| # taz.de -- Klage gegen Inhaftierung: Die Polizei darf auch nicht alles | |
| > Eine Einschränkung des Demonstrationsrechts ist auch im Gefahrengebiet | |
| > nicht zulässig. 17 Menschen, die im Januar über Nacht inhaftiert wurden, | |
| > hatten geklagt. | |
| Bild: Dürfen auch im Gefahrengebiet das Versammlungsrecht nicht einschränken:… | |
| HAMBURG taz | Die Einkesselung von mehr als 50 Demonstranten im Januar, von | |
| denen 44 in Gewahrsam genommen worden sind, war rechtswidrig. Auch die | |
| Auflösung einer Spontandemo gegen das Anfang des Jahres von der Polizei | |
| eingerichtete „Gefahrengebiet“ in Altona und St. Pauli sei „nicht mit den | |
| geltenden Gesetzen“ in Einklang zu bringen. Das urteilte das Hamburger | |
| Verwaltungsgericht in 17 Anerkennungsurteilen nur vier Monaten nach | |
| Klageeinreichung. | |
| Das Versammlungsrecht könne nicht durch polizeilich eingerichtete | |
| Gefahrengebiete ausgehebelt werden. Im Falle der Demo-Auflösung musste die | |
| Polizei im Verfahren ihre Schuld eingestehen. | |
| Rund 50 Demonstranten hatten sich am 5. Januar dieses Jahres in der Schanze | |
| spontan auf der Straße verabredet, um gegen das tags zuvor ausgerufene | |
| Gefahrengebiet zu protestieren. In polizeilichen Gefahrengebieten sind nach | |
| den Polizeigesetzen verdachtsunabhängige Personenkontrollen mit | |
| Taschenkontrollen durch Polizeibeamte zulässig. | |
| Die Notwendigkeit des Gefahrengebiets war damals mit angeblichen Attacken | |
| der autonomen Szene auf die Polizeireviere Lerchenstraße und Davidstraße | |
| begründet worden. Zumindest der letzte Vorfall hat sich als Ente | |
| herausgestellt. | |
| Der damalige Protest, der mit einer Klobürsten-Beschlagnahme endete, war | |
| schnell im Keim erstickt. Die Polizei kesselte die Demonstranten ein und | |
| forderte auf der Stresemannstraße von den Versammelten die Herausgabe der | |
| Personalien, 44 Personen wurden in Gewahrsam genommen und über Nacht | |
| festgehalten. | |
| „Jeder Mensch in einem Gefahrengebiet hat natürlich das Recht, spontan ein | |
| Transparent gegen das Gefahrengebiet zu malen und dann damit vor die Tür zu | |
| gehen“, sagte Rechtsanwalt Andreas Beuth am Sonntag. Und wenn sich dann | |
| Nachbarn spontan dazugesellen würden, sei das ihr verfassungsrechtlich | |
| geschütztes Recht. So argumentierte auch Beuths Kollegin Ingrid Witte-Rohde | |
| vor Gericht. „Zum Einen stellt bereits die Verhinderung der Spontandemo | |
| eine grundrechtswidrige Beschneidung des Rechts auf Versammlungsfreiheit | |
| dar“, sagte die Anwältin. | |
| Weder das Polizeigesetz (SOG) noch das im Hamburger Gesetz über die | |
| Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG) vorgesehene „Gefahrengebiet“ könnten | |
| pauschal das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit außer Kraft setzen. | |
| Zumindest hätte die Versammlung, wenn es dazu polizeiliche Gründe gegeben | |
| hätte, offiziell aufgelöst werden müssen – was nicht geschehen ist. | |
| Angebliche Durchsagen mit Handmegafonen reichten laut Gericht nicht aus. | |
| Auch der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar hatte sich im | |
| April in einem Gutachten dahingehend geäußert, dass die Gefahrengebiete | |
| verfassungsrechtlich bedenklich seien und gegen das informationelle | |
| Selbstbestimmungsrecht verstießen. | |
| Die gerichtlichen Urteilsbegründungen fallen in den aktuellen Verfahren nur | |
| kurz aus, weil sich die Polizei-AnwältInnen schuldbewusst zeigten. Die | |
| Betroffenen-Anwälte Witte-Rohde und Beuth werden nun Schmerzensgeld für | |
| ihre Mandanten wegen der nicht gerechtfertigten Freiheitsberaubung | |
| beantragen. Ob der polizeiliche Ausnahmezustand durch Gefahrengebiete in | |
| den Hamburger Polizeigesetzen verfassungswidrig ist oder nicht, darüber | |
| brütet zurzeit das Hamburgische Oberverwaltungsgericht. Eine Entscheidung | |
| ist nicht in Sicht. | |
| 24 Aug 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Kai von Appen | |
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