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# taz.de -- Sanierung der Warenhauskette: Karstadts kleine Städte
> Der neue Karstadt-Investor Benko plant die Sanierung der Kette. Das
> könnte das Aus für Häuser in strukturschwachen Städten bedeuten.
Bild: Könnten in Neumünster bald der Vergangenheit angehören: Karstadt-Tüte…
NEUMÜNSTER taz | Noch wehen die blauen Fahnen an der Fassade im Stil der
70er Jahre. Unter dem vorgezogenen Dach ducken sich Verkaufsstände, ein
Obsthändler, ein Asia-Imbiss, eine Bäckerei. Das Innere der
Karstadt-Filiale in der Innenstadt von Neumünster sieht so aus wie die
meisten Warenhäuser der Kette. Es gibt Parfüm, Handtaschen, Süßwaren,
Bekleidung, Haushaltswaren, ein Restaurant.
Es ist das verlässliche, bundesweit gleiche Sortiment – vertraut, solide,
etwas bieder. Gerade in kleineren und mittleren Städten bilden die
Warenhäuser oft das Zentrum der Einkaufsstraßen, sie sind „ein Treffpunkt�…
wie eine Kundin in Neumünster sagt. Aber die Stadt in Schleswig-Holstein
bangt um den Bestand des Hauses.
Auf einer bisher nicht bestätigten Liste von bedrohten Standorten ist
Neumünster genannt. Genaueres könnte heute bekannt werden, wenn der
Aufsichtsrat des Unternehmens zusammenkommt. Doch nach Informationen der
Süddeutschen Zeitung soll es keine weitreichende Entscheidungen geben. Es
sei nicht Art der Signa-Holding, etwas in drei Stunden zu entscheiden,
worüber Wochen nachgedacht werden müsse, zitiert das Blatt die Investoren.
Es ist das erste Treffen des Aufsichtsrates, nachdem der Tiroler
Immobilieninvestor René Benko den Konzern übernahm. Benkos Signa Holding
kaufte im August den Konzern für einen Euro vom erfolglosen Vorbesitzer
Nicolas Berggruen. Zuvor gehörten Benko bereits die Vorzeige-Filialen wie
das KaDeWe in Berlin. Bundesweit beschäftigt Karstadt rund 17.000 Menschen
in 88 Standorten.
## Berggruen „willentlich gescheitert“
Gerade die Umsätze der kleineren Häuser reichen seit Jahren nicht mehr aus.
Neumünster teilt die Probleme vieler gefährdeter Standorte: Die
schleswig-holsteinische Stadt mit ihren knapp 77.000 Einwohnern ist
strukturschwach, die Glanzzeiten der einst wohlbekannten Tuch-, Leder- und
Textilindustrie sind mittlerweile vorbei. An kleineren Standorten wie
diesen drohen weitere Schließungs- und Entlassungswellen.
„Wir kennen das ja inzwischen“, sagt ein Verkäufer in Neumünster. Angst um
den Arbeitsplatz ist seit Jahren der Normalzustand bei Karstadt. Eine Reihe
von Filialen wurde bereits geschlossen. Die Gewerkschaft Ver.di verlangt
vom neuen Investor eine Standort- und Beschäftigungssicherung sowie die
Tarifbindung an die Löhne im Einzelhandel. Nicolas Berggruen, der zum
Beginn seines finanziellen Engagements im Jahr 2010 als Retter gefeiert
wurde, sei „willentlich gescheitert“, sagt Stefanie Nutzenberger, im
Ver.di-Vorstand zuständig für den Handel.
Statt zu investieren, habe Berggruen über 2.000 Arbeitsplätze vernichtet
und Kapital aus dem Unternehmen gezogen. „Das Geld floss über die
Aufkündigung der Tarifbindung direkt aus den Taschen der Beschäftigten zu
ihm“, so Nutzenberger.
„An uns liegt es nicht, wenn wir schließen müssen“, sagt eine Verkäuferin
in Neumünster. Es herrscht Betrieb: Mädchen im Schulalter stöbern nach
Schnäppchen, ein älteres Paar lässt sich zum Messersortiment im Angebot
beraten.
## Kunden an das Internet verloren
Geäußert hat sich Benko zu seinen Plänen noch nicht, aber er scheint
aktiver eingreifen zu wollen als Berggruen. So hat der neue Besitzer sowohl
im Karstadt-Management als auch im Aufsichtsrat Personal ausgetauscht und
freie Stühle mit Vertrauten besetzt.
Der alte wie neue Karstadt-Aufsichtsratsvorsitzende Stephan Fanderl drohte
im Juli „schmerzhafte Einschnitte“ an, „um dem gesunden Kern eine Zukunft
zu geben“. Genannt wurden die Hauptverwaltung in Essen und der
Logistikbereich, denn „die Kraft der Karstadt-Filialen, zu hohe Zentral-
und Logistikkosten zu tragen, ist begrenzt“.
Viele Experten sehen das Problem aber im Modell Warenhaus selbst. So geht
ein Teil der Kundschaft ans Internet verloren. Gleichzeitig bieten viele
Supermärkte Non-Food-Produkte von Küchengeräten bis Kleidung an.
Doch in Neumünster scheint der Glaube an die Innenstadt ungebrochen: Schräg
gegenüber vom Karstadt-Haus entsteht das Shopping-Center „Einkaufspalast“.
Es bietet vom Elektromarkt bis zum Lebensmittelgeschäft alles unter einem
Dach – wie Karstadt.
11 Sep 2014
## AUTOREN
Esther Geisslinger
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