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# taz.de -- Debatte in Braunau am Inn: Was tun mit Hitlers Geburtshaus?
> Der Denkmalschutz bereitet der österreichischen Stadt Kopfzerbrechen. Wie
> soll man umgehen mit dem ungewünschten Erbe?
Bild: Ein unscheinbares Haus mit Gedenkstein davor.
BRAUNAU taz | Es ist ein unauffälliges zweistöckiges Mietshaus, das da in
Braunau an einer Straßenecke steht. Die weiße Umrahmung der halbrunden
Fenster hebt sich von der ockerfarbenen Fassade ab. In der schmucken Stadt
am Inn, wo noch gut erhaltene Bauten aus der Renaissance stehen, fällt
dieses 200 Jahre alte Gebäude nicht weiter auf.
Vor der Tür hält der Postbus, gegenüber liegt ein Bioladen. Nur ein
Gedenkstein auf dem Gehsteig macht darauf aufmerksam, dass dieser Bau
Verbindung zu einer finsteren Geschichte hat. „Für Frieden Freiheit/und
Demokratie/ Nie wieder Faschismus/Millionen Tote mahnen“ steht in
Blockbuchstaben in den Stein gemeißelt. Der 1989 aufgestellte Granitblock
stammt aus dem Steinbruch des KZ Mauthausen und soll daran erinnern, dass
hundert Jahre vorher Adolf Hitler in diesem Haus geboren wurde.
Jedes Jahr am 20. April veranstalten antifaschistische Gruppen Konzerte und
Mahnwachen, um zu verhindern, dass NS-Nostalgiker von der rechten
Pilgerstätte angezogen werden. Sie können allerdings nicht verhindern, dass
immer wieder vor allem Besucher aus Deutschland vor dem Haus den Arm zum
Hitlergruß erheben. Braunau habe diesen Ruf nicht verdient, sagt der
Politologe Hubert Sickinger vom Institut für Konfliktforschung in Wien. Der
Nationalsozialismus sei kein Teil der Identität dieser Stadt, wo Rot-Grün
über eine solide Mehrheit im Gemeinderat verfügt und selbst die FPÖ
gemäßigt auftrete.
Der Gemeinderat, das Innenministerium als Hauptmieter, Historiker,
Politiker und Angehörige antifaschistischer Vereine müssen sich aber den
Kopf zerbrechen, wie mit dem Haus verfahren werden soll. Denn seit drei
Jahren steht es leer. Damals zog die Lebenshilfe, die Interessenvertretung
für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung, aus. Der Grund: aus
Denkmalschutzgründen durfte das Gebäude nicht barrierefrei gemacht werden.
Vor wenigen Tagen erst unternahm der Innsbrucker Historiker Andreas
Maislinger einen neuen Vorstoß. Er will das Hitlerhaus in ein „Haus der
Verantwortung“ umwandeln. Im Erdgeschoß, so schwebt ihm vor, solle die
Vergangenheit aufgearbeitet werden, „im ersten Stock geht es um das
Engagement in der Gegenwart und im zweiten Stock soll Platz sein für das
Nachdenken über die Zukunft“.
## Deutschkurse für Migranten?
Der SPÖ-Abgeordnete Harry Buchmayr, der aus Braunau stammt, ist sich
bewußt, dass jede Entscheidung über das Schicksal des Hauses international
wahrgenommen werde. Egal, ob man dort wieder Wohnungen einrichte, wie der
Bürgermeister vorschlug, gemeinnützige Einrichtungen oder Bildungsstätten
heimisch mache. Christian Jungwirth von der Volkshochschule Oberösterreich
fände es „eine schöne Symbolik, wenn in diesem Haus demokratiepolitische
Veranstaltungen stattfinden“ oder Deutschkurse für Migranten angeboten
würden.
Braunau trage eine besondere Verantwortung, „dass sowas nicht mehr
stattfindet“, so der Abgeordnete Buchmayr, obwohl die Stadt selbst nie
extrem NS-affin gewesen sei und auch Hitler selbst für seinen Geburtsort
kein besonderes Interesse gezeigt habe. Eine Lösung müsse aber her. Denn
das Innenministerium überweist monatlich 4700 Euro Miete an die
Eigentümerin.
Abreißen darf man das Haus nicht. Da ist das Denkmalamt vor. Aber der
ehemalige ORF-Journalist Peter Huemer sinnt auf eine List. Denn solange das
Gebäude existiert, werde es Ewiggestrige anziehen. Der adäquate Umgang mit
dem Haus sei daher, die Fenster zu öffnen und es dem langsamen Verfall
preiszugeben: „Das kann man dann auch als Kunstobjekt betrachten“.
20 Sep 2014
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
Adolf Hitler
Faschismus
Erinnerungskultur
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Schwerpunkt Landtagswahlen
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