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# taz.de -- Sachbuch über Fußball im Ruhrgebiet: Pöhlen ist der Anfang
> Der Journalist Christoph Biermann ist für sein neues Buch ins Ruhrgebiet
> gereist. Er erklärt, wie eng dort Fußball und Gesellschaft verflochten
> sind.
Bild: Christoph Biermanns Buch „Wenn wir vom Fußball träumen“ widmet sich…
Heimat gilt als dezidiert deutscher, schwer übersetzbarer Begriff, dessen
Fäden zumeist aus Sehnsucht, Spaß und Schmerz zu einem nostalgischen
Teppich gesponnen werden. Im Ruhrgebiet böten nun zahllose typische Fasern
den wehmütigen Gedanken Stoff, etwa die Schwerindustrie, die Ruhrauen, der
Kiosk oder die Sozialdemokratie. Doch letztlich ist der Fußball die
identitätsstiftende Masche, an der unaufhörlich und nach wie vor zwischen
Rhein und Ruhr gestrickt wird.
Als metaphorische Weblinie für die vielfältigen Mechanismen dahinter taugt
vorzüglich ein Versprecher des aus Herne stammenden Schauspielers Joachim
Król: „Heimatspiel“. Man findet Króls treffende Definition im jüngst beim
Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienenen Sachbuch „Wenn wir von
Fußball träumen“. Geschrieben hat es der orts- und fachkundige
Sportjournalist Christoph Biermann, seit vier Jahren Mitglied der
Chefredaktion des Fußballmagazins 11 Freunde. Biermann, der ebenfalls in
Herne aufwuchs, schrieb zuvor für die Süddeutsche Zeitung, den Spiegel und
die taz.
„Wenn wir vom Fußball träumen“ ist als eine ebenso nachdenkliche wie
dynamische, mit essayistischen Elementen unterfütterte Reisereportage
angelegt, die den Leser – ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben
– durch die Geschichte des Ballsports im tiefen Westen führt. Ausgangspunkt
für die „Heimreise“, die Biermann nach dem Tod des eigenen Vaters im
Stadion am Schloss Strünkede der Westfalia aus Herne beginnt, ist eine
simple Frage: „Wir können die Welt im Fußball wiederfinden, und im
Ruhrgebiet kann man das so gut wie an keinem anderen Ort in Deutschland.
[…] Aber warum ist das so?“
Auf die Frage fänden sich schnell unzählige Antworten, mit der man Lexika
füllen könnte. Der Autor weiß das und sucht gekonnt nicht nur nach
historischen Anekdoten, dramatischen Spielberichten und wissenschaftlichen
Analysen pars pro toto, sondern beleuchtet vielmehr auch den Gestus, in dem
vom und über den Fußball zwischen Essen und Dortmund gesprochen, gestritten
und titelgebend geträumt wird. Er sucht nach den „Kraftströmen“, die daf�…
verantwortlich sind, dass Fußball und Gesellschaft im Kosmos um die Vereine
heute zusammengedacht werden – oder wie es auf Schalke performant heißt:
„Wir leben Dich.“
## „Malocherlüge“
Als Reisekompass zwischen den wirtschaftlichen, sozialen, sportlichen und
kulturellen Kräften dient Biermann, Jahrgang 1960, oft die eigene
Biografie. Doch der persönliche Rahmen, den er intuitiv, weil seit der
Kindheit mit dem Fußball innig verbunden, wählt, stört nicht, sondern wirkt
bald selbstverständlich. Der Ton des Buches ist über gut 250 Seiten hinweg
ein angenehm lakonischer. Es wird stimmig zwischen Vergangenheit und
Gegenwart gesprungen.
So führt der Weg der Erzählung vom bis heute „uneingelösten Versprechen“
des großen Traditionalisten Rot-Weiss Essen über die „Malocherlüge“ beim…
Schalke 04, dessen sagenumwobener Kreisel statt rustikalem Arbeitergebolze
eher einen Tiki-Taka-Vorläufer praktizierte, bis zum VfL Bochum, der sich
2007 als erster deutscher Klub ein „Leitbild“ gab und schließlich zur
„Marketingbibel“ von Borussia Dortmund. „Top-Gentrifizierer“ begegnen e…
auf der Reise durchs Ruhrgebiet ebenso wie die ergreifende Solidarität der
Duisburger mit ihrem MSV nach dem Lizenzentzug 2013.
Abgerundet wird das Buch durch eine Fülle von prägnanten Gesprächen, so
etwa eines mit Borussia Dortmunds Coach Jürgen Klopp – „Pöhlen ist der
Anfang“ –, der die Idee vom Malocherfußball gerettet habe, so Biermann,
„weil er ihn auf den neusten Stand brachte“. Auch langjährige Beobachter
der natürlichen Entwicklungsprozesse wie der pensionierte WAZ-Sportchef
Hans-Josef Justen, der die Kommerzialisierung des Fußballs von Beginn an
kritisch begleitete, kommen zu Wort: „Justen war Chronist eines Gefühls der
Entfremdung und er war deshalb so populär, weil seine Leser es teilten.“
„Wenn wir vom Fußball träumen“ erzählt letztlich eine ungemein
vielschichtige und spannende Geschichte über die sich wandelnden Strukturen
des Fußballs in der Region selbst. Die von Biermann identifizierten
„Kraftströme“ zeigen die massiven Ambivalenzen dahinter. Sicher ist, sie
werden weiterfließen, von „Heimatspiel“ zu „Heimatspiel“.
13 Sep 2014
## AUTOREN
Jan Scheper
## TAGS
Ruhrgebiet
Borussia Dortmund
Fußball
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Champions League
Borussia Dortmund
Kevin Großkreutz
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