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# taz.de -- Video zur Tötung in St. Louis: Nie eine Gefahr für Polizisten
> Die Polizei in St. Louis behauptet, Beamte hätten in Notwehr auf einen
> schwarzen Mann geschossen. Ein Video zeigt nun, dass das nicht wahr ist.
Bild: Kajieme Powell (oben links im Bild) und Polizisten kurz vor der Erschieß…
ST. LOUIS taz | Das Video ist verstörend und erhellend zugleich. Es zeigt
zwei weiße Polizisten, die einen jungen, schwarzen und erkennbar gestörten
Mann auf einem Bürgersteig in St. Louis erschießen. 15 Sekunden nach
Ankunft der Polizisten liegt Kajieme Powell sterbend am Boden. Einer der
beiden Beamten richtet seine Pistole auf den Sterbenden. Der andere legt
ihm Handschellen an. „Oh my fucking God“, ist eine Stimme im Off zu hören,
„sie haben ihn gekillt. Es geht schon wieder los. Warum haben sie bloß
keinen Taser benutzt?“
Die Szene spielt neben einer Bushaltestelle am Riverview Boulevard St.
Louis - wenige Schritte von dem „Six Stars“ Supermarkt, in dem Kajieme
Powell kurz zuvor zwei Energiegetränke und ein Gebäck gestohlen haben soll.
Der Verkäufer aus dem Supermarkt ist auf dem Video mit einer roten
Schirmmütze zu sehen. Er schaut aus wenigen Schritt Entfernung zu, wie die
Polizei, die er wegen des Diebstahls verständigt hat, Kajieme Powell
erschießt.
Nicht einmal vier Meilen entfernt ist zehn Tage zuvor in dem Vorort
Ferguson der unbewaffnete Teenager Michael Brown von einem anderen
Polizisten aus Missouri erschossen worden.
„Er hat die beiden Polizisten mit einem Messer bedroht“, erklärt der
Polizeichef von St. Louis, Sam Dotson, kurz nach dem Tod von Kajieme
Powell. Der Tote habe ein Messer umklammert, es auf die Polizisten
gerichtet und sei auf sie zugelaufen. Dotson wiederholt seine Anschuldigung
auch vor mehreren Dutzend afroamerikanischen Jugendlichen, die den Rest des
Nachmittags und Abends an der Straßenecke versammelt sind. Manche von ihnen
rufen den Slogan der Protestbewegung aus Ferguson: „Hands Up – Don't
Shoot“. Der Polizeichef stellt sich hinter seine Beamten. Sagt, sie hätten
in Notwehr gehandelt.
## Transparenz und Widerspruch
Das um Offenheit bemühte Auftreten von Polizeichef Dotson ist eine Reaktion
auf das Verhalten der Polizei von Ferguson. Die hat nach der Erschießung
von Michael Brown tagelang geschwiegen und zugleich mit militärischem
Auftreten gegenüber Demonstranten die Krise in der Vorstadt eskaliert hat.
In St. Louis geht der Polizeichef noch einen Schritt weiter: Er
veröffentlicht [1][ein sechseinhalbminütiges Video] (Achtung: Dieses Video
zeigt die Erschießung eines Menschen.), das ein Passant mit dem Handy von
der Erschießung Kajieme Powell's gedreht hat.
Doch das Video ist nicht nur eine seltene Demonstration polizeilicher
Transparenz. Es widerspricht auch der Darstellung Dotsons in mehreren
Punkten: Kajieme Powell mag ein Messer in der rechten Hand haben – genau
ist das nicht zu erkennen – aber er richtet es in keinem Moment gegen die
Polizisten. Stattdessen lässt er seine beiden Arme in den letzten Sekunden
seines Lebens neben dem Körper nach unten hängen. Er geht auch nicht auf
die Männer zu, als die ihren Wagen an die Bordsteinkante fahren und mit
gezückten Pistolen herausspringen, sondern weicht zunächst mehrere Schritte
zurück. (Achtung: Dieses Video zeigt die Erschießung eines Menschen.)
Auf die Aufforderung, sein Messer fallen zu lassen, läuft er ein paar
Schritte vor und ruft: „Schießt! Erschießt mich. Jetzt.“ Dann entfernt er
sich wieder von den Polizisten, steigt über ein Mäuerchen nach hinten und
bewegt sich hinter dem Mäuerchen wieder auf die Polizisten zu. Das ist der
Moment, in dem beide Polizisten das Feuer eröffnen. Nach Angaben von
Polizeichef Dotson verschießt jeder Beamte sechs Kugeln.
## „Selbstmord durch Cop“?
Im Stadtteil war bekannt, dass der 25-jährige Kajieme Powell, der bei
seiner Oma lebte, geistig behindert war. Auf dem Handy-Video, das lange vor
der Ankunft der Polizei beginnt, führt Kajieme Powell Selbstgespräche, in
denen die Worte „Brown“ und „Facebook“ fallen. Ein junger Mann geht ganz
nah an ihm vorbei. Eine Stimme ruft ihm aus dem Off zu: „Alles OK,
Brother?“ Eine andere Stimme kichert: „Mann, ist der verrückt“. Die beid…
Energiegetränke stehen am Rand des Bürgersteigs. Kajieme Powell rührt sie
nicht an. Er geht rastlos auf und ab. Später soll ein Polizist sagen: „Es
war Selbstmord durch Cop.“
Nachdem Kajieme Powell tot ist, wird die Situation an der Straßenkreuzung
für die Augenzeugen laut und bedrohlich. Zusätzliche Polizisten fahren mit
Sirene vor. Sperren den Tatort mit gelbem Plastikband ab. Drängen die
Umstehenden zurück. „Dreh Dich um“, herrscht ein nervöser Polizist einen
jungen Mann mit Rastalocken an: „Geh. Sofort.“ Eine Frau schreit jemandem
mit angstvoller Stimme zu, er solle „verdammt nochmal“ auf Abstand zur
Polizei gehen. Ein Mann versucht, die Polizisten zu beruhigen: „Keine
Sorge. Wir weichen ja schon zurück.“
Der Eindruck, dass hier Polizisten versuchen, eine kritische Situation
ruhig einzuschätzen, um angemessen darauf zu reagieren, stellt sich nach
Ansehen des Videos nicht ein. Hingegen wirft das Video Schlaglichter auf
die alltäglichen Begegnungen zwischen afroamerikanischen Männern mit der –
mehrheitlich weißen – Polizei in Missouri. Und auf eine polizeiliche
Taktik, in der Schießen die erste Option zu sein scheint. Solange bis ein
Polizist, wie in St Louis geschehen, seiner Zentrale per Funk melden kann:
„Verdächtiger ist am Boden.“
22 Aug 2014
## LINKS
[1] http://youtu.be/Hi0lYWZ_stA
## AUTOREN
Dorothea Hahn
## TAGS
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USA
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