| # taz.de -- Epidemie in Westafrika: Regierungen erklären Ebola den Krieg | |
| > Ausgangssperren und Quarantäne: Nach über 700 Toten reagieren Liberia und | |
| > Sierra Leone auf die Seuche mit drakonischen Notstandsmaßnahmen. | |
| Bild: An der Grenze zu Sierra Leone kontrolliert ein liberianischer Beamter Pä… | |
| BERLIN taz | Dramatischer geht es nicht. Im Kampf gegen die Ausbreitung des | |
| Ebola-Virus hat Liberias Regierung das Land stillgelegt. Sierra Leones | |
| Regierung verhängte den Notstand. | |
| Der Maßnahmenkatalog, den Liberias Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf am | |
| späten Mittwoch vorlegte, ist drakonisch. Alle Schulen sind bis auf | |
| Weiteres geschlossen. Alle „nicht unbedingt notwendigen“ Staatsangestellten | |
| werden für 30 Tage in Zwangsurlaub geschickt. Alle öffentlichen | |
| Veranstaltungen sind zu meiden. Märkte in Grenznähe sind geschlossen, die | |
| Regierung kann einzelne Gemeinden zu Quarantänegebieten mit totaler | |
| Ausgangssperre erklären. Der 1. August wird kurzfristig Feiertag „und ist | |
| der Desinfizierung und Chlorinierung aller öffentlichen Einrichtungen zu | |
| widmen“. | |
| Die Ebola-Epidemie in Liberia, Sierra Leone und Guinea sei „beispiellos“ | |
| und „greift die Lebensweise unserer Völker an“, erklärte Johnson-Sirleaf | |
| zur Begründung. Bereits zu den Feiern zum Unabhängigkeitstag am 26. Juli | |
| hatte die Präsidentin ein Verbot von Sportveranstaltungen und Konzerten | |
| verfügt. „Ebola Is Real – Happy Independence Day“ stand auf Transparenten | |
| über den Straßen der Hauptstadt Monrovia. | |
| Zeitgleich mit Johnson-Sirleaf wandte sich im Nachbarland Sierra Leone | |
| Präsident Ernest Bai Koroma ans Volk. „Ich verhänge hiermit den | |
| öffentlichen Notstand, um uns in die Lage zu versetzen, robustere Maßnahmen | |
| im Umgang mit Ebola zu ergreifen“, erklärte er. Für zunächst 60 bis 90 Tage | |
| werden Polizei und Militär Quarantänemaßnahmen durchsetzen. Mit „aktiver | |
| Überwachung und Hausdurchsuchungen“ sollen Seuchenopfer gefunden werden. | |
| Öffentliche Versammlungen sind verboten. Am Montag, dem 4. August, soll das | |
| Volk zu Hause bleiben für einen „Tag des familiären Nachdenkens, der | |
| Bildung und des Gebets“. Und ebenso wie seine liberianische Amtskollegin | |
| hämmerte der Sierra Leoner seinen Landsleuten ein: „Ebola Is Real“ – Ebo… | |
| gibt es wirklich. | |
| ## „Dead Body Management“ | |
| In einem Land wie Sierra Leone, wo jeden Tag rund zehn Menschen an Malaria | |
| sterben und Choleraepidemien immer wieder Hunderte Menschen dahinraffen, | |
| ist es schwer, der Öffentlichkeit die Brisanz einer unbekannten Seuche mit | |
| weniger als zwei Todesopfern pro Tag deutlich zu machen. Die Masse der | |
| Bevölkerung aller drei Länder lebt in Armut und stirbt früh an vermeidbaren | |
| Krankheiten. Jetzt gelten plötzlich für Ebola-Tote besondere | |
| Vorsichtsmaßnahmen: das Verbot, die Leiche zu berühren; Schutzanzüge für | |
| Totengräber und die Toten; manchmal sogar besondere Grabstellen, in der | |
| auch die gesamte persönliche Habe des Ebola-Opfers verbuddelt wird. Das | |
| Rote Kreuz zahlt Freiwilligen in Sierra Leone, die Ebola-Tote nach diesen | |
| Regeln beisetzen, königliche 5 US-Dollar am Tag. „Dead Body Management“ | |
| heißen diese Programme, für die jetzt internationale Finanzhilfen in | |
| Millionenhöhe gesucht werden. | |
| Aber sowohl in Liberia als auch in Sierra Leone sind die bekanntesten Ärzte | |
| des Landes mittlerweile an Ebola gestorben. Aus beiden Ländern gibt es | |
| Berichte, dass in zahlreichen Orten das Gesundheitspersonal nicht mehr zur | |
| Arbeit geht – aus Angst vor Ansteckung. Anwohner reagieren feindselig, wenn | |
| internationale Hilfswerke Ebola-Behandlungszentren errichten. Es | |
| zirkulieren Gerüchte, wonach man Ebola-Tote in Schutzanzüge stecke, um zu | |
| verschleiern, dass man ihnen Körperteile entfernt und Organe entnommen | |
| habe. | |
| Im liberianischen Foya, wo Ebola im März erstmals registriert wurde, sind | |
| Helfer bedroht und ihre Autos zerstört worden, berichtete am Mittwoch die | |
| liberianische Zeitung Front Page Africa. „Wir können nicht mehr sicher | |
| arbeiten“, zitiert das Blatt Kendall Kauffeldt vom Hilfswerk Samaritans. | |
| „Unser Einsatz setzt unser Leben aufs Spiel.“ | |
| ## Vier Krankenwagen in einem Distrikt | |
| Der Arzt Melvin Korkor, der als einer von nur fünf Ebola-Patienten in | |
| Liberia bisher die Seuche überlebt hat, berichtete, er werde jetzt von | |
| seinen Mitmenschen geschnitten. Als er zurück an seinen Arbeitsplatz an der | |
| Cuttington-Universität wollte, hätten ihn seine Kollegen und Studenten nur | |
| aus der Entfernung grüßen wollen. „Alle gucken mich an, als sei ich die | |
| Pest“, erzählte er einem lokalen Journalisten. „Dieses Stigma ist schlimmer | |
| als das Fieber.“ | |
| Es gibt viele Barrieren für eine effiziente Seuchenbekämpfung in dieser | |
| Region Westafrikas. Im Distrikt Kailahun in Sierra Leone gibt es nur vier | |
| Krankenwagen – und die fahren nach Ebola-Toten auch Lebende. In den | |
| Distrikten Bong und Bomi in Liberia gibt es kein ausgebildetes | |
| Laborpersonal. Die Vermutung, dass Ebola durch den Verzehr infizierter | |
| Wildtiere wie Waldaffen übertragen wird, kann überraschende Gräben | |
| aufreißen: weil die Muslime der Region keine Affen essen, erkranken mehr | |
| Christen als Muslime an Ebola, heißt es in einigen Berichten. Das ruft | |
| christliche Fundamentalisten auf den Plan. „Gott ist böse auf Liberia“, | |
| erklärten Liberias führende Bischöfe nach einer ökumenischen Konferenz | |
| diese Woche. „Liberianer müssen beten und um Gottes Vergebung für die in | |
| unserer Gesellschaft grassierende Korruption und Unmoral (wie | |
| Homosexualität) bitten.“ | |
| In allen drei Ländern – Liberia, Sierra Leone und Guinea – liegen blutige | |
| bewaffnete Konflikte keine fünfzehn Jahre zurück und die Legitimität der | |
| jungen demokratischen Regierungen ist schwach. „Der Glaube, wonach Ebola | |
| gar nicht existiert und die Krankheit lediglich eine Erfindung der | |
| regierenden Partei von Präsident Koroma sei, um die Menschen in den | |
| oppositionellen Hochburgen auszurotten, ist leider, insbesondere in | |
| Kailahun, weit verbreitet“, berichtet ein Bewohner von Sierra Leones | |
| Hauptstadt Freetown. In mehreren Ortschaften seien Gesundheitszentren | |
| angezündet worden. | |
| ## Kritik an Behörden | |
| In denselben entlegenen Bergregionen, in denen Ebola dieses Jahr seinen | |
| Ausgang genommen hat, bildeten sich einst die bewaffneten Gruppen, die ab | |
| Ende der 1980er Jahre diesen Teil Westafrikas rund 15 Jahre lang in einen | |
| Teufelskreis von Gewalt und Staatszerfall stürzten. Das hat Spuren | |
| hinterlassen. Als im Februar in der Region Guéckédou im Südosten von Guinea | |
| die ersten Ebola-Verdachtsfälle auftauchten, griffen Bewohner von 26 | |
| Gemeinden zu den Waffen, blockierten Straßen und zerstörten Brücken, um | |
| Regierungsvertretern den Zugang zu verwehren, sagte Guineas | |
| Kommunikationsminister Alhousseiny Makanera Kaké am Donnerstag: Man habe | |
| Polizei schicken müssen und 18 Leute festgenommen, seitdem laufe es gut. | |
| Umgekehrt kritisierte vor zwei Wochen Ibrahima Sory Traoré, der zur | |
| Regierungspartei gehörende Wahlkreisabgeordnete von Guéckédou, die Behörden | |
| seien zuerst mit der Seuche alleingelassen worden. Es habe vier Monate | |
| gedauert, bevor ein Regierungsmitglied sich habe blicken lassen. | |
| In allen drei Ländern gibt es Kritik, dass die Behörden zunächst zu langsam | |
| reagierten – in der Hoffnung, dieser Ebola-Ausbruch werde sich wie zuvor in | |
| anderen Teilen Afrikas von selbst erledigen. Aber die Ebola-Epidemie in | |
| Westafrika ist anders als bisherige in Afrika: Sie breitet sich viel weiter | |
| aus und fordert viel mehr Opfer. | |
| Nun prescht Liberia am entschlossensten voran. In einem Kommentar ist Front | |
| Page Africa des Lobes voll: „Liberia ist alles, was wir haben“, so das | |
| Blatt. „Was die Präsidentin und die Regierung jetzt starten, ist | |
| überfällig, aber es ist notwendig, um den Krieg gegen Ebola zu gewinnen und | |
| eine verunsicherte Nation zurück zur Vernunft zu führen.“ | |
| 31 Jul 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
| ## TAGS | |
| Ebola | |
| Liberia | |
| Sierra Leone | |
| Guinea | |
| Homophobie | |
| Ebola | |
| Ebola | |
| Ebola | |
| Ebola | |
| Ebola | |
| Ebola | |
| Ebola | |
| Ebola | |
| Westafrika | |
| Virus | |
| Ebola | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Ebola und Cholera in Guinea: Umgang mit Krankheiten lernen | |
| Das westafrikanische Guinea kämpft gegen zwei Seuchen. Eine groß angelegte | |
| Impfkampagne soll den Ausbruch von Cholera eindämmen. | |
| Ebola in Westafrika: Von der Seuche zur sozialen Krise | |
| Die Zahl der Todesopfer steigt auf fast 900. Die wirtschaftlichen und | |
| sozialen Folgen sind dramatisch. In Sierra Leone rückt die Armee aus. | |
| Epidemie in Westafrika: Millionen für Kampf gegen Ebola | |
| Die Weltbank will den Kampf gegen die Ebola-Epidemie in Westafrika mit bis | |
| zu 200 Millionen Dollar unterstützen. Auch Nigeria ist nun betroffen. | |
| Ebola in Westafrika: Grenzgebiete unter Quarantäne | |
| Die drei von der Ebola-Seuche betroffenen Staaten isolieren die Epizentren | |
| der Epidemie. Erste Fluglinien steuern Guinea nicht mehr an. | |
| Ebola in Westafrika: Der kranke Krisenkontinent | |
| Weil sich in Westafrika Ebola-Fälle häufen, haben es auch Liberia und | |
| Sierre Leone in die Nachrichten geschafft. Die Angst vor der Epidemie | |
| bedient westliche Klischees. | |
| Ebola in Westafrika: „Die Lage ist außer Kontrolle“ | |
| Die WHO startet ein Notprogramm über 100 Millionen Dollar und lädt zu einem | |
| Krisengipfel am Freitag. Die USA fliegen unterdessen erkrankte US-Bürger | |
| aus. | |
| Ebola in Westafrika: Gemeinsam gegen das Fieber | |
| Viele westafrikanische Staaten wollen die schwere Epidemie mit einer | |
| länderübergreifenden Strategie bekämpfen. Bisher starben 460 Menschen an | |
| der Krankheit. | |
| Ebola-Epidemie in Westafrika: Mehr Tote als je zuvor | |
| Mehr als 460 Menschen sind dieses Jahr durch Ebola-Viren umgekommen. Es ist | |
| die schlimmste Epidemie seit der Entdeckung des Virus im Jahr 1976. | |
| Ebola-Ausbruch in Westafrika: Minister beraten auf Krisentreffen | |
| Mehrere westafrikanische Länder wollen einen Aktionsplan gegen die sich | |
| ausbreitende Epidemie entwickeln. Die WHO nennt die Beschlüsse | |
| „entscheidend“. | |
| Epidemie in Westafrika: Ebola außer Kontrolle | |
| In mehreren westafrikanischen Ländern verbreitet sich das Ebola-Virus | |
| rasant, warnt die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. Seit Jahresbeginn | |
| starben 350 Menschen. | |
| Virus in Guinea: Ebola breitet sich aus | |
| Die Zahl der Ebola-Toten in Guinea ist auf 78 Menschen gestiegen. Weitere | |
| 122 stehen unter Krankheitsverdacht. In Liberia starben vergangene Woche | |
| fünf Menschen. |