# taz.de -- Tötung von Ferkeln: Lieber kein Kehlschnitt | |
> Auf die Bildern von erschlagenen kranken Tieren hat die Politik mit | |
> Erlassen reagiert. Die Züchter suchen jetzt nach dem besten Weg, Schweine | |
> zu töten. | |
Bild: Wenige Tage alte Ferkel in Gut Losten. | |
LOSTEN dpa | Nach schockierenden Fernsehbildern über das Töten von Ferkeln | |
in deutschen Ställen haben mehrere Bundesländer mit Erlassen reagiert. Sie | |
sollen einen schnellen und möglichst schmerzfreien Tod der nicht | |
überlebensfähigen Tiere garantieren. Künftig soll es nicht mehr vorkommen, | |
dass sie mit dem Kopf auf den Boden geschlagen und so getötet werden. Doch | |
zumindest in Mecklenburg-Vorpommern gibt es weiterhin Zweifel. | |
In den Ställen des Gutes Losten kommen ununterbrochen Ferkel zur Welt, bis | |
zu 160.000 im Jahr. Die Neugeborenen zeigen einen enormen Lebenswillen: | |
Noch schleimbedeckt versucht ein Winzling angestrengt, die Zitzen der | |
Muttersau zu erreichen. Die zwölf anderen, die kurz zuvor geboren wurden, | |
saugen schon kräftig. Schweinezüchterin Sigrid Struve ist sicher, dass auch | |
Nummer 13 es schaffen wird. Ein Tier des Wurfs, deutlich kleiner, liegt | |
starr im Koben. „Eine Totgeburt“, sagt die Abteilungsleiterin Reproduktion | |
im Tierzucht-Gut Losten zwischen Schwerin und Wismar. Mit 65.000 Tieren ist | |
es eine der größten Schweinehaltungen in Deutschland. | |
Manchmal kommen Tiere mit Missbildungen zur Welt, mit Schäden wie | |
Afterlosigkeit oder einem Gewicht von gerade 200 Gramm statt 1,4 Kilogramm. | |
„Solche Tiere können nicht aufgezogen werden“, stellt der Geschäftsführer | |
des Gutes, Alwin Neteler, klar. Diese Ferkel, die nicht lebensfähig sind | |
und sich quälen, müssen getötet – von ihrem Leiden erlöst werden. Empfohl… | |
wurde bisher ein Kopfschlag. Ende Mai filmten Tierschützer illegal das | |
Erschlagen solcher Ferkel. | |
## Schlag gegen den Kopf | |
Das Gut Losten geriet mit anderen Betrieben in die Schlagzeilen, | |
[1][nachdem das ARD-Politikmagazin „Report Mainz“ die Bilder im Juli | |
ausstrahlte]. Neteler findet seitdem keine Ruhe mehr. Gegen ihn laufen | |
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. „Die Bilder vermitteln den Eindruck, | |
dass wir lebende Schweine in die Abfalltonne werfen“, sagt er. Nachdem | |
Stallarbeiter zu schwache Ferkel mit dem Kopf an die Wand oder auf den | |
Boden schlugen, zuckten die kleinen Körper noch. Gelebt hätten die Tiere | |
aber nicht mehr, ist sich Neteler sicher. Die Nerven ließen die Ferkel nach | |
dem Tod noch zucken, mitunter bis zu drei Minuten. | |
Der zuständige Amtsveterinär habe derart getötete Ferkel untersuchen | |
lassen. Festgestellt wurde, dass die Tiere nach dem Schlag sofort tot | |
waren. Das bestätigt auch der Berater Jörg Brüggemann, Leiter des Vereins | |
Schweinekontroll- und Beratungsring Mecklenburg-Vorpommern: „Richtig | |
ausgeführt ist der Schlag, obwohl es schlimm aussieht, die schnellste und | |
wirkungsvollste Art, die Tiere vor weiterem Leiden zu bewahren.“ | |
## Alternative gesucht | |
Dennoch müssen jetzt Alternativen zum Erschlagen her, wie Veterinäre, | |
Schweinehalter und Wissenschaftler mit dem Ministerium in Schwerin | |
beschlossen. Neteler war dabei und steht hinter dem Beschluss. Aber noch | |
ist er ratlos, was die Lösung sein könnte. So etwas sei ihm in seinem | |
langen Berufsleben noch nicht passiert. Er ist 74 Jahre alt und von | |
Kindesbeinen an in der Landwirtschaft zu Hause. | |
Nun hat das Agrarministerium einen Erlass herausgegeben, der Anleitung für | |
Schweinehalter sein und Rechtssicherheit schaffen soll. Die kranken Tiere | |
sollen mit einem Schlag bewusst- und empfindungslos gemacht und dann durch | |
Kehlschnitt oder Kohlendioxidgas getötet werden. Vorher muss das kranke | |
Tier zweimal begutachtet werden. Auch andere Bundesländer haben mit | |
Erlassen reagiert. Einige übernahmen einen Erlass aus Niedersachsen, etwa | |
Nordrhein-Westfalen. Danach muss das Ferkel erst mit einem Schlag auf den | |
Kopf betäubt und anschließend getötet werden. | |
## Spritzen? Langfristig zu teuer | |
Neteler ließ nicht überlebensfähige Ferkel nach den Veröffentlichungen vom | |
Tierarzt per Injektion töten, was auch weiter erlaubt sein soll. „Eine | |
Spritze kostet zwischen drei und fünf Euro“, sagt er. Finanziell | |
durchzuhalten sei das nicht. „Aber ich will aus der Diskussion raus.“ In | |
dem Betrieb seien wöchentlich 20 bis 30 Ferkel betroffen, im Durchschnitt | |
ein Prozent. Nach Angaben des Deutschen Tierschutzbundes und anderer | |
Organisationen sterben generell durchschnittlich 10 bis 15 Prozent der | |
Ferkel im Säuglingsalter – sowohl im konventionellen als auch im | |
Ökolandbau. | |
Inzwischen werden nicht therapierbare Ferkel von Mitarbeitern auch per | |
Kehlschnitt getötet. Das bringt aber nicht jeder Mitarbeiter übers Herz. | |
„Ein Tier mit dem Messer zu töten ist noch einmal etwas ganz anderes, als | |
es zu erschlagen“, gibt Struve die Empörung ihrer Kollegen wieder. Für die | |
zweite Alternative, das Töten mit Kohlendioxid, ist Neteler mit Anbietern | |
solcher Anlagen im Gespräch. Aber ihm missfällt die Vorstellung, dass die | |
Tiere ersticken, was 30 Sekunden, aber auch einige Minuten dauern kann. | |
Der Landwirt versteht gar nicht, dass jemand annehmen könnte, dass Ferkel | |
ohne Not getötet werden. Sie seien schließlich das Kapital des Betriebes. | |
„Wir versuchen, jedes Ferkel, das den Anschein hat zu überleben, | |
aufzuziehen“, sagt er mit Nachdruck. Es gebe auch keine überzähligen | |
Ferkel. Wenn die hochgezüchteten Sauen 14 Zitzen, aber 16 Ferkel haben, | |
würden die Jungtiere Ammensauen oder Sauen angelegt, die vielleicht nur | |
sechs Ferkel warfen. Das gehe meist problemlos. Auch denke er über | |
künstliche Tränksysteme nach. | |
27 Aug 2014 | |
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