupten, sie über alles zu lieben. Ich habe meine Freunde auf Facebook | |
gebeten, die Separatisten in Donezk zu beschreiben. Niemand hatte auch nur | |
ein gutes Wort für die Aufständischen übrig. | |
## Es gibt zwei Typen von Aufständischen | |
Für die Journalistin Viktoria aus Donezk gibt es zwei Typen von | |
Aufständischen: Der erste Typ ist ein junger Mann, ein Plünderer, der | |
höchstwahrscheinlich keine Bildung genossen hat und aus schlechten | |
Familienverhältnissen stammt. Wahrscheinlich wurde in der Familie | |
getrunken, meint sie. Nach einigen Gläschen Wodka schwelgte der Vater in | |
Erinnerungen an die guten alten Sowjetzeiten, als Moskau noch alle | |
Republiken versorgte. Dann schlug er die Mutter. | |
Der Junge wuchs zu einem aggressiven jungen Mann heran. In seiner Kindheit | |
wurde ihm immer wieder von der Sowjetunion erzählt. Die Sowjetunion wird | |
mit Russland gleichgesetzt. Der zweite Typ ist ein Mann mittleren Alters, | |
ebenfalls ein Plünderer. Von Zeit zu Zeit brüllt er alle Menschen um sich | |
herum an. | |
Er versteht nicht, warum man etwas verändern sollte im Land. Das Beste wäre | |
doch, die guten alten Zeiten zurückzuholen, als er noch jung war und ihm | |
die Welt rosarot erschien. Es ist seine letzte Chance, ein Held zu werden | |
und für die Zukunft zu kämpfen, oder einfach nur mit einem Maschinengewehr | |
herumzuballern. Auf seine letzten Tage hat er noch etwas Macht abbekommen. | |
Die Separatisten erwecken kein Vertrauen. Sie nehmen den Donbass nicht | |
ernst, sie kämpfen nur. Sie vernichten alles und erschaffen nichts Neues. | |
Vor einigen Wochen feierten die Aufständischen die Eheschließung eines | |
russischen Söldners und eines Mädchens aus Slawjansk. Der russische | |
Aufständische heißt mit Spitznamen „Motorola“ und seine Braut | |
„Lenka-Opoltschenka“, was so viel wie Lenka, die Aufständische bedeutet. | |
## eine unorganisierte Meute von Plünderern | |
Die Hochzeitskolonne bestand aus gestohlenen Wagen. Auf Verkehrsregeln | |
wurde nicht geachtet, die Hochzeitsgäste wurden sogar selbst in einen | |
Unfall verwickelt. Gefeiert wurde in einem besetzten Restaurant. Zum | |
Geschenk bekam der Bräutigam vom sogenannten Volksgouverneur, Pawel | |
Gubarew, den Bürgermeisterposten der Stadt. Doch was hat das Volk davon? | |
Die Aufständischen wissen selbst nicht mehr, wer bei ihnen das Sagen hat, | |
wovon sie sich eigentlich befreien möchten. Sie wissen nicht, dass mit | |
Raubüberfällen niemandem geholfen ist. Sie wissen nicht, dass die Menschen | |
im Donbass daran gewöhnt sind, etwas aufzubauen und nicht zu zerstören. Sie | |
wissen nicht einmal, was das Wort „Faschisten“ bedeutet, gegen die sie so | |
sehr kämpfen. | |
Sie wissen nicht, dass man den Opfern des Unglücks von Flug MH17 nicht die | |
Wertgegenstände hätte wegnehmen dürfen, dass man sterbliche Überreste nicht | |
verhöhnen darf, dass man die Pässe der Verstorbenen nicht hätte lochen | |
dürfen, um Einschüsse vorzutäuschen. | |
Sie wissen nicht, dass man Gefangene in Gefängnissen nicht befreien darf, | |
um sie dann für die „Armee des Donbass“ zwangszurekrutieren. Sie wissen | |
nicht, dass man Zivilisten, Journalisten und Priester nicht gefangen nehmen | |
darf. Die Aufständischen in Donezk sind eine schändliche und unorganisierte | |
Meute von Plünderern, die nicht verstehen, welche Verantwortung sie sich | |
aufgebürdet haben. Und mit diesen Leuten wollt ihr euch an einen Tisch | |
setzen und verhandeln? | |
Aus dem Russischen von Ljuba Naminova | |
26 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Valerija Dubova | |
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