| # taz.de -- Präsidentschaftswahl in der Türkei: Andersdenkende sind Feinde | |
| > Bei seinem Wahlsieg 2002 galt Erdogan als Saubermann. Heute ignoriert er | |
| > die Hälfte der Bevölkerung und setzt auf religiös-konservative Sunniten. | |
| Bild: Andersdenkende? Hier gibt es keine Andersdenkenden | |
| ISTANBUL taz | Als die AKP im Herbst 2002 als neue Partei erstmals mit | |
| großer Mehrheit die Wahlen gewann, befand sich die Türkei in der Talsohle | |
| einer tiefen ökonomischen Krise. Die AKP und Recep Tayyip Erdogan hatten | |
| das Image einer sauberen, nicht korrupten Partei, die einen ehrlichen | |
| Neuanfang versuchen würde. Sie hatten das Glück, dass sie dank einer guter | |
| Konjunktur für die Schwellenländer ökonomische Zuwachsraten von zehn | |
| Prozent erzielten und mit dem Geld internationaler Investoren große | |
| Infrastrukturprojekte und den Ausbau des Gesundheitssystems in Angriff | |
| nehmen konnten. | |
| Diese erste Periode von 2002 bis 2006 war deshalb so etwas wie der | |
| Honeymoon der AKP und Erdogan. Mit der internationalen Finanzkrise 2008 | |
| brachen dann auch in der Türkei die Wachstumsraten erst einmal stark ein, | |
| das Land erholte sich aber wesentlich schneller als der Euroraum und die | |
| USA. | |
| Zusätzlich zur ökonomischen Lage verschlechterte sich auch das | |
| internationale Umfeld. Nach der Wahl von Angela Merkel in Deutschland und | |
| Nicolas Sarkozy in Frankreich stockte der Beitrittsprozess zur EU bis hin | |
| zum völligen Erliegen. | |
| Die ökonomischen und außenpolitischen Probleme führten ab 2007 zu einer | |
| enormen Verschärfung der innenpolitischen Lage. Erdogan sah sich von der | |
| Opposition und dem Militär bedrängt und ordnete nach seiner Wiederwahl 2007 | |
| die erste von mehreren Säuberungsaktionen an. Zunächst traf es das Militär. | |
| Wegen angeblicher Putschpläne, die in den folgenden Schauprozessen nie | |
| wirklich bewiesen werden konnten, ließ Erdogan ein Drittel der führenden | |
| Militärs und etliche Führungsfiguren der säkularen Elite ins Gefängnis | |
| stecken. In Silivre, einem westlichen Vorort von Istanbul, entstand ein | |
| ganzer Gefängniskomplex für politische Gegner. | |
| ## Frieden als Wahltaktik | |
| Gestützt auf erneut gute Wirtschaftsdaten und einen überaus | |
| polarisierenden, polemischen Wahlkampf erreichte Erdogan bei den | |
| Parlamentswahlen im Sommer 2011 fast 50 Prozent der Wählerstimmen. Ab jetzt | |
| sah er keinerlei Grund mehr, die andere Hälfte der Bevölkerung zu | |
| berücksichtigen. Ganz offen setzte er nun ausschließlich auf die | |
| religiösen, konservativen Sunniten. Die säkulare Bevölkerung und die | |
| Aleviten wurden unterdrückt. Eine Ausnahme bildeten die Kurden. Mit dem | |
| Argument: „Wir sind alle sunnitische Muslime“, leitete Erdogan einen | |
| Friedensprozess mit der PKK ein und versucht seitdem, diese Minderheit auf | |
| seine Seite zu ziehen. | |
| Als Reaktion auf diese Unterdrückung kam es im Sommer 2013 zu den | |
| landesweiten Gezi-Protesten, die Erdogan als Verschwörung gegen seine | |
| Herrschaft auffasste und brutal niederknüppeln ließ. Genauso verhielt er | |
| sich gegenüber Korruptionsvorwürfen im Dezember 2013. Statt diese | |
| gerichtlich prüfen zu lassen, wurden die ermittelnden Polizisten und | |
| Staatsanwälte gefeuert. | |
| Spätestens seit Gezi und den Korruptionsvorwürfen behandelt Erdogan alle | |
| Einwohner der Türkei, die nicht für ihn sind, als Gegner. Seine Anhänger | |
| begeistert Erdogan mit einer immer noch ansehnlichen Wirtschaftsleistung, | |
| einer stramm religiös-konservativen Gesellschaftspolitik und gigantischen | |
| Infrastrukturprojekten, die die Türkei in eine moderne Zukunft führen | |
| sollen. | |
| 8 Aug 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Jürgen Gottschlich | |
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