# taz.de -- Der Künstler Thorsten Passfeld: Gefrorene Musik aus altem Holz | |
> Früher baute er ganze Gebäude nach, inzwischen hat er sich auf | |
> Kleinteiliges verlegt. Aber der Hamburger Thorsten Passfeld hat auch | |
> schon vieles andere gemacht. Eine Begegnung. | |
Bild: "Bitte sagt nicht 'geil'": Thorsten Passfeld erledigt im September 2004 l… | |
HAMBURG taz | Irgendwer solle endlich mal seinen [1][Wikipedia-Eintrag] | |
löschen, sagt Thorsten Passfeld. Für einen 1975 Geborenen ein seltsamer | |
Wunsch. Denn was da geschrieben steht, ist ziemlich eindrucksvoll: Der | |
Hamburger Allround-Künstler Passfeld hat Philosophie und Kunst studiert, | |
trat in die Öffentlichkeit als Wortkünstler der Poetry-Slam-Szene und | |
machte jahrelang Improvisations-, Literatur- und Performance-Shows. Er | |
wirkte aber auch mit an Filmen und Musikvideos und war der Sänger einer | |
Band namens „Heimweg“. | |
Andererseits baute Passfeld schon Bühnenbilder, unter anderem für das | |
Deutsche Schauspielhaus, und war Mitglied der von 1992 bis 2009 bestehenden | |
Künstlergemeinschaft SKAM, die in einem ehemaligen Bowlingcenter am Anfang | |
der Reeperbahn residierte. Dort zeigte er auch seine ersten originalgroßen | |
Trecker und andere Maschinen – aus Holzstückchen. 2006 konnte er eine schön | |
doppeldeutig „Playing with the Big“ benannte Auftragsarbeit für eine der | |
wichtigsten Kunstmessen der Welt, die Art Basel Miami Beach bauen. Das | |
hatte noch kein Hamburger Künstler geschafft. | |
## Abriss als Teil des Konzepts | |
Heute, in seiner aktuellen Ausstellung in der kleinen Galerie Feinkunst | |
Krüger in der Hamburger Neustadt spricht der gebürtige Dinslakener seltsam | |
distanziert über die früheren Großbauten aus Abfallholz, die ihn bekannt | |
machten. Zwischen 2002 und 2009 hat Thorsten Passfeld in Eigenregie große | |
Häuser aus Fundholz gebaut und ausgestattet, darunter das 130 Quadratmeter | |
große „Hoftheater Vier Linden“ im Stadtteil St. Georg, das dann vom | |
Deutschen Schauspielhaus bespielt wurde. In der Hafencity hatte 2005 einen | |
Monat lang die „Hafenkneipe Zum Falschen Freund“ geöffnet. | |
2007 entstand in 600 Stunden Arbeit das bisher größte Gebäude, die „Kirche | |
des Guten Willens“ in Wilhelmsburg, die verschiedenen | |
Glaubensgemeinschaften, Künstlern, Performern zur Verfügung stand – und | |
eben allen jenen, denen etwas einfiel zu dem Motto: „Wie kann man ein | |
besserer Mensch sein?“ Bei all diesen Projekten gehörte der Abriss zum | |
Konzept. Allein die 2009 in den Originalmaßen in Holz kopierte | |
Oberhafen-Kantine steht bis heute als Veranstaltungsort in Berlin-Treptow. | |
Inzwischen bastelt Thorsten Passfeld lieber liebevolle kleine Holzbilder. | |
Er findet: „Der Arbeitsbegriff draußen hat sich geändert.“ Auch gebe es | |
nicht mehr so viel Alt- und Abbruchholz, das Wiederverwenden habe sich | |
durchgesetzt. Und außerdem wolle er nicht „wichtig und richtig und | |
zeitgeistig“ sein, sondern lieber „in einem geschlossenen Raum sitzen und | |
in Ruhe was machen“, sagt Passfeld. „Ich kann auch so auf den Punkt kommen, | |
ohne zig Kubikmeter Holz zu bewegen, damit ein paar Leute ein Bier darin | |
trinken … Aber es war eine schöne Phase, man hat viele Leute | |
kennengelernt.“ | |
## Kokette Sinnkrise | |
Ist das am Ende nur eine etwas kokette Sinnkrise? Oder eine geschickte Art, | |
auf komplexe Biografie hinzuweisen? Auch wenn er erklärt: „Zu hohes | |
Selbstwertgefühl ist nicht mein Ding“, kann ein Künstler nicht zu oft | |
sagen, dass er lieber in Ruhe gelassen werden will – dann wird es nämlich | |
gefährlich still um ihn. | |
Aber es stimmt ja: Es mangelt bei den sozialen Ereignissen stark an der für | |
die Kunst notwendigen Konzentration. Dafür können sich die Künstler in | |
schöner Selbststilisierung spreizen. „Auf den Fluren der Hfbk war das | |
besonders schlimm“, sagt Passfeld mit Blick auf die örtliche | |
Kunsthochschule. Er schlägt vor, Künstler sollten ein soziales Jahr machen, | |
„bevor sie direkt in den Elfenbeinturm gehen“. | |
Künstler sei nun mal ein Beruf, dem kein klarer Wert beigemessen wird. Und | |
doch könne die Kunst vielleicht weiterhelfen, wenn die Sinnstiftung durch | |
Konsum oder Religion fragwürdig geworden ist. Künstler könnten anderen | |
zumindest einen formalen Tipp geben: Man darf malen, ja, auch ein | |
Blumenbild. Oder kann von der Performance lernen und beispielsweise in den | |
Wald gehen und schreien. Alle könnten viel sogar alleine erreichen: „Ich | |
habe die Häuser mit Akkuschrauber, Hammer und Säge gebaut. Und am besten | |
daran war, wenn jemand sagte: Wissen Sie, das hat mich motiviert. Da wird | |
Kunst so etwas wie ein Jugendzentrum für Erwachsene, das zum Machen | |
animiert.“ | |
## „Sowas wie Ablasshandel“ | |
Man sei weniger für sich, sagt Passfeld, als für die anderen | |
verantwortlich: Kunst sei ja sowas wie ein Ablasshandel, man müsse sich mit | |
seinen Produktionen vor der Welt und den Menschen rechtfertigen. Mit Musik, | |
Theater und Kino gehe das sogar beinahe besser – Bereiche, die Passfeld aus | |
eigener Arbeit gut bekannt sind. „Kunst ist ja nur ein Name, den man einer | |
Sache gibt“, sagt Passfeld, während er ganz nebenbei an einem Stück Holz zu | |
schnitzen anfängt. „Ich habe keine Lust am Computer herumzudaddeln … es | |
muss auch etwas Reales da sein.“ Da bietet sich das etwas altmodische | |
Material an. | |
Thorsten Passfeld arbeitet seine Bild-Text-Ideen-Stücke immer fertig aus. | |
Er schätzt die Arbeitszeit, in der er zugleich auch in Ruhe nachdenken | |
kann. So entstehen keine postmodern-konzeptuellen Skizzen, eher | |
kleinbürgerlich präzise Objekte zwischen Humor und Melancholie. Die | |
Betrachter sollen schon deshalb glauben, es lohnt sich, darüber | |
nachzudenken, weil es so aufwendig gemacht ist. | |
Da steht dann das in Schreibschrift geschnitzte Prosagedicht neben dem Kopf | |
eines traurigen Löwen, „Hier war gerade eben eine Frau in einem | |
Sommerkleid“ ist der Text zu einem aus dünnem Holz gesägten Fahrrad, und | |
eine einsame Autotür verkündet: „Ich möchte nochmal anfangen.“ Er versuc… | |
„gute Stücke zu schreiben“, so Passfeld, „die Musik war zu sperrig“. | |
## „Bitte sagt nicht ’geil‘“ | |
Mögen die Holzbilder manchen mit den spruchverzierten Lebkuchenherzen | |
verwandt scheinen, für den Multikünstler Thorsten Passfeld sind die | |
Sperrholzstücke „gefrorene Musik“. Würde er auch hier in der Zeitung gerne | |
einen passenden Sinnspruch lesen? Erwartungsgemäß unspektakulär fällt ihm | |
ein: „Bitte sagt nicht ’geil‘“, oder mehr auf die Kunst gerichtet: „D… | |
Sachen sollen toller sein als der Typ.“ Ja, gewiss. Aber dieser Typ ist | |
schon sehr speziell. | |
## | |
bis 25. 10., Feinkunst Krüger, Kohlhöfen 8, Hamburg. | |
[2][www.feinkunst-krüger.de] | |
9 Oct 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Thorsten_Passfeld | |
[2] http://www.xn--feinkunst-krger-11a2j.de | |
## AUTOREN | |
Hajo Schiff | |
## TAGS | |
Kunst | |
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zeitgenössische Kunst | |
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