Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Georgischem Trio gelingt Youtube-Hit: Platonische Liebe mit Wodka
> Drei junge Frauen spazieren singend durch eine grüne Landschaft. Der
> berührende Song erzählt von einem besonderen Liebesritual.
Bild: Fröhliches Selfie mit beeindruckendem Gesang: das Trio Mandili in ihrem …
Dies ist eine der wunderbaren Geschichten aus den hintersten Winkeln des
globalen Dorfes. Sie beginnt mit [1][einem Video], dass gerade bei den
sozialen Medien die Runde macht. Es zeigt drei junge Frauen, die singend
durch eine Berglandschaft spazieren. Die erste filmt das Trio offenbar
selfiemäßig mit ihrem Smartphone (das Video ist in zeitgemäßem
Handyhochformat), die zweite hat ein kleines Mädchen an der Hand, die
dritte spielt ein gitarrenähnliches Instrument.
Mal sieht man den kargen Weg, mal schwenkt die Kamera auf die grünen Bäume,
mal zeigt sie die Frauen, wie sie fröhlich Grimassen schneiden, mal
quatscht das kleine Mädchen. So weit so gut, so unspektakulär. Wären da
nicht diese Stimmen, wäre da nicht dieser unglaublich schöne, harmonische,
dreistimmige, beeindruckend professionelle Gesang, der einen auf der Stelle
berührt. Der einem das Gefühl gibt, gerade etwas ganz besonderes zu hören,
auch wenn man kein Wort versteht.
Letzteres stört offenbar die wenigstens, das zeigen die Klickzahlen bei
youtube. Dienstagmittag stand der Zähler bei 230.000, am Mittwoch wurde
bereits die 500-000-Marke erreicht. Dabei ist das Video erst seit Freitag
online. Und glaubt man der youtube-Statistik, wurde es in den ersten vier
Tagen im Schnitt nur ein paar hundert mal pro Tag geklickt, bevor es nun
frömlich durch die Decke schießt.
Offensichtlich, soviel ist schnell klar, stammt das anrührende Lied aus
Georgien. Das verrät der Google-Übersetzer, wenn man die seltsam
geschwungenen Buchstaben, die das Video begleiten, dorthin kopiert. Die
drei Frauen nennen sich Trio Mandili, man findet auf [2][ihrem
youtube-Kanal] ein paar weitere, ebenfalls sehr herzergreifende, sehr
einfache Gesangsvideos. Mal sitzen zwei der drei [3][an einem Flussufer].
Und singen. Mal sitzen [4][die drei im Gras]. Und singen. Mal werden sie
[5][in einem Park von einem Bongospieler begleitet]. Und singen. All diese
Videos stehen aber erst bei ein paar tausend Klicks - und auch die sind vor
allem erst in den letzten beiden Tagen zusammengekommen, offenbar beflügelt
durch den viralen Hit der drei.
Mehr über die Sängerinnen herauszufinden ist nicht ganz einfach. Zwar
findet man die seit April bestehende [6][facebook-Seite des Trios], auch
haben sie eine [7][eigene Webseite], aber auch dort sind vor allem noch
ältere Videos von Auftritten zu finden sowie Fotos, die die drei in
Trachtenkleidern zeigen - ansonsten aber nur für die meisten Mitteleuropäer
unverständliche georgische Buchstaben.
## Unvergleichlich und einfach
Auf einer [8][Webseite, die über Reisen nach Georgien informiert], findet
man ein paar grundsätzliche Erklärungen über [9][die spezielle
Musik-Tradition] in dem kaukasischen Land. „Der georgische Gesang zählt zu
den kostbarsten Schöpfungen der Menschheit. Volkslieder und georgische
Choräle weisen einen hohen Grad an Harmonienkomplexität auf mit drei bis
vier eigenständigen Stimmen. Die archaischen Tonfolgen sind schlicht und
entfalten in der Mehrstimmigkeit eine außergewöhnliche Spannung und
Intensität“, heißt es dort. Vorangestellt ist dem ein Zitat des russischen
Komponisten [10][Igor Strawinski], der gesagt haben soll: „Was die Georgier
singen ist wichtiger als alle Neuentdeckungen der modernen Musik. Es ist
unvergleichlich und einfach. Ich habe nie etwas besseres gehört!“ Man
möchte ihm da unbedingt zustimmen.
Mehr über den wunderschönen Song des Trio Mandili erfährt man erst durch
einen Beitrag in einem russischsprachigen Forum. Dort hatte ein Frau um
Aufklärung gebeten. Sie bekam dann über zwei Ecken nicht nur [11][eine sehr
lesenswerte Antwort] aus der georgischen Hauptstadt Tiflis, die die
besonderen Kulturen zwischen den Geschlechtern in den abgelegenen Tälern
des Landes erklärt, sondern auch noch eine Übersetzung des Liedtextes in
Russische. Und da der Song mittlerweile auf großes Interesse stößt, findet
man bei reddit diese russiche Antwort bereits [12][ins Englische
übersetzt].
Demnach stammt da Lied [13][Chewsuretien], einer Hochlandregion im
Nordosten Georgiens, die unmittelbar an die russischen Teilrepubliken
[14][Inguschetien] und [15][Tschetschenien] grenzt, und in dessen engen
Tälern unter anderem das [16][Dorf Shatili liegt, das wegen seiner 60 Türme
zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt]. Die drei Frauen, heißt es weiter, singen
nicht nur in dem Dialekt dieser abgelegenen Bergregion, sondern auch über
eine spezielle Tradition dort, nach der sich ein junger Mann eine junge
Frau als „Gleiche“ wählen kann, um mit ihr die Nacht zu verbringen -
allerdings vollständig bekleidet. Sex ist ausgeschlossen, stattdessen führt
das Paar lange Gespräche über den Mond und die Sterne und so. Am Ende der
Nacht reicht sie ihm als Teil der Zeremonie ein Glas Wodka, bevor er in den
Tag startet.
Die Lied des Trios ist demnach ein gesungener Dialog zwischen solch
„Gleichen“, also einem Mann und einer Frau. Die beiden begegnen sich unter
einem Himmel bedeckt mit Sternen, verbringen die Nacht mit langen
Gesprächen bis der Morgen dämmert und es Zeit für den Abschiedswodka wird.
Auch dass es keineswegs einfach ist, sich bei dieser nächtlichen
Zweierzeremonie an die strengen Regeln des platonischen Anschmachtens zu
halten, kommt zur Sprache: „What dirty thoughts came to me, let the god be
angry with me“, sagt dort der Mann, bevor er beschämt von dannen zieht.
Einem [17][weiteren Eintrag bei Reddit] zufolge stammt der Song
ursprünglich von einem georgischen Sänger namnes Aluda Qetelauri und heißt
„Zecas Shakheneo Aparekav“. Auch davon findet sich [18][bei Youtube eine
Aufnahme]. Mit Klaviergeklimper und anderem Schnickschnack, aber bei weitem
nicht so wunderbar einfach, wie in der Version des Trio Mandili. Offenbar
gilt auch bei georgischen Liedern die alte Rock'n‘Roll-Weisheit: It‘s the
singer not the song.
10 Sep 2014
## LINKS
[1] http://youtu.be/IbsQJBxICN0?list=UU7ucvC0OrD2BQUmEec5NJeg
[2] http://www.youtube.com/channel/UC7ucvC0OrD2BQUmEec5NJeg
[3] http://youtu.be/l0TxlTr_OY8
[4] http://youtu.be/YH262xCtKHQ
[5] http://youtu.be/G5-pQvfcDxI
[6] https://www.facebook.com/mandilii
[7] http://mandili.webs.com/
[8] http://www.georgia-insight.eu/
[9] http://www.georgia-insight.eu/georgien/musik.html
[10] http://de.wikipedia.org/wiki/Igor_Fjodorowitsch_Strawinski
[11] http://music.d3.ru/comments/595554/#11913764
[12] http://www.reddit.com/user/OutOfNiceUsernames/
[13] http://de.wikipedia.org/wiki/Chewsuretien
[14] http://de.wikipedia.org/wiki/Inguschetien
[15] http://de.wikipedia.org/wiki/Tschetschenien
[16] http://www.visitgeorgia.it/inglese/khevsureti_georgia.htm
[17] http://de.reddit.com/r/videos/comments/2fuzx1/georgian_girls_singing_aweso…
[18] http://youtu.be/LNQEXwixeEE
## AUTOREN
Gereon Asmuth
## TAGS
Georgien
Musik
Youtube
Fußball
Georgien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Fußball-EM-Qualifikation: Georgiens Spiel des Jahres
Am Sonntag trifft die DFB-Auswahl auf einen Gegner, der hierzulande kaum
bekannt ist. Der frühere Bundesligaprofi Lewan Kobiaschwili will das
ändern.
Demonstrationen in Georgien: Tausende gegen Russland
In Georgien demonstrieren Tausende Oppositionelle gegen Russland. Sie
kritisieren die Rückendeckung des Kreml für die abtrünnige Provinz
Abchasien.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.