# taz.de -- Kolumne Zumutung: Pflanz dein verdammtes Bäumchen | |
> Omnipräsent, sehr laut und übermotiviert: Dieser Felix Finkbeiner kann | |
> einem aber auch auf die Nerven gehen! | |
Bild: Jede Menge Pflanzmaterial für eine blitzsaubere ökologische Zukunft. | |
Darf man das? Darf man ein Kind auf diffuse Weise doof finden? Ein Kind, | |
das dermaßen toll ist? So klug und engagiert und redegewandt und das dabei | |
noch so pfiffig aussieht, mit seiner frechen Strubbelfrisur und der | |
Kleiner-Professor-Brille auf der Nase? Einen Jungen, erst sechzehn Jahre | |
alt, der die Welt - also auch meine Welt - besser machen will? Darf man | |
Felix Finkbeiner doof finden? | |
Ja. Ich nehme mir das jetzt mal raus. Seit Jahren taucht dieser junge | |
Freund des überlaut gesprochenen Wortes in diversen Medien auf. Mal schaut | |
er schlau aus der Gala, wenn ich beim Friseur sitze, dann wieder turnt er | |
durch die Fernsehnachrichten. Mal ist er der Botschafter von "Plant for the | |
Planet", einer Baumpflanzaktion mit angeschlossener Stiftung, die sich mit | |
12,6 Milliarden neu gepflanzten Bäumen für „Klimagerechtigkeit“ einsetzt. | |
Dann treffe ich Felix Finkbeiner auf [1][YouTube], wo er eine einstündige | |
freie Kanzelrede in der Münchner Erlöserkirche hält und dabei gut sichtbar | |
seine „Streitschrift“ „Alles würde gut“ in die Kamera hält. Er ist da | |
vierzehn oder so. Und kürzlich sah man ihn durch Berlin turnen, wo er eine | |
Pressekonferenz gab, auf der er ankündigte, vor dem | |
Bundesverfassungsgericht ein Wahlrecht für Kinder ab Geburt erstreiten zu | |
wollen. | |
Selbstverständlich war Felix, der lustige Weltretter, schon in New York und | |
hat dort vor der UNO gesprochen. Sein großes Ziel: „Kindern dieser Welt | |
eine saubere Zukunft bieten“. | |
Tut mir leid, aber diese ganze Bewusstheit und Sauberkeit bereitet mir | |
schlechte Laune. Ja, Kinder sollten keinesfalls gleichgültig gegen die | |
Verheerungen sein, die das kapitalistische System auf dieser Erde | |
anrichtet. Großartig, wenn sie etwas für mehr Grün in den Straßen tun und | |
sich fragen, warum eigentlich immer die Erwachsenen alles bestimmen. Aber | |
geht's vielleicht auch eine Nummer kleiner? Muss es immer die ganze Welt, | |
das ganze Land sein? Und muss man dabei immer so laut und gestochen reden, | |
lieber Felix Finkbeiner? | |
Als ich fünfzehn war, habe ich meine Kippen unter einer Parkbank | |
ausgetreten, und wenn ich pubertätsbedingt schlechte Laune hatte, habe ich | |
mir das achte Loch ins linke Ohrläppchen gestochen und die nicht erledigten | |
Hausaufgaben in die Schultasche für morgen gestopft. | |
Als ich später selbst Kinder in diesem Alter hatte, ermahnte ich sie immer | |
mal wieder, ihre Dreckbotten aus dem Flur zu nehmen und ab und zu die | |
Spülmaschine auszuräumen. Erledigten sie eine Aufgabe davon, war ich froh. | |
Erledigten sie beide Aufgaben, war das ein Hinweis, dass aus ihnen später | |
doch noch mal was werden könnte. | |
Reden im Sinne von miteinander sprechen fand eher nicht statt. Es ward von | |
ihnen ein allgemeines Gemaule zu vernehmen. An einstündige Kanzelreden und | |
Streitschriften mit Konjunktivtitel war nicht zu denken. | |
Und soll ich dir was sagen, Felix Finkbeiner? Mir hat das gut gefallen. Die | |
Muffeligkeit und Verpeiltheit meiner Kinder gab mir das gute Gefühl, dass | |
da noch alles in der Schwebe war. Alles offen, voller Fragen. Ja, auch | |
voller Fehler. Und vor allem: viel, viel leiser. | |
2 Sep 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.youtube.com/watch?v=xkfB7nAgOXw | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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