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# taz.de -- Wirtschaftssanktionen für Russland: Moskaus Mantra
> Sanktionen? Machen Russland nichts aus. Stattdessen droht der Kreml den
> Europäern nun mit höheren Energiepreisen. Doch hinter den Kulissen gibt
> es Unruhe.
Bild: Der russische Energieriese Gazprom wird die Sanktionen wohl spüren.
BERLIN taz/afp | Russland lässt sich von Sanktionen nicht beeindrucken: Das
ist das Mantra, das Moskaus Führungsschicht wie eine Beschwörungsformel vor
sich herträgt. Außenminister Sergei Lawrow sieht weiter zuversichtlich auf
Russlands Weg in die Modernisierung. Es gebe nichts, was Russland nicht
selbst produzieren könne.
Als Reaktion auf verschärfte Strafmaßnahmen gegen Russland hat Moskau
höhere Strompreise für Verbraucher in Europa angekündigt und den USA mit
„konkreten Konsequenzen“ gedroht. Die Sanktionen würden unweigerlich zu
höheren Preisen auf dem europäischen Energiemarkt führen werde, erklärte
das russische Außenministerium am Mittwoch.
Russland wandte sich in aller Schärfe gegen die Strafmaßnahmen der
Europäischen Union. Deren Politik stütze sich nicht auf überprüfte Fakten,
sie sei vielmehr von Washington diktiert, kritisierte das Außenministerium.
Die anti-russischen Sanktionen bezeugten die Unfähigkeit der EU, eine
eigenständige Rolle in der Weltpolitik zu spielen. Die EU hatte am Dienstag
umfassende Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschlossen, die sich auch
gegen den Energiesektor richten.
Auch Lawrows Stellvertreter Grigori Karasin meint, dass Russlands
Wirtschaft und Gesellschaft nun überflüssige Illusionen verlieren – eine
Anspielung auf die falsche und illusionäre Welt des Westens. Hinter den
Kulissen jedoch werden die Machthaber unruhig. Denn Russlands Spitzenbeamte
sind in ihrem zweiten Leben Oligarchen im Staatsgewand – und wissen, was
auf ihre Firmen zukommt.
Bis zuletzt hatte die Führungsriege eine konzertierte Aktion der Europäer
nicht für möglich gehalten. Sie setzte darauf, dass die EU vor dem
Bumerangeffekt zurückschrecken werde. Als positives Moment in der
schlechten Nachricht wertete der Direktor des Moskauer Zentrums für
Strategie und Technologie, Ruslan Puchow, denn auch die zeitliche
Begrenzung der Sanktionen, die nach drei Monaten jeweils auf ihre weitere
Gültigkeit geprüft werden sollen.
Die Zeitung Kommersant meint, der Kreml mache sich offenbar weiter
Hoffnungen, im Nachhinein doch noch Erleichterungen heraushandeln zu
können. Dabei setze Russland auf die Unterstützung jener EU-Länder, die am
härtesten von den Sanktionen betroffen sind. Als Indiz für eine sanftere
Sanktionierung wird etwa der Umstand gewertet, dass die Gasbranche von den
Beschränkungen des Exportverbots für besonders wichtige Technologien noch
nicht betroffen ist. Bislang gelten diese nur für den Ölsektor.
## Am meisten leiden Energiekonzerne
Am meisten dürften die Energiegiganten Rosneft und Gazprom unter dem
Technologieembargo leiden. Bei der Erschließung der Energieressourcen der
Arktis sind sie auf westliches Know-how angewiesen. Zurzeit sind Projekte
bedroht, die die jährliche Ölproduktion um bis zu 10 Prozent vermindern
könnten. Ein Viertel der Ausrüstungen für die Energiebranche bezieht
Russland aus dem Westen. Indien oder China, die von Moskau immer als
Alternativen genannt werden, könnten solche Spitzentechnologien noch nicht
anbieten, so Technologieexperte Puchow.
Für westliche Firmen gehen durch den Ausfall der Russlandgeschäfte rund 150
Millionen Euro im Jahr verloren. Die Nachteile für Russland sind
langfristiger und kostspieliger. Unter das Ausfuhrverbot fallen auch
Werkzeugmaschinen und Hochleistungscomputer. Woher Ersatz kommen soll, ist
unklar.
Die härtesten Konsequenzen aber dürften die Einschränkungen im
Finanzbereich nach sich ziehen. Banken mit einer staatlichen Beteiligung
von mehr als 50 Prozent wird der Zugang zum europäischen Finanzmarkt
erschwert. EU-Bürger dürfen auch keine Anleihen dieser Institute mehr
erwerben. Die Gazprombank hatte noch im Juli Obligationen in Höhe von 1
Milliarde Euro an europäische Investoren verkauft. Inzwischen steht sie auf
der US-Sanktionsliste und erhält außer 90-Tage-Krediten keine
längerfristigen Gelder mehr. Sie versucht derzeit, Anleger in der
Pazifikregion zu gewinnen. Finanzexperten sind jedoch skeptisch, ob der
asiatische Markt die hoch entwickelten westlichen Finanzplätze für Russland
ersetzen könnte.
Erste Verluste musste Moskau bereits durch den von der EU verordneten
Rückzug der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung hinnehmen.
Dadurch gehen jährlich 23 Milliarden Euro Investitionen verloren. 2015
könnte der Verlust 4,4 Prozent des BIPs oder 75 Milliarden Euro betragen –
etwa ein Viertel des Haushalts.
30 Jul 2014
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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