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# taz.de -- Crowdfunding für Ausstellungshaus: Schwärmen für die Fotografie
> Im Oktober eröffnet die Galerie C/O Berlin im umgebauten Amerikahaus mit
> Arbeiten von Will McBride. Davor gilt es noch, Geld zu sammeln.
Bild: Hier soll Berlins wichtigster Ausstellungsort für Fotografie entstehen.
Eine weiße Plane umspannt das Amerika-Haus am Bahnhof Zoo. Darauf verheißt
die Zeile „Grand Opening 2014“ den Neuanfang von Berlins wichtigstem
Ausstellungsort für Fotografie: Hinter der Plane wird [1][der Einzug von
C/O Berlin vorbereitet]. Das Land Berlin finanzierte die Sanierung des 1957
mit Marshallplan-Geldern gebauten Hauses.
Einst vermittelten die USA hier amerikanische Kultur, immer wieder wurde
der Platz vor der blauweißen Mosaikfassade Schauplatz für Proteste, zuerst
gegen den Vietnamkrieg, später gegen den Irakkrieg. Künftig versammeln sich
Menschen hier wohl nur noch in der Schlange, wenn mal wieder eine
Blockbuster-Schau eröffnet.
Im ehemaligen Kaiserlichen Postfuhramt in Mitte feierte C/O Berlin Erfolge
mit Künstlern wie Nan Goldin, Peter Lindbergh oder Robert Mapplethorpe.
Unvergessen bleibt die Großaufnahme einer Vagina, die unter dem Rundbogen
des Eingangsportals für die Larry-Clark-Retrospektive warb. Unter dichtem
Schamhaar blitzte der tätowierte Schriftzug „Larry“ hervor.
Um Besucher künftig mit großen Namen in den Westen der Stadt zu lotsen,
muss das Ausstellungshaus mit einer hervorragenden Klimatechnik aufwarten.
Sonst sagen Leihgeber womöglich ab. Hohe Standards wünschen sich die Macher
aber auch für Licht- und Projektionstechnik. Den Innenausbau muss die
Stiftung selbst finanzieren, neben Spenden und Sponsorengeldern akquiriert
sie jetzt [2][Unterstützung über Deutschlands größte Crowdfunding-Plattform
Startnext]. Funding-Ziel sind 100.000 Euro.
## 1. Deadline 10. August
C/O Berlin ist eines der ersten Ausstellungshäuser, das eine
Crowdfunding-Kampagne startet. Bisher funktioniert die Schwarmfinanzierung
am besten in der Filmbranche, aber auch Designer und Kulturschaffende
pitchen Projekte im Netz. Fast eine Million Euro kamen im Juni für die
Onlinejournalisten Krautreporter über Startnext zusammen, neben
Kleinbeträgen half eine Großspende der Kampagne kurz vor Ablauf über die
Ziellinie.
Das Berliner Ausstellungshaus bringt gute Voraussetzungen für eine
erfolgreiche Schwarmfinanzierung mit. Der Name ist bekannt, die
Fan-Gemeinde groß. Wer den Höchstbetrag von 950 Euro spendet, nimmt an
einem Workshop mit Fotografen der Agentur Magnum teil oder lässt sich von
den Kuratoren in den neuen Ausstellungsräumen bekochen.
Beim Crowdfunding gilt: Der Gewinner bekommt alles, der Verlierer nichts.
Wird das Funding-Ziel am Ende nicht erreicht, verfällt die bis dahin
gesammelte Summe. Um nicht ganz leer auszugehen, haben die Kampagnenstarter
eine Funding-Schwelle von 30.000 Euro festgesetzt. Wird sie bis zum 10.
August erreicht, fließt zumindest dieser Betrag in den Ausbau. Kuratorin
Ann-Christin Bertrand hofft auf mehr: „Damit könnten wir zwar eine
Sparvariante umsetzen, auf bestimmtes technisches Equipment müssten wir
aber verzichten.“
Eigentlich wären die C/O-Berlin-Macher lieber im alten Postfuhramt
geblieben. Doch nach langem Kampf und kurzem Aufschub wurde im März 2013 in
den alten Gemäuern die letzte Party gefeiert. Gewerbeflächen, Wohnungen und
ein Hotel sollen hier entstehen. Die imposanten Räume mit Kuppelsaal,
Turnhalle und traumhafter Patina trugen wesentlich zum Erfolg des Projekts
bei, das Fotograf Stephan Erfurt, Designer Marc Naroska und Architekt Ingo
Pott im Jahr 2000 privat initiierten. 2006 zogen sie ins Postfuhramt.
## Menschenmassen standen Schlange
Drei Jahre später standen wochenlang Menschenmassen in der Oranienburger
Straße Schlange. „Annie Leibovitz hatte Location-Scouts nach Berlin
geschickt, und man riet ihr, unbedingt bei uns auszustellen“, erzählt
Bertrand. Die Retrospektive der weltberühmten Fotografin verhalf der
Institution in die schwarzen Zahlen. Sieben Jahre lang logierte C/O Berlin
in diesem Traumhaus, das allerdings von Anfang an auf einem wackeligen
Fundament stand. Die Mietverträge waren befristet, die Laufzeit kurz.
Der neue Mietvertrag läuft erst in 16 Jahren ab. Zwar ist die City West für
den Kunst- und Kulturbetrieb noch Entwicklungsstadtteil. Doch Bertrand ist
von den Vorteilen des neuen Standorts überzeugt. C/O Berlin sei dort gut
erreichbar, wichtig für ein Haus, das sich fast ausschließlich über
Eintrittsgelder finanziere. Und es passiere viel, das neue Einkaufszentrum
Bikini-Haus und das frisch umgebaute Kino Zoo-Palast werteten die Umgebung
auf. Die Nachbarn heißen Museum für Fotografie, Helmut-Newton-Stiftung und
Camera Work.
Am Bahnhof Zoo entsteht so etwas wie ein Hotspot für Fotokunst. Für die
City West ist C/O Berlin ein Glücksgriff, der Bezirk Charlottenburg empfing
das Team mit offenen Armen. Die Kommunikation laufe wunderbar, sagt
Bertrand, auf Antwort vom Bezirksamt Mitte habe man mitunter wochenlang
warten müssen. Der Neuanfang heißt aufatmen und sich aufs Wesentliche
konzentrieren: Ausstellungen machen.
## Eröffnung im Oktober
Im Herbst eröffnet das Haus gleich mit vier Schauen. Die erste
Einzelausstellung ist dem US-amerikanischen Fotografen und Wahlberliner
Will McBride gewidmet. Bekannt wurde er als Twen-Fotograf, in den
Siebzigern sorgte er mit seinem Aufklärungsbuch „Zeig mal!“ für Furore. Zu
sehen sein werden aber Bilder, die McBride zwischen 1956 und 1963 in Berlin
schoss: Als junger Beatnik zog er mit der Leica durch die Stadt und
dokumentierte das Nachkriegsleben.
Er war der erste Fotograf, dessen Arbeiten Ende der Fünfziger im
Amerika-Haus gezeigt wurden. Zwei weitere Schauen hat die Fotoagentur
Magnum konzipiert. Eine zeigt analoge Kontaktbögen von Fotografen wie
Robert Capa und Henri Cartier-Bresson, die nachvollziehen lassen, wie
ikonische Momente des kollektiven Bildgedächtnisses entstanden sind. Eine
weitere Schau lädt zum Experimentieren mit Photomatons ein, jenen
Fotokabinen, die Fotostreifen auswerfen und die heute eigentlich nur noch
vor trendigen Clubs und Bars stehen.
Magnum hat sie so präpariert, dass Besucher sich selbst im Stil von
Magnum-Fotografen wie Martin Parr oder Bruce Gilden porträtieren und die
Bilder direkt über soziale Netzwerke teilen können. Schließlich sind fünf
„Talents“ zu sehen, junge Fotokünstler, die C/O Berlin jedes Jahr im Rahmen
eines Wettbewerbs auswählt.
Mit einer Magnum-Schau begann einst die Erfolgsgeschichte von C/O Berlin.
Bertrand erinnert sich, als in der Turnhalle des Postfuhramts Nan Goldins
„The Ballad of Sexual Dependency“ projiziert wurde, seien viele Besucher in
Tränen ausgebrochen. Die Werkserie, eine der bekanntesten Arbeiten der
künstlerischen Fotografie überhaupt, gibt intime Einblicke in das Leben der
Freunde Goldins in den frühen Achtzigern zwischen Hedonismus, sexueller
Befreiung, Liebe, Drogen und Aids. Damit auch in Zukunft in den
Ausstellungsräumen geweint werden kann, muss jetzt die richtige Technik
her.
5 Aug 2014
## LINKS
[1] http://www.co-berlin.org
[2] http://www.startnext.de/co-berlin
## AUTOREN
Sabine Weier
## TAGS
Berlin
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