# taz.de -- Buch über 3D-Druck-Projekte: Letztlich doch bloß Vasen | |
> Das Bilderbuch „Dinge drucken“ zeigt, was heute mit 3D-Druckern | |
> angestellt wird. Vieles, das so entsteht, braucht die Menschheit gar | |
> nicht. | |
Bild: Sich selbst ausdrucken: 3D-Abbilder von Menschen auf einer Messe. | |
Mit dem Cyberspace ist etwas anders gekommen als erwartet. Lange | |
dominierten Vorstellungen, dass wir uns in irgendeiner Form in die | |
digitale, virtuelle Welt begeben würden – so wie in den Matrix-Filmen, in | |
denen die Menschheit ihr Leben in einer computergenerierten Fantasiewelt | |
verbringt. | |
Inzwischen sieht es eher danach aus, dass die Virtual Reality in unsere | |
physische Wirklichkeit Einzug hält. Mit der Google-Datenbrille erscheinen | |
Informationen aus dem Internet direkt in unserem Sichtfeld und beeinflussen | |
unsere Bewegungen und Entscheidungen in Echtzeit. Bei dem | |
Smartphone-Computerspiel „Ingress“ hockt man nicht mehr vor dem Computer, | |
sondern führt seine Missionen per pedes in der Nachbarschaft aus. Und der | |
3-D-Drucker materialisiert Entwürfe, die mit Grafik-Programmen am Rechner | |
entstanden und oft so komplex sind, dass sie mit Menschenhand gar nicht | |
mehr zu realisieren wären. | |
Bereits in den 90er Jahren gab es die ersten Geräte, die – unter dem | |
Begriff „Rapid Prototyping“ – Design-Entwürfe fix in Kunststoff ausführ… | |
um den Gestaltern ein Gefühl dafür zu geben, wie ihre am Computer | |
entwickelten Ideen in der physischen Realität aussehen würden. In den | |
letzten Jahren sind Geräte wie der RepRap so billig geworden, dass auch | |
normale Anwender sie sich leisten können. Diese Entwicklung hat Fantasien | |
von einem Ende der industriellen Massenproduktion und einer Ermächtigung | |
der Konsumenten ausgelöst, wie sie etwa Chris Anderson in seinem Buch | |
„Makers“ ins Kraut schießen lässt. | |
Was bislang gefehlt hat, war ein Überblick über das, was mit 3-D-Druckern | |
tatsächlich zurzeit gemacht wird. Der Bildband „Dinge Drucken“ aus dem | |
Berliner Gestalten Verlag liefert nun eine internationale Übersicht über | |
den Status quo der neuen Technologie. Und tatsächlich entsteht dort zum | |
Teil wirklich Faszinierendes. 3-D-Drucker werden zum Bau von | |
individualisierten Prothesen benutzt, um das Ultraschallbild vom Fötus im | |
Bauch der Mutter auszudrucken oder um kleine Skulpturen von sich selbst zu | |
produzieren. | |
Ein Kunstgewerbe-Museum in Holland scannt seine wertvollsten Originale und | |
lässt sie ausdrucken, damit die Besucher die Exponate risikolos in die Hand | |
nehmen können. Auf dem Mond sollen 3-D-Drucker aus Mondboden Bauelemente | |
für lunare Kolonien herstellen, in der Sahara schuf der deutsche Designer | |
Markus Kayser mit Solarenergie aus Wüstensand Glasobjekte. | |
## Haushalts-Allzweckmotor | |
Viele Arbeiten machen Vorschläge für ein nachhaltigeres Wirtschaften. | |
Weilun Tseng aus Taiwan hat Haushaltsgeräte auf ihre elementaren | |
Komponenten reduziert: Ein mit dem 3-D-Drucker und einigen | |
Standardelementen aus dem Elektronikmarkt gebauter Motor betreibt nun einen | |
Föhn, einen Milchschäumer, einen Schuhtrockner und einen Tischventilator | |
und kann leicht ausgetauscht werden, wenn er kaputtgeht. Der kanadische | |
Designer Samuel N. Bernier hat eine Sammlung von 3-D-Elementen konzipiert | |
und als Open-Source-Dateien im Internet veröffentlicht, mit denen man | |
Sachen, die ansonsten in den Hausmüll wandern würden, weiterverwenden kann. | |
Aus einem Einmachglas wird ein Entsafter, eine Gießkanne, ein Trinkbecher | |
oder ein Sparschwein, wenn man sie mit Berniers Entwürfen armiert. | |
Um den gleichförmigen Look der Objekte aus dem 3-D-Drucker organischer | |
erscheinen zu lassen, druckt der niederländische Designer Eric Klarenbeek | |
seine Stühle zunächst aus pulverisiertem Stroh und lässt sie dann von einem | |
Pilz überwuchern, so dass das Resultat wie Holz aussieht. Überhaupt, | |
3-D-Drucker verarbeiten inzwischen nicht nur Kunststoff, sondern auch | |
Metall, Wachs, Ton, Holz, Kunstharz, bei einem besonders makaberen | |
Kunstwerk sogar menschliche Asche. | |
Auch wenn das Buch klar als Coffee-Table-Book gedacht ist, liefert es auf | |
technischer und theoretischer Ebene solide Information. Die verschiedenen | |
Druckverfahren werden gut erklärt, im Vorwort wird die Entwicklung des | |
3-D-Druckers im geistigen Umfeld der Hacker-und DIY-Philosophie, dem | |
Open-Source-Gedanken und den Ideen von Jeremy Rifkin und Neil A. | |
Gershenfeld über postindustrielle Produktionsmodi verortet. | |
Gleichzeitig macht der Band – wenn auch eher unfreiwillig – klar, wie lang | |
der Weg des 3-D-Druckers vom faszinierenden Spielzeug für Gestalter-Nerds | |
zum alltagstauglichen Gerät noch ist. So gut wie alle Arbeiten, die in | |
„Dinge drucken“ vorgestellt werden, sind Experimente und Prototypen. An dem | |
Endless Rocking Chair des holländischen Designers Dirk Vander Kooij wird | |
lobend hervorgehoben, dass dieser bereits 54-mal hergestellt worden sei – | |
Technologien, die die herkömmliche Massenproduktion ablösen werden, sehen | |
anders aus. | |
## Kostspielig, langwierig | |
Mit einem Heim-3-D-Drucker für 800 Euro kann man heute noch keine | |
funktionellen Gebrauchsgegenstände herstellen, auch wenn das immer wieder | |
suggeriert wird. 3-D-Druck ist bis auf Weiteres eine kostspielige und | |
langwierige Angelegenheit: Der Druck eines handgroßen Objekts kann einen | |
halben Tag und länger dauern. Bis man tatsächlich den verlorenen Knopf oder | |
den zerbrochenen Gardinenring einfach zu Hause ausdrucken kann, wird noch | |
viel Zeit vergehen; gut möglich, dass es nie passieren wird. | |
Außerdem wirken viele der Kunststoffprodukte aus dem 3-D-Drucker seltsam | |
leblos und stumpf. Nicht zufällig konzentrieren sich viele der in dem Buch | |
vorgestellten Projekte genau darauf, der monotonen Einförmigkeit der | |
maschinell gedruckten Objekte einen handgemachten Touch zu verleihen. | |
Viele der Arbeiten, die so entstehen, braucht die Menschheit wohl auch | |
nicht unbedingt. So revolutionär der technische Prozess und so pfiffig die | |
Konzepte auch sein mögen, mit denen hier produziert wird – viele der | |
Objekte, die so entstehen, sind halt letztlich doch bloß Vasen. | |
4 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Tilman Baumgärtel | |
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