# taz.de -- Im Ruhrpott: Eine Wallfahrt für Fußballfans | |
> Nirgendwo sonst finden sich so geballt Orte und Denkmäler zur | |
> Fußballhistorie wie im Ruhrpott. | |
Bild: Wo vieles sich um Fußball dreht. | |
Die Castroper Straße in Bochum wirkt unscheinbar wie eine Straße, die es | |
tausendfach im Ruhrgebiet gibt: Straßenbahnlinien in der Mitte, | |
zweispuriger Verkehr, Imbisse, ein paar Eckkneipen, Jugendliche an | |
Tankstellen. Nichts scheint hier außergewöhnlich. Bis, ja bis das | |
Ruhrstadion irgendwann zur Linken auftaucht. | |
Ein schmuckes Kästchen, das heute den Namen eines Sponsors trägt. Der VfL | |
Bochum trägt hier seine Heimspiele aus. Steht man an einem Herbstsonntag | |
bei einem mittelmäßigen Zweitligaspiel in der Ostkurve, lernt man viel über | |
das Ruhrgebiet im Allgemeinen, über den Fußball im Besonderen. Grönemeyers | |
Hymne schallt aus den Stadionlautsprechern. Dort, wo die Sonne verstaubt, | |
wird immer irgendwo gekickt. | |
## Auf der Schalke Meile | |
Bochum ist ein Beispiel – viele weitere finden sich in unmittelbarer | |
Nachbarschaft. Als Fußballfan sollte man mindestens einmal in seinem Leben | |
eine Reise durch das Ruhrgebiet unternommen haben – am besten nimmt man das | |
Rheinland und den Niederrhein gleich mit. Mit dem Regionalexpress, der | |
S-Bahn oder, besser, mit dem Rad kommt dies einer Wallfahrt für Freunde des | |
ledernen Runds gleich. Nirgendwo in Deutschland finden sich geballt so | |
viele Denkmäler zum Thema Fußball. | |
Dabei sind es mitnichten nur die Sportstätten, die hier 120 Jahre | |
Fußballgeschichte erzählen. Auch die Galerien, Theater, Bibliotheken, gar | |
die Autobahnen und Landgerichte der Region kann man aufsuchen, will man | |
sich der lokalen Fußballhistorie annähern. | |
„Für den Fußball ist das Ruhrgebiet eine sehr besondere Region“, sagt | |
Christoph Biermann, „mehr Stadien und Klubs findet man in Europa so geballt | |
nur in London.“ Biermann, heute Chefredakteur des 11 Freunde-Magazins, ist | |
in Herne aufgewachsen und Kenner der Fußballszene zwischen Oberhausen und | |
Unna. „Es gibt etwa Orte wie die Schalker Meile, wo die Fanprojekte und die | |
Kneipen der Anhänger sich ballen“, sagt Biermann. | |
Die größte offizielle Route, die durch das Ruhrgebiet führt, ist die | |
„Deutsche Fußballroute NRW“ ([1][www.dfr-nrw.de]) . Die ganze Strecke füh… | |
von Aachen bis nach Bielefeld, besser: von der Alemannia zur Arminia. Hier | |
kann man sich eine Fahrrad- oder Autoroute aussuchen, man kann sich – je | |
nach Lieblingsverein – seine eigene Route zurechtlegen. | |
## Groundhopping | |
Um die großen und kleineren Stadien – das Westfalenstadion, die Arena | |
AufSchalke (beide heute ebenfalls nach einem Sponsor benannt), das alte | |
Herner Stadion oder die Stadien an der Essener Hafenstraße und zahlreiche | |
weitere – kommt man aber kaum herum. „Sich etwa die Stadien in Essen jetzt | |
anzuschauen ist interessant“, sagt Biermann, „noch steht da die Tribüne des | |
alten Georg-Melches-Stadions, und im neuen Stadion nebenan wird schon | |
gespielt.“ Ein Denkmal wird die alte Haupttribüne des | |
Georg-Melches-Stadions indes nicht: Die Stadt Essen hat sich trotz der | |
Proteste vieler Fans gegen deren Erhalt entschieden. Das Helmut | |
Rahn-Denkmal (nun in der Nähe des neuen Stadions) gibt es noch – „Der Boss… | |
trat hier in Essen gegen den Ball. | |
Das „Groundhopping“, das Besuchen möglichst vieler Fußballspiele in den | |
unterschiedlichsten Stadien in kürzester Zeit, bietet sich in diesen | |
Regionen natürlich auch an. Eben noch am Borussiapark in Mönchengladbach, | |
ist man fix am alten Müngersdorfer Stadion in Köln. Und nebenbei kann man | |
in die Historie eintauchen: „Der Platz des VfL Köln 99 an der | |
Rennbahnstraße in Köln-Weidenpesch ist auch ein besonderer“, sagt Christoph | |
Biermann, „da steht die älteste noch erhaltene Fußballtribüne in | |
Deutschland.“ 1905 und 1910 fanden direkt nebenan die Endspiele um die | |
deutsche Fußballmeisterschaft statt. | |
Ab Ende 2014 wird es eine zentrale Anlaufstelle für die Fußballbegeisterten | |
geben: Derzeit entsteht gegenüber dem Dortmunder Hauptbahnhof das | |
DFB-Fußballmuseum. Hier soll die Kulturgeschichte des Fußballsports in | |
Deutschland in einem interaktiven Museumsbesuch vermittelt werden. | |
Baubeginn war in diesem Jahr. Das Gebäude wurde von den Düsseldorfer | |
Architekten Hentrich-Petschnigg & Partner entworfen, die sich etwa schon | |
für das EXPO Village in Schanghai oder die Kölner Rheinhallen | |
verantwortlich zeichneten. Das Museum ist das derzeit wichtigste kulturelle | |
Projekt des DFB. Mit dem Standort Ruhrgebiet wird die historische Bedeutung | |
der Region für den Sport hervorgehoben. | |
## Wo Frauen zuerst kickten | |
Den ersten Verein gab es im Ruhrgebiet übrigens in Witten. Im dortigen | |
Monopol-Gebäude, einem Gründerzeithaus, soll 1891 von Realschülern der | |
Wittener Fußball Club gegründet worden sein. Damit war der Ruhrgebietsklub | |
nach dem Hamburger SV der zweite Fußballverein in Deutschland. Damals eine | |
Sache des progressiven Bürgertums, das aktiv und passiv dem Rasensport | |
frönte. | |
Geschichtsträchtige Orte der Frauenfußballgeschichte finden sich ebenfalls | |
im Pott. Und auch hier lohnt ein Ausflug nach Hamborn: Auf der Sportanlage | |
von Hertha Hamborn wurde der damals nicht geduldete Frauenfußball am 31. | |
Juli 1955 gewaltsam gestoppt: Ein Spiel zwischen DFC Duisburg-Hamborn und | |
Gruga Essen brach die Polizei ab. Während der DFB den Frauenfußball zu | |
dieser Zeit weiter ächtete, organisierte sich ein Frauenteam aus | |
Westdeutschland zum ersten Frauenfußball-Länderspiel überhaupt. Am 23. 9. | |
1956 spielen sie in Essen vor 18.000 Zuschauern gegen „Westholland“. In | |
diesem Stadion Matthias Stinnes in Essen-Karnap wird heute nur noch | |
niederklassiger Männerfußball gespielt. | |
Während der Reise wird klar, dass in dieser Region der Fußball eindeutig | |
mit der Muttermilch aufgesogen wird. Fragt man etwa ein Kind in | |
Gelsenkirchen, wie alt es ist, antwortet es schon mal „Null Vier.“ An der | |
Castroper Straße in Bochum, da hat man ganz andere Sorgen. Da regt man sich | |
über den schlechten Fußball auf, der zurzeit gespielt wird. Aber ins | |
Stadion geht man dann trotzdem. | |
1 Dec 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.dfr-nrw.de | |
## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
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