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# taz.de -- Flüchtlinge: „Es geht hier um Menschen!“
> Der Senat hat die Asylbewerber vom Oranienplatz hängen lassen, sagt Evi
> Gülzow von der Diakonie.
Bild: Hat alles nichts gebracht: Aktivistenzelt in Kreuzberg
taz: Frau Gülzow, am Dienstag wurden die ersten 108
Oranienplatz-Flüchtlinge, deren Verfahren abgeschlossen wurden, aus den
Heimen entlassen. Sie bekommen keinerlei Unterstützung mehr. Wie finden Sie
das?
Evi Gülzow: Es ist wichtig zu wissen, dass jetzt auch Leute, deren
Verfahren noch läuft, ihren Wohnplatz verlieren. Wir haben davon letzte
Woche erfahren und darum gebeten, dass das auf eine menschliche Art und
Weise passiert. Dass man guckt, ob sie in anderen Bundesländern noch Plätze
und Ansprüche haben. Bei denen, die aus Italien hierherkamen, haben wir uns
dagegen ausgesprochen, denn dort sind die Behörden überfordert. Das wird
jetzt offenbar nicht berücksichtigt. Ich finde diesen Umgang nicht
nachvollziehbar, es geht hier um Menschen! Für mich ist dies das Ende eines
viermonatigen Versuchs, Menschen in die Legalität zu bekommen – was total
gescheitert ist.
Weil kein Flüchtling hier legal aufgenommen wird.
Genau. Bisher sind alle abgelehnt worden, die wir durch das sogenannte
Oranienplatz-Verfahren begleitet haben, mit denen wir also einen Antrag bei
der Ausländerbehörde gestellt haben. Das hätte man sich alles sparen
können. Im Senat war man sich einfach nicht einig: Es gab eine
Vereinbarung, die Frau Kolat geschlossen hat. Und jetzt sagt Herr Henkel,
so habe er das gar nicht gemeint. Das müssen die Flüchtlinge jetzt
ausbaden.
Die werden jetzt in ihre zuständigen Bundesländer zurückgeschoben oder nach
Italien?
Davon gehe ich aus. Aber es gab ja auch viele Menschen am Oranienplatz, die
schon vor Monaten eine Ausreiseaufforderung hatten und sich eine letzte
Chance erhofft hatten vom Senat. Die haben jetzt gar nichts.
Die BeraterInnen von Diakonie und Caritas haben sich einen letzten
Rettungsanker für die Geflüchteten ausgedacht: die Teilnahme am
Bundesfreiwilligendienst. Auf Facebook suchen Sie zur Zeit
Wohnmöglichkeiten für diese Fälle. Ist das mit dem Senat abgesprochen?
Der Senat hat im Einigungspapier der Forderung der Flüchtlinge zugestimmt,
zu prüfen, ob es in Berlin Arbeitsmöglichkeiten für die Leute gibt. Wir
haben daher drei Dinge geprüft: Gibt es Praktika mit Deutschkursen, durch
die die Flüchtlinge ins Berufsleben rutschen können? So hätten wir sehr
viele Menschen unterbringen können. Als Zweites haben wir bei der Diakonie
Stellen im Bundesfreiwilligendienst, auf die wir Flüchtlinge hätten setzen
können. Wir hatten schon für Schlafstätten gesorgt – wir hätten das alles
hingekriegt! Aber schon beim ersten Fall ist mir sofort von der
Ausländerbehörde signalisiert worden: Das wird nichts.
Weil die Geflüchteten keine Aufenthaltserlaubnis bekommen?
Genau. Weil sie nicht arbeiten dürfen. Das hat uns der Zuständige von der
Ausländerbehörde von Anfang an gesagt. Ich wollte das aber nicht ernst
nehmen, weil ja das Gegenteil in der Einigung steht. Deshalb hat auch die
dritte Möglichkeit nicht geklappt, obwohl das Frau Kolat explizit gesagt
hatte: Man könne ja über die IHK versuchen, Leute in Arbeit zu bringen. Das
haben wir auch probiert: Es gibt ja unter den Leuten einige, die einen
Beruf gelernt haben. Auch das ging nicht wegen des Status.
So war Ihre Arbeit für die Katz.
Ja. Und so entsteht eine riesige Enttäuschung, nicht nur bei den
Flüchtlingen, auch bei den BeraterInnen. Die haben alles versucht, um die
Menschen unterzubringen, aber die Anträge wurden von der Ausländerbehörde
abgelehnt – oft innerhalb einer Woche. Und Anträge auf Fristverlängerung,
die von uns für die Flüchtlinge gestellt wurden, um ausreichend Zeit für
schwierige Beratungsfälle zu haben, waren auch erfolglos. Da war nichts mit
wohlwollender Prüfung.
INTERVIEW: SUSANNE MEMARNIA
27 Aug 2014
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
Flüchtlinge
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