Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Innovationen im Netz: Nicht das Ende der Erfinder
> Alle regen sich über den großen Plagiator Rocket Internet auf – dabei ist
> es normal, Geschäftsmodelle zu kopieren. Im Internet fällt es nur
> schneller auf.
Bild: Vorstände von Rocket Internet beim Börsengang.
BERLIN taz | Das Geschäftsmodell: eine Box. Material Plastik, Volumen etwa
60 bis 90 Liter. Hierhinein kann der Kunde alles einpacken, was er zwar
behalten, aber nicht zu Haus unterbringen will. Die volle Box schickt er
zurück an die Firma, von der er sie bekommen hat. Dort wird sie auf Abruf
eingelagert.
Das US-Unternehmen MakeSpace bietet diesen Service seit Dezember 2013 an.
Seine Kisten sind grün und etwas größer. In London gibt es die Boxen seit
August auch von SpaceWays, einer europäischen Firma, in Paris seit
September. Sie sind grau und etwas kleiner. Wer auf den Webseiten der
beiden Anbieter surft, ist irgendwann verwirrt: Wer war nochmal wer?
Trotzdem sagt Florian Nöll, Vorstand beim Bundesverband Deutsche Startups:
„So etwas ist noch kein Problem.“ Nicht mit einer neuen Idee zu starten,
sondern das erprobte Konzept eines Anbieters aus einer anderen Region zu
nehmen, sei für Start-ups nicht verwerflich: „Investoren von Risikokapital
wollen oft wissen, ob ein Geschäftsmodell woanders schon funktioniert.“ Das
heiße nicht, dass Kopieren immer in Ordnung sei. „Bei StudiVZ, wo im
Quelltext noch Facebook drinstand, war es schon sehr aufdringlich.“
SpaceWays ist eine Firma der Start-up-Schmiede Rocket Internet, die am
Donnerstag an die Börse ging. Rocket hat das Kopieren zum Geschäftsmodell
gemacht: gerade so viel nachmachen, dass möglichst wenig Eigenleistung
nötig ist, aber nur so wenig, dass es noch legal ist.
## Wer imitiert, hat Vorteile
Aber wenn kopieren so einfach und in Ordnung ist – wer will dann noch mit
eigenen Ideen gründen? McDonald’s hat den Hamburger nicht erfunden (das
waren angeblich Seefahrer aus Hamburg) oder Starbucks den Kaffee zum
Mitnehmen. Aber in Zeiten des Internets geht das Kopieren schneller – und
fällt schneller auf.
Wer imitiert, hat zwei Vorteile: Er senkt das Risiko zu scheitern. Und er
kann die Energie, die andere für die Ideenfindung brauchen, in die
Verbesserung stecken – aus einer eierlegenden Wollmilchsau wird ein Objekt,
das Eier, Wolle und Milch auch gleich verpackt und bei den Kunden
vorbeibringt, auf Wunsch fettarm oder ohne Laktose. „Die Idee ist nicht
viel wert, es kommt darauf an, was man daraus macht“, sagt Nöll.
Beim Deutschen Startup Monitor 2014 gaben 40 Prozent der Befragten an, dass
ihr Geschäftsmodell regional, europa- oder bundesweit neu sei. Sie wissen
also durchaus, dass es Vorreiter in anderen Regionen gibt.
„Die Gesellschaft braucht beides, Innovatoren und Imitatoren“, sagt der
Mathematiker und ehemalige IBM-Manager Gunter Dueck. Innovatoren seien
dabei eher die Künstler unter den Gründern: Sie brennen für das eigene
Projekt, bringen aber häufig keine großartigen wirtschaftlichen Kenntnisse
mit. Die brauchen die Imitatoren.
## Die Kunst ist es, Kunden zu gewinnen
Aber auch wer nachmacht, kann scheitern. Vor allem dann, wenn er einen
zentralen Faktor unterschätzt: Zeit. Wer beispielsweise vor zehn Jahren
einen Onlineversand hochzog, hatte lange Zeit, in einem wachsenden Markt
auszuprobieren, was geht und was nicht geht. Unternehmen, die jetzt in den
Onlinehandel einsteigen, können zwar einerseits davon profitieren und sich
mit ihrem Konzept an einem bereits funktionierenden orientieren. Aber sie
müssen trotzdem selbst Kontakte knüpfen, eigene Fehler machen. Lernen.
„Auch bei Zalando hatten anfangs alle gesagt, das geht doch gar nicht“,
sagt Dueck. Schließlich erhöhe die lange Rücksendefrist die Quote der
zurückgeschickten Waren. Entscheidend sei daher nicht die Frage: eigene
oder Fremdidee? Sondern: Schafft es der Anbieter, die Menschen, die Kunden,
die Zielgruppe zu begeistern? Erst dann könne sein Unternehmen ein Google
werden – das zwar die Idee der Suchmaschine nachahmte, aber sie mit einer
zuvor nicht da gewesenen Komponente eines Algorithmus versah. „Die Kunst
ist eigentlich, die Kunden zu gewinnen, und das wird gerne unterschätzt“,
sagt Dueck.
„Manchmal führt auch die technische Entwicklung dazu, dass an
unterschiedlichen Stellen über das Gleiche nachgedacht wird“, meint Nöll.
Daher müsse etwas, das wie ein Klon aussehe, nicht zwangsläufig einer sein.
Etwa das Zimmervermittlungsportal Airbnb; „Da gibt es sicher alleine im
Silicon Valley zehn mutmaßliche Kopien, und teilweise ist unklar, wer
eigentlich Vorreiter war.“ Oder ein Geschäftsmodell inspiriert das nächste.
Online lassen sich Autos vermieten? Warum nicht auch Wohnungen? Oder
Werkzeug?
Dueck hat nun im Ruhestand selbst etwas Neues gegründet: eine Art Wikipedia
für Noten. Warum? Weil er findet, dass die Welt so etwas braucht.
Vielleicht scheitert es. Vielleicht wird es aber auch ein Google.
5 Oct 2014
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
Rocket Internet
Börsengang
Plagiat
Marktwirtschaft
Social Media
Zalando
Rocket Internet
Zalando
## ARTIKEL ZUM THEMA
StudiVZ-Gründer zieht Bilanz: „Das war total crazy“
Er gründete das Online-Netzwerk StudiVZ, erfand das Gruscheln und wurde so
steinreich. Heute ist StudiVZ pleite – und Dennis Bemmann?
Börsengang von Rocket Internet: Abgestürzt
Nach dem eher mäßigen Start der Zalando-Aktie hat es auch das Startup
„Rocket Internet“ für die Brüder Samwer nicht gerissen. Die Aktie brach
beim Debüt ein.
Zalando und Rocket an der Börse: Inkubator im Zenit
Ökonomische Nachhaltigkeit steht bei Zalando und Rocket Internet nicht im
Vordergrund. Daran werden auch die Börsengänge nichts ändern.
Geschäftsmodell der Rocket-Brüder: Cashout, Exit, Samwer-Style
Statt auf eigene Ideen setzen die Brüder Samwer auf die Nachhahmung
bestehender Modelle. Manche in der Netzbranche nennen das Ideenklau.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.