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# taz.de -- Wowereits Rücktritt: Er ist dann mal weg
> Klaus Wowereit, dienstältester Ministerpräsident der Bundesrepublik, will
> sein Amt Mitte Dezember abgeben.
Bild: Da geht er hin, einen Schatten schon auf den Fersen
„Klaus Wowereit hat in Berlin abgewirtschaftet“, textet ein Fernsehmann
schon in eine Kamera, da ist der Regierende Bürgermeister noch gar nicht im
Raum. Der Mann, der schließlich in den Pressesaal des Roten Rathauses
kommt, um seinen am Vormittag durchgesickerten Rücktritt anzukündigen,
sieht alles andere als abgewrackt aus. Jovial und witzelnd wie in besten
Zeiten berichtet Wowereit erst ausführlichste über jüngste Schritte einer
Olympia-Bewerbung, bevor er dann doch seinen Rückzug zum 11. Dezember
ankündigt. Neuwahlen, wie von den Grünen gefordert, gibt es offenbar nicht
– die mitregierende CDU bleibt am Dienstag bei ihrer Haltung, man habe eine
Koalition mit der SPD und nicht mit Wowereit.
Es ist ein viel diskutierter und doch überraschender Schritt. Wowereit,
2001 nach seinem Coming out bei einem SPD-Parteitag mit den Worten „Ich bin
schwul. Und das ist auch gut so“ bundesweit bekannt und wenig später
Regierungschef geworden, wackelt zwar wegen des Pannen belasteten
Flughafensprojekt BER seit Anfang 2013. Da hatte er als Aufsichtsratschef
einräumen musste, dass der Großflughafen, das größte ostdeutsche
Infrastrukturprojekt,vorerst nicht eröffnen würde.
Damals stellte sich seine Fraktion hinter ihn, teils widerwillig, aber auch
nicht gewillt, sich von den Grünen instrumentalisieren zu lassen, die ein
Misstrauensvotumdurchgesetzt hatten. Doch seither diskutieren Partei und
Medien über seine Nachfolge. Vom Hof jagen konnte ihn die SPD nicht, da
hätten ihn schon die eigenen Leute im Parlament abwählen müssen. Und
freiwillig gehen? Wowereit äußerte stets, er sei bis 2016 gewählt – dann
steht die nächste Wahl zum Abgeordnetenhaus an, dem Berliner
Landesparlament.
Ende nächsten Jahres wollte er sagen, wie er sich seine weiter Zukunft
vorstellt. Ziemlich deutlich ließ er durchblicken, dass er sich immer noch
für besser hielt als alle möglichen Nachfolger. Und da sich bei diversen
Anlässen zeigte, dass er damit nicht Unrecht hatte, blieb es bei bloßen
Diskussionen.
Es ist also weniger der Rücktritt selbst, sondern der Zeitpunkt, der
überrascht. Zwar sagt einer, der ihn gut kennt, er habe zuletzt an
Motivation verloren. Doch nach innerparteilichen Zwisten im April und Mai
zwischen schien die Lage vorübergehend bereinigt. Ein großes Energiethema,
das die Koalition belastete, beherrschte die Berichterstattung, und in der
Olympia-Bewerbung schien Wowereit ein neues Thema gefunden zu haben.
Doch immer wieder tauchten neue Pannennmeldungen vom BER auf, technische
wie personelle bis hin zum Korruptionsverdacht bei einem leitenden
Mitarbeiter. Wowereit hatte den zwar weder eingestellt noch die jüngsten
Probleme direkt zu verantworten. Das half aber nichts. „Den Flughafen wird
er nicht mehr los“, sagte im Frühsommer eine langjähriger Weggefährte.
„Eine meiner größten Niederlagen“ nennt er selbst verschobene BER-Eröffn…
Wowereit, über viele Jahre der beliebteste Politiker Berlins, der die Wahl
2011 fast im Alleingang für die SPD gewann, rutschte in Umfragen immer
weiter ab, Anfang August sogar auf den letzten Platz, noch hinter den zuvor
darauf abonnierten Piraten-Politikern. Auch die Werte der SPD litten: Mit
21 Prozent liegt sie weit hinter ihrem eigentlich kleineren
Koalitionspartner CDU mit 28 Prozent und auf Augenhöhe mit den
oppositionellen Grünen.
Diskussionen über seine Nachfolge zwei Jahre vor der nächsten Wahl brächten
„wenig Nutzen, aber viel Schaden für eine effektive Regierungsarbeit“,
resümiert Wowereit vor den dicht gedrängt sitzenden Journalisten im Roten
Rathaus, wo er im Juni 2001 Regierungschef wurde. Er legt Wert darauf, dass
er freiwillig geht und nicht gedrängt – „Druck erzeugt Gegendruck und ist
bei mir ein ganz schlechtes Mittel“. Auch von persönlichen Gründen ist
keine Rede. Es ist nicht die Stunde der großen Abrechnung, aber er lässt
nicht unerwähnt, dass die Diskussion um seine Nachfolge auch aus seiner
Partei „mit befördert worden ist“.
Empfehlungen mag er nicht geben, aber es fällt auf, dass er sich bei
Fraktionschef Raed Saleh für Loyalität bedankt, den Landesvorsitzenden Jan
Stöß aber nicht erwähnt. Erklären will er das nicht. Saleh erklärt wenig
später vor Journalisten Nachfolgemabitionen, von Stöß wird nach
Redaktionsschluss Ähnliches erwartet.
Einige Monate soll die Entscheidung gereift sein, sagt Wowereit. Er hätte
sie auch schon im Juni verkünden können – „doch da sind wir Weltmeister
geworden“, sagte er, da habe er quasi nicht die schöne Sommerlaune stören
wollen. Der 11. Dezember, an dem das Berliner Parlament seinen Nachfolger
wählen soll, liegt zwischen zwei weiteren wichtigen Daten für Berlin: Nach
dem 6., an dem Wowereit nochmal feiern, falls der deutsche Sport sich
entscheidet, mit Berlin und nicht Hamburg in die von ihm mit angestoßene
Olympia-Bewerbung zu gehen. Und vor dem 12., an dem es im
Flughafen-Aufsichtsrat einen definitiven Eröffnungstermin zu hören geben
soll. Der könnte in peinlich weiter Zukunft liegen. Doch dafür ist dann
schon der Nachfolger zuständig.
26 Aug 2014
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Klaus Wowereit
Regierende Bürgermeisterin
Klaus Wowereit
Klaus Wowereit
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